Stellenabbau beendet Boni-Boom an der Wall Street

Die Sonderzahlungen dürften weiter schrumpfen - Der Anstieg 2012 ist keine Wende - Angesichts fallender Zinsmarge rückt Kostenseite in den Fokus

Stellenabbau beendet Boni-Boom an der Wall Street

Weitere Steigerungen der Bonusvolumina sind bei US-Banken angesichts der jüngsten Einschnitte eher unwahrscheinlich. Der 2012 gezeigte Anstieg der individuellen Vergütung stammt vor allem aus mittelfristigen Ansprüchen vergangener Jahre. Die Party neigt sich dem Ende zu.Von Sebastian Schmid, New York Die Banker an der Wall Street können für 2012 noch einmal die Sektkorken knallen lassen. Die Bonuszahlungen dürften laut New Yorker Rechnungsprüfer Thomas DiNapoli um insgesamt 8 % auf rund 20 Mrd. Dollar angestiegen sein. Für den einzelnen Bankmanager sieht es sogar noch besser aus: Da die Zahl der Bonus-Empfänger wegen fortgesetzter Stellenstreichungen auch 2012 gesunken ist, kletterte die Auszahlung pro Person im Schnitt um 9 % auf knapp 122 000 Dollar. Allerdings lag die Ausschüttungssumme an die Mitarbeiter um mehr als ein Zehntel unter dem Wert von 2010, als 22,8 Mrd. Dollar ausgezahlt wurden. Der Rekord aus dem Jahr 2006 mit 34,3 Mrd. Dollar ist ohnehin meilenweit entfernt. Oft nur BuchgewinneGanz überraschend kommt der jüngste Anstieg der Boni nicht. Im Schlussquartal 2012 haben die US-Banken laut Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) einen Gewinnsprung um 37 % auf insgesamt 34,7 Mrd. Dollar hingelegt. Demgegenüber mutet die Expansion der Sonderausschüttung geradezu moderat an. Allerdings sind die Gewinne oft nur Buchgewinne gewesen. So sanken die Volumina notleidender Kredite in den Büchern der US-Finanzdienstleister, was zur Folge hatte, dass auch die Rückstellungen für erwartete Kreditausfälle ergebniswirksam zurückgefahren werden konnten.Mit Blick auf die kommenden Jahre ist der Optimismus der Banken daher auch weit weniger ausgeprägt. J. P. Morgan Chase, das größte US-Kreditinstitut nach Bilanzsumme, hat erst am Dienstag auf einem Investorentagung angekündigt, bis Ende 2014 rund 17 000 Stellen streichen zu wollen. Das sind etwa 6,5 % der Belegschaft. Dabei hatte die Bank im vergangenen Jahr trotz eines mehrere Milliarden Dollar schweren Verlusts aus Derivatewetten im Londoner Chief Investment Office einen Rekordgewinn eingefahren – den dritten in Serie. Allein im laufenden Turnus sollen 4 000 Stellen wegfallen, im Folgejahr stehen weitere 13 000 Stellen vornehmlich im Retailgeschäft und der Einheit, über die private Hauskredite vergeben werden, auf der Streichliste.Schon vor den Kürzungen hatte J. P. Morgan die kleinste Mannschaft der vier großen US-Banken gehabt. Der von Chief Executive Jamie Dimon geleitete Finanzkonzern ist zudem profitabler als die Konkurrenten Bank of America, Citigroup und Wells Fargo. Entsprechend stehen auch bei diesen mitunter noch härtere Einschnitte an, als in den vergangenen Jahren bereits vorgenommen wurden. StreichorgieDer neue Citigroup-Chef Michael Corbat hat im Dezember, zwei Monate nach seinem Amtsantritt, den Rotstift angesetzt und den Abbau von 11 000 Stellen im Konzern angekündigt. Wie bei J. P. Morgan stand mit mehr als 6 000 Jobs vor allem das Ret ailsegment der Citi im Fokus der Kürzungen. Bank of America hatte im September angekündigt, bis Ende 2014 rund 30 000 Stellen streichen zu wollen. Selbst nach diesem Kahlschlag wäre die Bank mit 258 000 Mitarbeitern erst da, wo J. P. Morgan heute schon ist. Die Investoren dürften von CEO Brian T. Moynihan deshalb weitergehende Maßnahmen erwarten. Auch die bislang eher zurückhaltend agierende Wells Fargo wird sich angesichts fallender Zinsmargen mittelfristig mit der Kostenseite auseinandersetzen müssen, erwarten die Analysten der Wall Street. Die Investmentbank Goldman Sachs, die in den vergangenen zwei Jahren mit 3 300 Mitarbeitern rund 9 % der Belegschaft gehen ließ, bereitet zudem laut US-Nachrichtenagenturen den nächsten Stellenabbau im Handelsgeschäft vor. Rund 5 % der Mitarbeiter im Aktienhandel sollen gehen müssen, im Handel mit festverzinslichen Wertpapieren etwas weniger.Angesichts dieser Einschnitte sind weitere Steigerungen der Bonusvolumina eher unwahrscheinlich. Zumal fast alle US-Banken den Vergütungsanteil am Aufwand zurückfahren. DiNapoli führt dann den Anstieg der individuellen Vergütung vor allem darauf zurück, dass mittelfristige Bonusansprüche aus vergangenen Jahren 2012 ausgezahlt wurden. Auch die Stadt leidet mitDass die Finanzindustrie in New York City mächtig geschrumpft ist, macht sich auch im Haushalt der Stadt bemerkbar. Vor der Finanzkrise 2008 stand die Branche für ein Fünftel des Steueraufkommens im Big Apple. 2012 waren es gerade noch 14 %. Angesichts der Stellenstreichungen und der damit einhergehenden sinkenden Bonusvolumina dürfte sich der Trend auch so bald nicht umkehren lassen. Selbst wenn nächstes Jahr an der Wall Street wegen gestiegener Boni wieder die Sektkorken knallen, dürften zumindest weniger Flaschen Schaumwein nötig sein.