"Steuerhinterziehung als Geschäftsmodell"

Nach fast sechsjährigen Ermittlungen erheben Strafverfolger erstmals Anklage im Zusammenhang mit Cum-ex-Transaktionen

"Steuerhinterziehung als Geschäftsmodell"

Jetzt ist es offiziell: Zum ersten Mal erhebt eine Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Cum-ex-Geschäften Anklage wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung.ski Frankfurt – Die Generalstaatsanwaltschaft (GStA) Frankfurt wirft sechs Angeschuldigten vor, von 2006 bis 2008 über eine Gesellschaft eines inzwischen verstorbenen privaten Investors – gemeint ist Rafael Roth – Leerverkaufsgeschäfte mit Dax-Aktien um den Dividendenstichtag getätigt und dabei Steuern hinterzogen zu haben. Sie hätten von Beginn an das Ziel verfolgt, Bescheinigungen für tatsächlich weder einbehaltene noch abgeführte Kapitalertragsteuer plus Solidaritätszuschlag zu erlangen, um diese Beträge dann vom Finanzamt unrechtmäßig anrechnen und auszahlen zu lassen. Dabei soll ein gemeinschaftlich gefasster Tatentschluss zugrundegelegen haben.Die Anklage wurde nach fast sechs Jahre andauernden Ermittlungen bei der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Wiesbaden erhoben. Die Anklageschrift umfasst 948 Seiten. Dass die Anklageerhebung bevorstehen soll beziehungsweise schon erfolgt sei, ging bereits seit August vergangenen Jahres durch die Presse (vgl. BZ vom 4.8. und 5.10.2017). Die Strafverfolgungsbehörde selbst nennt auch jetzt, da sie per Pressemitteilung über die Anklage informiert, keine Namen. Es ist aber bekannt, dass der Rechtsanwalt und Steuerberater Hanno Berger sowie frühere Aktienhändler der HypoVereinsbank angeschuldigt werden. Berger bestreitet die Vorwürfe. Sie seien unsinnig und in den vergangenen Jahren mehrfach widerlegt worden, sagte er am Dienstag der Börsen-Zeitung. Gut 106 Mill. Euro ausbezahltKonkret sollen die Angeschuldigten laut GStA im genannten Zeitraum 61 Leerverkaufsgeschäfte mit Dax-Werten in einem Gesamthandelsvolumen von 15,8 Mrd. Euro getätigt und Steuerbescheinigungen über tatsächlich nicht abgeführte Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag von insgesamt rund 113,3 Mill. Euro erlangt haben. Die Steuerbescheinigungen seien von der steuerlich in Eppstein ansässigen Gesellschaft im Rahmen der Körperschaftsteuererklärungen für die Jahre 2006 bis 2008 beim Finanzamt Wiesbaden II eingereicht worden. Nach Verrechnung mit Steuerverbindlichkeiten seien 106,4 Mill. Euro tatsächlich ausbezahlt worden. Den behaupteten Steuerschaden hat die HypoVereinsbank schon vor geraumer Zeit “vollumfänglich erstattet”.Der 67-jährige, in der Schweiz lebende Berger soll, so der Vorwurf der Ankläger ohne Namensnennung, Steuerhinterziehung auf der Basis von Cum-ex-Geschäften “als Geschäftsmodell für Privatkunden maßgeblich entwickelt und sich auch um die Akquise des Investors gekümmert” haben. Angeschuldigt sind ferner drei neuseeländische und britische Investmentbanker, ein deutscher Diplom-Betriebswirt und ein deutscher Diplom-Kaufmann (Alter 36 bis 54 Jahre), die im Tatzeitraum für eine “deutsche Großbank an den Standorten München und London” tätig und ganz maßgeblich an Planung und Durchführung der Geschäfte beteiligt gewesen seien. Sie sollen sich eine damals bestehende Schwäche im Abwicklungsmechanismus bei ungedeckten Leergeschäften mit Aktien um den Dividendenstichtag gezielt zunutze gemacht haben. Im Ergebnis sei bei keiner der abgewickelten Transaktionen Kapitalertragsteuer auf Dividendenkompensationszahlungen einbehalten, wohl aber bescheinigt worden. Einen vom Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2007 eingeführten Schutzmechanismus sollen die Angeschuldigten durch die Einschaltung einer ausländischen Depotbank auf der Seite des Leerverkäufers umgangen haben, um sicherzustellen, dass bei den Leerverkaufsgeschäften auch künftig keine Kapitalertragsteuer auf Dividendenausgleichszahlungen einbehalten und abgeführt würde. Stellungnahmen bis AugustBerger als Hauptbeschuldigter soll seinen Gewinn aus der Vergütung seiner Beratertätigkeit in Höhe von rund 332 000 Euro und durch die zusätzliche Zahlung gesonderter Erfolgshonorare von knapp 2,4 Mill. Euro durch Rafael Roth erzielt haben. Die übrigen Angeschuldigten hätten ihre wirtschaftlichen Vorteile durch leistungsbezogene Bonuszahlungen ihrer Arbeitgeberin, Roths Depotbank, erzielt.Die Angeschuldigten haben nun bis Ende August Zeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Dann erst entscheidet das Landgericht Wiesbaden über die Zulassung der Anklage.