Sturmgewehre im passiven Ethikfonds

Von Stefan Paravicini, New York Börsen-Zeitung, 15.8.2019 Ökologisch und sozial verträgliche Investments stehen bei Anlegern schon länger hoch im Kurs. Fondsanbieter haben in den vergangenen Jahren Hunderte Fonds lanciert, die mit den Lettern "ESG"...

Sturmgewehre im passiven Ethikfonds

Von Stefan Paravicini, New YorkÖkologisch und sozial verträgliche Investments stehen bei Anlegern schon länger hoch im Kurs. Fondsanbieter haben in den vergangenen Jahren Hunderte Fonds lanciert, die mit den Lettern “ESG” versehen sind. Das Versprechen lautet, dass der Fonds bei der Auswahl für das Portfolio sowohl ökologische Kriterien (Environmental) als auch soziale Aspekte (Social) sowie Fragen der Unternehmensführung (Governance) berücksichtigt. Das Forum for Sustainable and Responsible Investment, eine US-Branchenlobby, hat nachgezählt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass bei jedem vierten von insgesamt 46 Bill. Dollar, die 2018 in US-Assets angelegt waren, unter anderem ESG-Kriterien berücksichtigt werden.Der Boom hat auch das Segment der börsengehandelten Indexfonds erfasst. Im ersten Halbjahr sind laut Marktbeobachtern fast 5 Mrd. Dollar in Exchange Traded Funds (ETF) geflossen, die sich als ökologisch, sozial und sensibel für Fragen der Governance deklariert haben. Das ist fast das Doppelte des Volumens, welches das Segment im gesamten vergangenen Jahr angezogen hat. Dabei hatten ETFs mit dem Zusatz ESG ihre Mittelzuflüsse schon 2018 verdoppelt. Im Vergleich mit dem gesamten ETF-Universum, in dem heute mehr als 4 Bill. Dollar verwaltet werden, ist ESG weiterhin eine Nische. Das Versprechen, mit einer passiven Anlagestrategie Gebühren sparen und dabei verantwortungsvoll investieren zu können, dürfte bei Anlegern aber noch länger im Trend liegen.Wer sicher gehen will, dass sein Geld nach ökologischen und sozialen Kriterien angelegt wird, kommt allerdings auch bei passiven Strategien nicht umhin, ab und an einen aktiven Blick in den Fondsprospekt und ins Depot zu wagen. Das hat der US-Vermögensverwalter Vanguard, der zweitgrößte Anbieter von Indexfonds, den Anlegern in den vergangenen Wochen gleich zweimal in Erinnerung gerufen. Zunächst wurde Anfang Juli bekannt, dass Vanguard mit einem ihrer ETFs zwar Konzerne ausschließt, die über eigene Reserven fossiler Brennstoffe verfügen, aber keine Probleme mit Dienstleistern der Ölbranche wie Schlumberger oder einem Pipeline-Betreiber wie Kinder Morgan hat. In dieser Woche dann hat Vanguard außerdem einräumen müssen, dass einer ihrer ESG-Fonds aufgrund eines Fehlers des Indexanbieters FTSE Russell in diesem Sommer unter anderem Papiere des Waffenherstellers Sturm, Ruger & Co. ins Depot genommen hat. Die Mitteilung kam wenige Tage nach dem jüngsten Massaker mit einem Sturmgewehr in den USA und warf deshalb ein besonders schlechtes Licht auf den Ethikfonds, obwohl sich das Investment des mehr als 560 Mill. Dollar schweren Vanguard US ESG Stock ETF bei Ruger auf 219 Aktien mit einem Wert von nicht einmal 10 000 Dollar belief.”Auch wenn das Exposure zu diesen Holdings sehr überschaubar war, bedauern wir, dass der Fehler aufgetreten ist, und entschuldigen uns bei den Aktionären”, teilte Vanguard mit. Neben den Gewehren von Ruger sind unter anderem auch Aktien des Sicherheitsdienstleisters Halliburton und des privaten US-Gefängnisbetreibers Geo Group im Depot ihrer ESG-Fonds gelandet, die insgesamt mehr als zwei Dutzend Titel wieder abgestoßen haben.Der Run auf ESG und ETF dürfte dennoch weitergehen. Seit dem Start der betroffenen ESG-Fonds von Vanguard im vergangenen Jahr verzeichneten die beiden Vehikel bis Mitte Juli keinen einzigen Tag mit Nettoabflüssen.——Vanguard findet Aktien des Waffenherstellers Sturm, Ruger & Co. in seinem ESG-Indexfonds. ——