Trend für nachhaltige Finanzprodukte früh erkannt

Luxemburg kommt bei der Umsetzung des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums eine zentrale Rolle zu

Trend für nachhaltige Finanzprodukte früh erkannt

Trotz beeindruckender Wachstumsraten in der letzten Zeit spielen nachhaltige Finanzprodukte bis heute insgesamt eine untergeordnete Rolle in der Finanzwelt. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig. Zwar zeigt sich die Finanzindustrie gegenüber nachhaltigen Finanzprodukten überaus aufgeschlossen, aber in der Praxis sind diese Produkte letztlich immer noch schwer zu strukturieren und zu verkaufen.Zum einen gibt es einen Mangel an erstklassigen, verlässlichen Investments in diesem Bereich, zum anderen ist auch die Nachfrage nicht immer “nachhaltig”. Insbesondere die Gefahr des “Greenwashing”, also ein Produkt fälschlicherweise als fair, ökologisch oder klimaverträglich zu bezeichnen, dessen reelle Nachhaltigkeit jedoch weit hinter dem Anschein zurückbleibt, ist ein Hemmnis für die Entwicklung dieses Sektors. Bisher sind nachhaltige Finanzprodukte im weitesten Sinne unreguliert und Bezeichnungen beliebig.Vor dem Hintergrund des Pariser Klimaschutzabkommens hat sich die EU-Kommission zum Ziel gesetzt, nachhaltige Finanzanlagen systematisch zu fördern. Am 8. März 2018 hat die Kommission, basierend auf den Empfehlungen der High-Level Expert Group on Sustainable Finance, ihren Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums veröffentlicht. Aus ihrer Sicht kommt dem Finanzsystem bei der Bekämpfung des Klimawandels und der Ressourcenverknappung eine Schlüsselrolle zu, und es soll deshalb im Rahmen der Kapitalmarktunion reformiert werden.Neben einem Strauß an Maßnahmen geht es im Kern darum, privates Kapital in nachhaltigere Investitionen umzulenken. Die wichtigste und dringlichste Maßnahme bei der Neuausrichtung der Kapitalflüsse hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft ist dabei, ein einheitliches Klassifikationssystem für nachhaltige Tätigkeit (Taxonomy) zu schaffen. Zudem sollen nachhaltige Finanzprodukte zum Schutz der Integrität des Finanzmarktes mit EU-Normen und -Kennzeichen versehen werden. Denn ohne ein einheitlich geregeltes und verlässliches Verständnis und das Vertrauen darauf, was nachhaltig ist, werden Finanzprodukte in diesem Sektor zwingend ein Nischenprodukt bleiben.Umgekehrt steht zu erwarten, dass eine auf Rechtsvorschriften basierende EU-einheitliche Taxonomy mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer enormen Nachfrage nach nachhaltigen, insbesondere aber nach Green-Finance-Produkten, führen wird. Anleger, die beispielsweise ein Green-Finance-Produkt kaufen, können sich dann darauf verlassen, dass dieses “green” und nicht “greenwashed” ist. Darüber hinaus wird sich der Strukturierungs-, Zertifizierungs- und Kostenaufwand für Emittenten ganz erheblich reduzieren.Aus einem Nischenprodukt kann dann ein Mainstreamprodukt werden. Ein Markt, der bisher vornehmlich Pensions- und Staatsfonds, Versicherungen, Banken sowie anderen institutionellen Investoren mit sehr individuellen, uneinheitlichen Produktanforderungen vorbehalten war, wird sich dem Privatanleger öffnen können. Zeitig reagiertDer Finanzplatz Luxemburg hat den Trend für nachhaltige Finanzprodukte, insbesondere Green Bonds, früh erkannt. Besonders hervorzuheben ist die Luxembourg Stock Exchange, die als Pionier in diesem Segment den ersten Green Bond der Europäischen Investitionsbank (EIB) bereits im Jahr 2007 gelistet hat. Derzeit sind über 160 Green Bonds mit einem Ausgabewert von über 80 Mrd. Euro an der Luxembourg Green Exchange (LGX) gelistet, was einem weltweiten Marktanteil bei Green Bonds von über 50 % entspricht. Die im Jahr 2016 gegründete LGX ist damit die größte Plattform, die sich ausschließlich auf nachhaltige Finanzinstrumente spezialisiert hat. Für Emittenten hat ein Listing an der LGX somit den Vorteil, gut wahrgenommen zu werden und auf eine bewährte Infrastruktur vertrauen zu können.Neben der LGX sollte in diesem Zusammenhang auch LuxFLAG, eine unabhängige gemeinnützige Organisation, erwähnt werden, die als Labelling-Agentur die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung unterstützt. LuxFLAG vergibt Qualitätssiegel an Investmentvehikel im Mikrofinanz-, Umwelt, ESG- und Klimafinanzierungsbereich, hier seien vor allem Green Bonds genannt, um Investoren Sicherheit zu geben, dass die zertifizierten Investmentvehikel auch tatsächlich in nachhaltige Anlagen investieren.Daneben gibt es zahlreiche weitere Initiativen und Partnerschaften, so zum Beispiel die Luxembourg-EIB Climate Finance Platform und die Luxembourg Sustainable Finance Platform, die nachhaltige Finanzierung unterstützen. Durch dieses Engagement konnte Luxemburg im Global Green Finance Index bei der Green-Finance-Qualität und -Marktdurchdringung den zweiten beziehungsweise sechsten Platz weltweit einnehmen. Neben dem luxemburgischen Bankenverband ABBL engagiert sich auch schon seit längerem die ALFI, der Verband der luxemburgischen Investmentfondsindustrie, im ESG-Bereich und betrachtet “Responsible Investing” als eine der drei Säulen des luxemburgischen Fondsstandorts. In greifbarer NäheNachdem also eine verlässliche Klassifizierung von Green-Finance-Produkten in greifbare Nähe rückt und die Finanzindustrie, insbesondere die des luxemburgischen Finanzplatzes, bereitsteht, um die Finanzierung nachhaltigen Wachstums zu unterstützen, sind nun die bisher in diesem Bereich noch nicht aktiven Emittenten aufgerufen, das Potenzial von Green-Finance-Produkten zu erkennen und zu erschließen. Mit Blick auf die bisherige Marktentwicklung im Green-Bond-Segment werden die Erlöse der Emissionen nach wie vor am häufigsten in erneuerbare Energien investiert, dicht gefolgt von Investitionen in energieeffiziente Gebäude mit geringen CO2-Emissionen. Aber auch Emittenten aus anderen Sektoren sollten jetzt analysieren, welche Vorteile die Ausgabe von Green-Finance-Produkten für ihr Unternehmen haben könnte.Es ist durchaus vorstellbar, dass in naher Zukunft eine erhöhte Nachfrage, eventuell auch aufgrund von regulatorischen Vorgaben und steuerlichen Anreizen, um klimaverträgliches Verhalten zu fördern, auf einen Mangel an geeigneten Green-Finance-Anlagen treffen könnte. Dies wird es den Emittenten erlauben, deutlich bessere finanzielle Konditionen für Green-Finance-Produkte durchzusetzen, bei gleichzeitig reduzierten Produktentwicklungskosten, dank EU-Taxonomy.Für diese Emittenten wäre es ratsam, die EU-Taxonomy genau zu analysieren, um entsprechende grüne Assets in ihrem Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette zu identifizieren. Durch gezielte gesellschaftsrechtliche Restrukturierung und Bündelung dieser Assets, zum Beispiel in einem Spezialemissionsvehikel, können diese grünen Assets dann wertsteigernd als Basiswerte für die Ausgabe von Green-Finance-Produkten genutzt werden. Aber auch Tracking Shares, die im luxemburgischen Recht für alle Arten von Gesellschaften anerkannt sind, können für Green-Finance-Investments hilfreich sein und das Spektrum um die bewährten Green Bonds gezielt erweitern. Der Luxemburger Investmentfonds-, Gesellschafts- und Verbriefungsrechtsrahmen bietet dafür eine breite Palette an Strukturierungsmöglichkeiten sowohl mit Blick auf institutionelle Investoren als auch im Bereich privater Anleger. Wichtiger BeitragIm Ergebnis werden somit die deutlichen und bald greifbaren Fortschritte bei der Entwicklung von europaweiten Standards und Definitionen für Green-Finance-Produkte mit Sicherheit zu einem weiteren starken Wachstum von Green Bonds und auch anderen nachhaltigen Finanzprodukten führen. Diese Expansion wird nicht nur den Markt der institutionellen Investoren weiter beleben, sondern aufgrund von Skaleneffekten auch den Markt für Privatanleger öffnen. Der Finanzplatz Luxemburg nimmt bei dieser erfreulichen Entwicklung bereits eine Vorreiter- und Führungsrolle ein und stellt bestehenden und zukünftigen Emittenten ein breites Spektrum an Strukturierungsinstrumenten zur Verfügung. Luxemburg kann dadurch bei der Umsetzung des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums eine zentrale Rolle spielen und einen wichtigen Beitrag leisten.—-Philipp Mössner, Partner bei GSK Luxembourg SA