Turbulente Zeiten im Treasury der Banken
Liquidität ist Trumpf in Coronazeiten, sowohl bei Banken als auch bei ihren Kunden. Die Turbulenzen wurden im Treasury der Banken bisher gut gemeistert, nicht zuletzt weil der Sektor stabiler in die Krise gegangen ist als 2008. Die Aufseher fragen im Moment teilweise täglich die Liquiditätsstände bei “ihren” Instituten ab, bisher mit einem beruhigenden Ergebnis. Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie Corona-Krise hat nicht nur die Koordinaten im operativen Bankgeschäft über den Haufen geworfen. Sie hat auch die Orientierungsmarken im Maschinenraum der Institute verändert. Dort, wo es darum geht, die Aktiva und Passiva einer großen Bankbilanz zu steuern, in den Treasury-Abteilungen der Institute, hat vor wenigen Wochen, mit dem Kurssturz vom 9. März, eine neue Zeitrechnung begonnen: Die Akteure im Finanzsystem, denen zuvor jahrelang die Liquidität aus den Ohren quoll, hatten es plötzlich sehr eilig, ihre Mittel zusammenzuraffen und zu -halten. Firmenkunden ziehen LinienZugleich setzte ein Ansturm vor allem von Firmenkunden auf die Institute ein. So gehen die Analysten von Berenberg davon aus, dass der Anteil von Firmenkunden beanspruchten Kreditlinien in den zurückliegenden Wochen seit Dezember weltweit von 8 % auf 47 % geklettert ist. Unterdessen haben die Notenbanken den Geldhahn beinahe bis zum Anschlag aufgedreht, um gegenzusteuern und zu verhindern, dass wie in der Finanzkrise 2008 ganze Märkte austrocknen.Entsprechend turbulent geht es derzeit in den Treasury-Abteilungen großer Banken zu. “Staatsgrenzen sind geschlossen, in den Ländern liegt die wirtschaftliche Aktivität brach – das hätte man kaum exakt modellieren können. Das gilt für alle Teilnehmer im Markt”, sagt Dixit Joshi, Group Treasurer der Deutschen Bank, der Börsen-Zeitung. Branchenweit falle es Banken derzeit grundsätzlich schwer, sich gerade über einen längeren Zeitraum Liquidität zu beschaffen, heißt es im Treasury einer anderen großen Bank. Denn alle Marktteilnehmer seien derzeit mit guten Gründen als Nachfrager am Markt aktiv. Firmenkunden und Staaten benötigten gleichermaßen Geld, währenddessen hielten Fonds ihre Liquidität zusammen, um bei Bedarf Anleger ausbezahlen zu können, die ihre Anteile zurückgeben.Im Moment sei die Lage angesichts der Ablaufprofile in den Banken dabei noch “etwa entspannter”. Auch helfe die jüngste Stabilisierung an der Börsen den Assetmanagern. Dennoch seien Banken mit guten Ratings im Markt unterwegs, die für Dreimonatsgeld Preise böten, die zehn bis 20 Basispunkte über der Benchmark lägen. “Bislang gut gemeistert””Wir haben die schwierige Lage bislang gut gemeistert”, erklärt Deutsche-Bank-Treasurer Joshi: “Wir waren in der Lage, die Bank und ihre Prozesse präzise zu steuern und zugleich zu liefern, was unsere Aufseher und Kunden wünschen.” Manch einer in Deutschlands größter Bank bezeichnet es als Glücksfall, dass das Institut nach seiner Nahtoderfahrung Ende 2016, als das US-Justizministerium 14 Mrd. Dollar an Strafzahlungen vom Haus gefordert hatte, deutlich in seine Stabilität und seine Betriebsabläufe investiert und fleißig ihre Systeme getestet habe. “Derzeit haben wir weit höhere Volumina als üblich zu verarbeiten”, sagt Joshi: “Daher achten wir besonders darauf, dass Zahlungen und Settlements pünktlich stattfinden und die Systeme effizient funktionieren. Hätte man mir vor wenigen Wochen gesagt, dass wir bald einige der heftigsten Marktbewegungen sowie den größten BIP-Rückgang seit dem Zweiten Weltkrieg erleben und zugleich viele Mitarbeiter aus dem Home-Office heraus arbeiten, hätte ich gesagt, dass dies sicher hart würde. Tatsächlich bin ich angenehm überrascht, wie gut die IT funktioniert und unsere Mitarbeiter die technischen Möglichkeiten, etwa die Kommunikation per Video, angenommen haben.” Kommunikation mit VorstandPanik herrsche beileibe nicht, doch die Kommunikation in den Vorstand, in den Aufsichtsrat und zu den Aufsehern habe deutlich zugenommen, heißt es derweil im Treasury eines anderen Instituts.Nicht nur die Deutsche Bank, der gesamte Sektor ist 2020 deutlich stabiler in die Krise gegangen als 2008. Die Reformen infolge der Finanzkrise, aber auch schon zuvor in Angriff genommene Liquiditätsvorgaben haben die “Survival Period” der Banken deutlich erhöht, wie ein Beobachter erläutert. In der Finanzkrise hätten sich manche Institute schon nach ein bis zwei Wochen Marktverspannung allmorgendlich ihre Liquidität für anbrechenden Tag zusammensuchen und abends womöglich die Segel streichen müssen. Derzeit schiebt allein die Deutsche Bank 220 Mrd. Euro an Liquidität vor sich her. Banken haben derzeit doppelt so viel Kernkapital auf der Naht als vor der Finanzkrise, und Vorgaben wie etwa zum vermehrten Clearing außerbörslicher Derivategeschäfte über zentrale Gegenparteien haben überdies die Transparenz des Systems erhöht.Gleichwohl haben die Risikoaufschläge für Kreditausfallderivate auf die Deutsche Bank zuletzt deutlich angezogen. Seit Mitte März legten sie im Falle fünfjähriger Kredite von 114 auf 133 Basispunkte zu, während etwa jene von J.P. Morgan von 109 auf 66 gefallen sind. In Zeiten wie diesen spiegeln solche Bewegungen freilich nicht allein die Einschätzung des Marktes zu einer einzelnen Bank, sondern auch die fiskalischen, aufsichtlichen und geldpolitischen Stützungsmaßnahmen wider. Dies- und jenseits des Atlantiks haben die Notenbanken in den vergangenen Wochen Liquidität in den Markt gegeben, während zugleich die Vorgaben für die Vergabe von Krediten und deren Bilanzierung gelockert wurden und Staaten Stützungsprogramme in historischer Dimension auflegten. Aufseher fragen Liquidität abGleichwohl will man auch in der Bankenaufsicht nicht darauf wetten, dass die bisherigen Maßnahmen ausreichen werden. Das hänge vom Verlauf der Krise ab, heißt es dort. Derzeit fragen die Aufseher zum Teil täglich bei den ihnen unterstellten Instituten ab, wie es um deren Liquidität bestellt ist, heißt es bei einem hochrangigen Vertreter der europäischen Bankenaufsicht. Ergebnis: Nach wie vor sei die Ausstattung mit flüssigen Mitteln komfortabel, Liquidität kein limitierender Faktor.Die Lage aber bleibt fragil, ein Überblick schwierig. So hat sich mit Eskalation der Coronakrise die Zinskurve unversehens versteilt, was auf Sicht manche auf Kante genähte Finanzierung gefährden dürfte, zunächst aber erst einmal die Erträge von Banken aus der Fristentransformation päppelt. Emissionen stehen im FokusWenn die Treasurer morgens in ihren Teams zusammentreten, um sich in Sachen Margin-Calls und Sicherheitentransfers auf den neuesten Stand zu bringen, gilt ihre Aufmerksamkeit derzeit unter anderem dem Neuemissionsgeschäft. Dort lasse sich ablesen, wie und wo sich die Krise auswirke, meint ein Akteur. So zeigten die Förderbanken hohen Finanzierungsbedarf und zahlten bei Emissionen Spreads, die um zehn oder 20 Basispunkte über jenen vom Februar lägen. Im Fokus des Marktes steht überdies die Differenz zwischen dem Interbanken-Angebotszins Libor, welcher den Satz anzeigt, zu dem sich Banken untereinander Geld, inklusive Kreditrisiko, leihen, sowie dem Overnight-Index-Swap-Satz (OIS), welcher dieselben Sätze ohne Kreditrisiko anzeigt – seit der Finanzkrise 2008 gilt der Spread zwischen beiden Sätzen als Barometer für den Stress sowie für das Kreditrisiko im System.”Der erhöhte Libor-OIS-Spread ist etwas, was wir derzeit genau verfolgen”, erklärt Deutsche-Bank-Treasurer Joshi. “Doch auch der Commercial-Paper-Markt und die US-Geldmarktfonds stehen im Fokus. Natürlich bleiben auch die Kreditrisiken ein Thema. Die Ausfälle werden zunehmen, aber Regierungen und die Zentralbanken wollen verhindern, dass Unternehmen auf breiter Front in Schwierigkeiten geraten.” Er prognostiziert: “Wahrscheinlich werden wir von Regierungen und Regulatoren weitere Initiativen sehen.”