BANKEN ZWISCHEN GESUND- UND KAPUTTSPAREN - SERIE KOSTENDRUCK IM FINANZSEKTOR: TEIL 24

Teure neue Vergütungswelt

Börsen-Zeitung, 17.10.2014 Auf die Frage nach den Auswirkungen der für 2014 erneut von Gesetzgeber und Bankenaufsicht novellierten Vergütungsregularien für seine Bank fand unlängst ein Bankenvorstand eine knappe und durchaus treffende Antwort: "Die...

Teure neue Vergütungswelt

Auf die Frage nach den Auswirkungen der für 2014 erneut von Gesetzgeber und Bankenaufsicht novellierten Vergütungsregularien für seine Bank fand unlängst ein Bankenvorstand eine knappe und durchaus treffende Antwort: “Die Regulatorik ist ein Preistreiber!” Der Preis, den betroffene Institute im Rahmen der Umsetzung der regulatorischen Anforderungen zu zahlen haben, beschränkt sich dabei aber nicht ausschließlich auf den Anstieg der Komplexität in Administration und Überwachung der Vergütungssysteme sowie Fragen der Vergütungs-Governance, sondern betrifft insbesondere auch den Zuwachs in den Vergütungsniveaus der Branche. Warum sind hohe Kosten für Vergütung überhaupt ein Problem für Banken? Die Vergütungen sinken nichtResultierend aus der jüngsten Finanzkrise folgenden Regulierungswelle mit Regelungen wie Basel III bis hin zur CRD IV war für viele Bankhäuser eine deutliche Anpassung der bestehenden Geschäftsmodelle notwendig. Aufgrund der gestiegenen Eigenkapitalanforderungen sanken die realisierbaren Erträge durchweg deutlich. Mit Blick auf den deutschen Markt lässt sich feststellen, dass in den vergangenen Jahren unter den Top-Banken kaum ein Institut zumindest seine Kapitalkosten verdienen konnte. Gleichzeitig war aber kein Absinken der Vergütungsniveaus zu beobachten. Dabei stellten die bestehenden Vergütungshöhen vor Umsetzung der CRD-IV-Regelung bereits einen problematischen Kostenblock dar – gerade im Angesicht rückläufiger Ertragslagen. Im Effekt werden aber weiter Erträge munter umverteilt von Aktionären zu Mitarbeitern: Karl Marx würde sich freuen. Regulatorisches EigentorFür die zu Beginn des laufenden Geschäftsjahres ausbezahlten Boni zeigt sich auf Basis der von HKP durchgeführten Gehaltsstudien unter den größten deutschen Bankinstituten ein Anstieg der Grundvergütungen in der Größenordnung von 5 bis 15 %, bei vergleichbaren Steigerungen der variablen Vergütung. Diese Entwicklung lässt sich zu Teilen über die leicht verbesserten Geschäftsergebnisse im Vergleich zu den Vorjahren und auch durch mögliche kompensatorische Effekte für lange Phasen mit niedrigen Bonuszahlungen erklären.Andererseits zeigt sich insbesondere in den Instituten, deren bisherige Vergütungsstrukturen nicht in der neuen 1 : 1-Obergrenze für das Verhältnis von fixer zu variabler Vergütung abzubilden waren, eine deutliche Verschiebung in den Vergütungsstrukturen zugunsten der Festvergütungen. Es gibt also nicht weniger Vergütung, sondern nur mehr fixe – und im Ergebnis jedenfalls nicht weniger.Dass diese Entwicklung im Vergleich zu anderen Industrien teils bedeutende Veränderungen nach sich zieht, wird bei einem Blick auf die branchenübergreifenden Vorstandsvergütungen deutlich. Während die bestbezahlten ordentlichen Vorstandsmitglieder im Dax im Schnitt für 2013 eine Grundvergütung von circa 1,2 Mill. Euro erhielten, ist beispielsweise die Grundvergütung der ordentlichen Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank mit Beschluss der Haup tversammlung 2014 auf 2,8 Mill. Euro angestiegen, die des Vorsitzenden auf 3,8 Mill. Euro. Derartige Grundvergütungshöhen hat es in der deutschen Wirtschaftsgeschichte noch nicht gegeben.Aber um einen klaren Punkt zu machen: Diese Fehlentwicklung ist nicht den Unternehmen, sondern der internationalen und deutschen Politik anzukreiden. Wer glaubt, dass marktbestimmte und vertraglich zugesagte Vergütungshöhen durch Bonusbegrenzungen korrigierbar sind, unterliegt einem Trugschluss. Eingeschränkte FlexibilitätDer aus den regulatorischen Vorgaben resultierende Anstieg des Fixkostenblocks in den Personalkosten sorgt für eine langfristige Belastung der Institute, welche die regulatorisch ebenfalls geforderte Flexibilität der Institute zur Kostenreduktion über geringere variable Vergütungen in Zeiten geringer Erträge deutlich einschränkt. Erhöhte Sicherheitsanforderungen durch verschärfte Eigenkapitalanforderungen werden durch Umwandlung von variablen in fixe Kosten konterkariert.Zusätzlich verstärkt sich ein bestehender Effekt: In Teilen der Bankenlandschaft haben sich Vergütungspakete, -praktiken und Anspruchshaltungen entwickelt, die weit oberhalb der restlichen Industrie liegen. Böse formuliert: Für junge Potenzialträger sind Banken nicht mehr erste Wahl als Arbeitgeber, und die erfahrenen Dinosaurier können oder wollen ohne erhebliche Gehaltseinbußen nicht in die Industrie wechseln. Höhere Attraktivität haben nur die nicht den regulatorischen Vorgaben unterliegenden Schattenbanken. Wird die Bankenlandschaft also vergreisen? Risikoträger identifiziertBereits seit 2010 mussten Banken im Sinne der Regulatorik Mitarbeiter identifizieren, die das Gesamtrisikoprofil des Hauses wesentlich beeinflussen. Diese Risk Taker wurden anschließend mit einer aufgeschobenen variablen Vergütung sowie einer nachträglichen Möglichkeit zur Reduzierung der Bonusansprüche versehen. Der damit verbundene administrative Aufwand sowie die für die Betroffenen ausgelobten Kompensationen für eine durch aufgeschobene Auszahlung entstehende “Liquiditätslücke” hielen sich jedoch in Grenzen, da oftmals nur die oberste Führungsebene betroffen war. Risk-Taker-Quoten von unter 1 % waren keine Seltenheit. Sprunghafte VermehrungMit dem seit Mitte 2014 gültigen europäischen EBA-Standard zur Risk-Taker-Selektion wird sich diese Situation schlagartig verändern. Eine Umfrage unter Vergütungsexperten von Banken, die derzeit neue Risk-Taker-Selektionen durchführen, zeigt, dass im Schnitt eine Verzehnfachung der Risk-Taker-Mengen erwartet wird. In Extremfällen reichen die Schätzungen sogar bis zum 30-Fachen. Bei diesen Werten kann nicht mehr von einem geringen administrativen Aufwand gesprochen werden. Auch werden mögliche Kompensationen (und damit wiederum Kosten) für die neuen Risk-Taker-Rollen unterhalb der Ebenen des Top-Managements im Zweifel Verhandlungsmasse der betrieblichen Mitbestimmung.Die gestiegene Komplexität der aufsichtsrechtlichen Vorschriften verbunden mit Konsequenzen für alle Ebenen einer Bank machen es zunehmend schwieriger, geeignete Experten im Markt zu rekrutieren. Dies beginnt bei Aufsichtsräten, denen zusätzliche Mandatsbeschränkungen und Anforderungen an die Qualifizierung auferlegt werden, und reicht bis zu Mitarbeitern, die sich komplexen bis unattraktiven Bonusmodellen unterwerfen müssen. Gleichzeitig mehren sich im Zuge der gegenwärtigen Vorbehalte gegenüber der Bankenwirtschaft die Berichte über freie Stellen für Auszubildende und mangelnde Attraktivität der Banken als Arbeitgeber insgesamt. Politisches Ziel verfehltGenerell lässt sich feststellen, dass sich, was eines der erklärten Ziele der Politik angeht, und zwar die aus ihrer Sicht exorbitanten Vergütungsniveaus in Banken zu senken, keine nennenswerten Auswirkungen gezeigt haben. Stattdessen wurde eine Welle von nachhaltigen Veränderungen der Vergütungslandschaft in Banken losgetreten, deren Konsequenzen sich nicht zuletzt in unflexibleren und unter Umständen sogar höheren Vergütungs- und Personalkosten zu Lasten der Institute niederschlagen werden. Es bleibt abzuwarten, wie die Entwicklungen bis zur für 2016 anstehenden Review der CRD IV auf europäischer Ebene bewertet und welche Schlüsse daraus gezogen werden.—-Zuletzt erschienen:- Outsourcing wird zum Branchenstandard (15. Oktober)- IT-Leistungen aus der Cloud rücken in den Fokus (11. Oktober) —-Michael H. Kramarsch, Managing Partner Hostettler, Kramarsch & Partner (HKP) —-Oliver Baierl, Consultant Hostettler, Kramarsch & Partner (HKP)