Stark genug für ungeordneten Brexit

Bank of England hält Belastbarkeit der britischen Institute nach Bilanztest für ausreichend

Stark genug für ungeordneten Brexit

Die Bank of England hat den sieben Großbanken, die sich dem alljährlichen Bilanztest unterziehen mussten, ein gutes Zeugnis ausgestellt. Bis sie dazu gezwungen wären, die Versorgung der Realwirtschaft mit Liquidität einzustellen, müsste eine ganze Reihe “höchst unglücklicher Ereignisse” eintreten – ein ungeordneter Brexit reicht da nicht.Von Andreas Hippin, LondonDie Bank of England geht davon aus, dass die britischen Großbanken einen harten Brexit überstehen könnten. “Erstmals seit Beginn der Bilanztests der Bank im Jahr 2014 muss trotz des Schweregrads des Tests kein Institut seine Kapitalausstattung deswegen stärken”, sagte Notenbankchef Mark Carney bei der Vorlage der Ergebnisse des Tests (siehe Grafik). Barclays und die Royal Bank of Scotland (RBS) schafften es allerdings nur unter Einbeziehung der seit Ende 2016 ergriffenen Maßnahmen zur Stärkung der Kapitalausstattung über die Ziellinie. HSBC und Standard Chartered erreichten den geforderten “systemischen Referenzpunkt”, der sich aus der geforderten Kernkapitalquote und einem zusätzlichen Kapitalpuffer zusammensetzt, der Banken von weltweiter systemischer Bedeutung (G-SIB) auferlegt wird, nur unter Berücksichtigung “strategischer” Maßnahmen des Managements. Die Lloyds Banking Group bestand den Test als einzige börsennotierte Großbank ohne jeden Vorbehalt.Anders als bei den Planspielen der europäischen Bankenaufsicht EBA können Institute beim Bilanztest der Bank of England auch durchfallen. Im Jahr zuvor war Barclays bei der Kernkapitalquote erst nach Berücksichtigung der Umwandlung von bail-in-fähigen Anleihen (AT1) und Maßnahmen wie Dividendenkürzungen auf den erforderlichen Wert gekommen. Die RBS fiel damals glatt durch. Unerwähnt und doch präsentAnders als im Vorjahr wurde in dem auf fünf Jahre angelegten Szenario der Notenbank keine Senkung des Leitzinses auf 0 %, sondern ein Anstieg auf 4 % unterstellt. Das Wort Brexit taucht zwar nicht auf, die Annahmen entsprechen aber ungefähr den pessimistischeren Erwartungen für den Fall eines chaotischen Abgangs der Briten: Bereits im ersten Jahr schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 4,7 %, gefolgt von einem rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit auf bis zu 9,5 %. Das Pfund wertete um rund ein Drittel gegen den Dollar ab. Die Teuerungsrate stieg bis Ende 2018 auf 5 %. Die Preise für Wohnimmobilien brachen um ein Drittel ein, Gewerbeimmobilien verloren zwei Fünftel ihres Werts. Hinzu kamen erhebliche Verwerfungen an den Finanzmärkten. In den ersten beiden Jahren entstanden den Banken Verluste von 50 Mrd. Pfund. Noch vor einem Jahrzehnt hätte eine Krise dieses Ausmaßes das gesamte Eigenkapital des britischen Bankensystems ausradiert.Nun gibt Carney Entwarnung: “Das finanzpolitische Komitee (FPC) ist angesichts des derzeitigen Niveaus ihrer Belastbarkeit der Ansicht, dass britische Banken die Realwirtschaft auch im Falle eines ungeordneten Austritts aus der EU weiter unterstützen könnten”, sagte der Gouverneur der Bank of England. Erst wenn nicht nur der Brexit weniger sanft verliefe als von der Notenbank in ihren Szenarien nach wie vor unterstellt, sondern zugleich eine weltweite Rezession einträte und die Institute zudem mit höheren Strafen für ihr Fehlverhalten in der Vergangenheit konfrontiert wären, also “eine Reihe höchst unglücklicher Ereignisse” einträte, dann wären die anfallenden Verluste wohl noch größer als im diesjährigen Stressszenario unterstellt.Das FPC werde deshalb im ersten Halbjahr 2018 prüfen, ob der sogenannte antizyklische Kapitalpuffer, der erwartungsgemäß von 0,5 % auf 1 % der risikogewichteten Aktiva erhöht wurde, “im Lichte der Entwicklung des allgemeinen Risikoumfelds” noch angemessen sei. Analysten fürchten, dass die künftigen Dividenden wegen größerer Puffer niedriger ausfallen werden, ob sie nun vom FPC oder der Bankenaufsicht PRA (Prudential Regulation Authority) verordnet werden. Das könnte angesichts der wiederholt geäußerten Besorgnis über die Verschuldung der privaten Haushalte etwa die Institute treffen, die wie Barclays oder Lloyds Banking Group im Kreditkartengeschäft stark sind. In den ersten drei Jahren des Stressszenarios musste ein Fünftel der Verbraucherkredite abgeschrieben werden.