Digitale Assets

Streit der Krypto-Milliardäre spitzt sich zu

Cameron Winklevoss hat einen offenen Brief geschrieben, in dem er Barry Silbert bezichtigt, Kontrolle über die in Liquiditätsnot geratene DCG-Tochter Genesis auszuüben. Silbert bleibt aber cool.

Streit der Krypto-Milliardäre spitzt sich zu

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Digitale Assets im Wert von rund 900 Mill. Dollar hatte der von den Winklevoss-Zwillingen Cameron und Tyler geführte Kryptohändler Gemini über ein Zinsprodukt an die Lending-Plattform Genesis vermittelt. Das geschah, als sich schon deutliche Risse im Kryptomarkt abzeichneten, eine Woche nach der FTX-Pleite eskalierte die Situation dann und Genesis stoppte die Auszahlungen an Kunden aus dem betroffenen „Earn“-Programm. Mit Zinsversprechungen von bis zu 8 % wurden Gemini-Kunden in die Token-Leihe gelockt – und realisieren nun, welches Risiko-Rendite-Profil ein solches Produkt hat, wenn in abwärts-volatilem Markt eine solch stramme Rendite in Aussicht gestellt wird.

Da die sich inzwischen in der Restrukturierung befindliche Genesis eine Tochter der Digital Currency Group (DCG) ist, hat sich Cameron Winklevoss nun in einem offenen Brief an DCG-Boss Barry Silbert gewandt und Entgegenkommen eingefordert. Man habe sechs Wochen lang versucht, eine Vereinbarung für die Rückzahlung der eingefrorenen Kundengelder zu treffen, aber Silbert verweigere sich und wende „böswillige“ Verzögerungstaktiken an. Dann drückt Cameron auch noch ordentlich auf die Tränendrüse und schreibt, zu den 340.000 Geschädigten zählten auch alleinerziehende Mütter und Schullehrer, die Silbert ihre Gelder anvertraut hätten – da hätte Winklevoss mal lieber seine Anleger adäquat über die Risiken einer Kryptoleihe informiert, die den Retailanleger im Falle der Insolvenz des Depositen-aufnehmenden Instituts als unbesicherte Gläubiger ganz schlecht stellt.

Fälligkeit im Mai

Immerhin hat Cameron Winklevoss den DCG-Chef mit seinen persönlichen Vorwürfen in dem Brief so weit getriggered, dass dieser per Twitter eine Replik verfasste: Der Vorwurf, dass sich DCG 1,675 Mrd. Dollar von Genesis geborgt habe, sei falsch, schreibt Barry Silbert. Tatsächlich stehen netto nur 575 Mill. Dollar aus eine Leihe bei der Konzerntochter offen, da Digital Currency Group als Folge aus der Three-Arrows-Pleite ihrer Tochter Forderungen von 1,1 Mrd. Dollar abgenommen hatte.

Silbert legt in seinem Tweet Wert auf die Feststellung, dass DCG noch nie eine Zinszahlung an Genesis verpasst habe und die nächste Kreditfälligkeit stehe im Mai 2023 an. Außerdem habe man keineswegs auf stumm geschaltet und Genesis sowie den Gemini-Beratern am 29. Dezember einen Vorschlag zur Lösung des Problems übersandt und dazu noch kein Feedback erhalten.

Damit greift Silbert den Vorwurf auf, er würde sich hinter den Anwälten verstecken. Vor dem Hintergrund mutet es schon ein wenig seltsam an, dass Cameron Winklevoss eine (willkürliche?) Frist bis zum 8. Januar gesetzt hat, wenn doch zumindest Vorschläge auf dem Tisch liegen. Ungeklärt bleibt die Grundfrage, ob DCG und Genesis wirklich komplett getrennte Einheiten sind und eben alle Geschäfte zwischen Mutter und Tochter „at arm’s lenght“ stattfinden sowie diese „fully disclosed“ sind. Das bezweifelt Cameron Winklevoss, ohne es zu beweisen. Sein Kalkül: Wenn DCG Durchgriff hat auf Genesis, dann muss die Mutter auch für Verluste der Tochter haften. Wobei dann offen ist, ob DCG dafür ausreichend Mittel hat. Denn Silbert hat mit der von Genesis erhaltenen Liquidität marktbedingt wohl keine guten Investments getätigt und könnte von daher klamm sein. Cameron Winklevoss spricht von illiquiden Venture-Beteiligungen und „kamikaze Grayscale NAV trades that ballooned the AUM of your trust.“

Darauf geht Silbert nicht ein, aber das ist wohl das Herzstück des Problems: DCG hat Gelder mobilisiert, um das unter Nettoinventarwert (NAV) notierte Grayscale-Vehikel eines „Bitcoin Trust“ zu stützen. Die Tochter Grayscale ist mit ihren Gebühren aus diesem Anlagevehikel die größte und stabilste Einnahmequelle von DCG, die Silbert natürlich von den übrigen Problemen abschirmen will. Die Holding hat außer den Genesis-Verpflichtungen nur Kredite über 350 Mill. Dollar ausstehend, die fällig gestellt werden könnten, falls Hauptgläubiger Eldridge kalte Füße kriegt.

Restrukturierung läuft

Das ist aber unwahrscheinlich, solange Genesis mit Unterstützung von der Investmentbank Moelis noch Aussichten auf eine Abwendung der Insolvenz hat. Genesis hatte seit Bekanntwerden der Liquiditätsprobleme versichert, dass man eine Restrukturierung in der vorhandenen Struktur versuchen will. Sollte das nicht möglich sein, kann man in den USA auch in einem Chapter-11-Verfahren vorab mit Gläubigern weitere Kreditzusicherungen erhalten und Debt-to-Equity-Swaps vereinbaren als Form des Forderungsverzichts, wie es derzeit bei Core Scientific geschieht.

Barry Silbert ist jedenfalls gefordert, etwas zur Genesis-Rettung beizusteuern. Man darf auch gespannt sein, ob er noch juristische Schritte gegen Cameron Winklevoss unternimmt, sind Tatsachenbehauptungen, er habe Genesis Anweisungen erteilt, doch justiziabel, da es sich um Verleumdung und üble Nachrede handelt, sofern kein Beweis solcher Handlungen vorliegt.

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