Swift geht die große Migration an
Von Björn Godenrath, Frankfurt
Im Eurosystem ist die große Zeit der Modernisierung von Finanzmarktinfrastruktur angebrochen. Ausgangspunkt war das European Single Market Infrastructure Gateway (ESMIG), das eine einheitliche Schnittstelle für den Zugang zu den Marktinfrastrukturen des Eurosystems bieten soll. Herzstück dieses Megaprojekts zur Harmonisierung im Euroraum sind zwei Umstellungen: die große Target-Migration, welche die Plattformen für die Abwicklung von Großbetragszahlungen und jene zur Abwicklung von Wertpapiertransaktionen vereint, sowie die Migration von grenzüberschreitenden Zahlungen samt Reporting über das Swift-System auf das Datenformat ISO 20022 als Standard. Beides hatte parallel stattfinden sollen, doch die Target-Migration wurde wegen Problemen in der Testumgebung von November 2022 auf den 20. März 2023 verschoben.
Funktionen implementiert
Swift ist nach eigenen Angaben schon seit längerem bereit für die Migration, seit August 2022 sind alle erforderlichen Funktionen implementiert und Finanzinstitute können ISO-20022-Nachrichten auf einer Opt-in-Basis untereinander austauschen. Da die überwiegende Mehrheit der internationalen Finanzcommunity den Wunsch äußerte, dass Swift die eigene Migration an den Zeitplan der EZB anpasst, sei man dem Wunsch nach dem neuen Startdatum 20. März nachgekommen, sagt Jürgen Marstatt, Chef für Deutschland, Österreich und Osteuropa, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
11500 Banken in mehr als 200 Ländern und 4 Milliarden Konten sind an Swift als zentrales Bindeglied für das Messaging im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr angebunden – es ist also einiges an vorbereitender Integrationsarbeit auf der technologischen Ebene notwendig. Über die Swift-eigenen Testsysteme könne man sehen, dass die Mitglieder mit der Umstellung schon sehr weit fortgeschritten seien, so Marstatt. Doch selbst für den Fall, dass einzelne Institute, die an das globale Swift-Netz angebunden sind, ISO 20022 noch nicht voll integriert hätten, habe die Genossenschaft eine Übergangsphase vorgesehen: „Bis November 2025 kann das alte Datenformat MT noch in Koexistenz genutzt werden. Wer ISO-20022-Nachrichten im Format MX ab dem 20. März empfängt, aber noch nicht verarbeiten kann, der hat die Option, sich aus dieser Datei Nachrichten im MT-Information zu ziehen.
Zusätzliche Funktionalitäten
Rund 70 Länder, darunter die Schweiz, China und Japan, haben die ISO-20022-Umstellung bereits absolviert. Mit dem Eurosystem soll im März ein wesentlicher Block hinzukommen. Mehr als 200 Payment-Arten in verschiedenen Datenformaten werden dabei interoperabel gemacht. Das ermöglicht zusätzliche Funktionalitäten in den Prozessen, zum Beispiel für die maschinelle Bearbeitung von Daten in den Systemen der Banken.
Eine wesentliche strategische Bedeutung für die an Swift angeschlossenen Institute ergibt sich Marstatt zufolge zudem daraus, dass sie Compliance-Anforderungen, etwa für die Bekämpfung von Geldwäsche, besser erfüllen können. Die Daten seien jetzt so strukturiert, dass sie besser zum Abgleich in andere Datenbanken gegeben werden könnten. Ein zusätzlicher Nutzen sei es, dass aus den vergrößerten Datenfeldern per Schnittstelle gezielt Informationen selektiert werden können. Auch im Bereich Retail Payment könne Swift den Banken künftig noch besser behilflich sein, da über das System tausende Institute erreichbar seien, was ein „Interlinking“ zu anderen Systemen ermögliche.
Konto als Ankerpunkt
Um die Positionierung der angeschlossenen Banken im schnell wachsenden und umkämpften Segment des grenzüberschreitenden Kleinbetragszahlungsverkehrs zu verbessern, hat die Brüsseler Genossenschaft den neuen Dienst „Swift Go“ aufgesetzt. Nachdem Swift Mitte 2021 mit dem Piloten gestartet war, mit dem kleine Beträge schnell und sicher über Landesgrenzen hinweg transferiert werden können, verzeichnet es heute schon mehr als 600 registrierte Banken in über 120 Ländern, wie Marstatt sagt. Es liegt auf der Hand, dass sich die Banken mit „Swift Go“ besser gegen die Fintech-Innovatoren behaupten könnten – und das Konto der Ankerpunkt in der Kundenbeziehung bleibt.
„Swift Go“ ist implementiert und nun geht es Marstatt zufolge darum, Volumen auf den Dienst zu bringen. Mit der Deutschen Bank und Unicredit gebe es auch schon „zwei Frontrunner“, die den Dienst, der auf den Hochgeschwindigkeitsverbindungen von „Swift GPI“ für Großbetragszahlungen basiert, voranbringen wollen. In Sachen digitale Ökosysteme hat Swift sich auch schon für digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) und tokenisierte Vermögenswerte gerüstet. „Wir haben zwei separate Untersuchungen durchgeführt und konnten dabei die grundsätzliche Herausforderung der Interoperabilität bei grenzüberschreitenden Transaktionen lösen, indem wir eine Brücke zwischen verschiedenen Blockchains und bestehenden Zahlungssystemen gebaut haben“, sagt Marstatt. Das heißt, Swift könnte CBDCs und Token schnell und in großem Umfang einsetzen – 18 Zentral- und Geschäftsbanken testen die Swift-Lösung bereits. Laut den jüngsten Konsultationen wird der digitale Euro frühestens 2026 eingeführt werden können – Swift ist Marstatt zufolge bereit, einen Beitrag dazu zu leisten.