Kriegsflüchtlinge

Ukrainer eröffnen Zehntausende Konten in Deutschland

Viele der hierzulande mehr als 200.000 Flüchtlinge aus der Ukraine fragen die deutsche Kreditwirtschaft in diesen Tagen nach einem Konto. Je nach Institut und Region fällt die Nachfrage jedoch unterschiedlich aus.

Ukrainer eröffnen Zehntausende Konten in Deutschland

jsc Frankfurt

Die deutschen Banken und Sparkassen verzeichnen wenige Wochen nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine eine Welle an neuen Konten für Flüchtlinge. „Aktuell eröffnen wir täglich mehrere Hundert Konten“, berichtet etwa die Berliner Sparkasse, die bereits zur Wochenmitte mehr als 1000 Kunden aus dem Kreis der Flüchtlinge gewonnen hatte. Die Frankfurter Sparkasse meldete am Freitag 700 Konten, die Hamburger Sparkasse (Haspa) zählt für Stichtag Donnerstag bereits 300 Einheiten. Der Sparkassenverband DSGV weist mit Stand Dienstag 26518 neue Konten für Ukrainer aus. Fast alle davon seien binnen einer Woche bis zum Stichtag eröffnet worden, erklärte ein Sprecher. Der kreditgenossenschaftliche Verband BVR erfasst die Zahl nicht zentral, berichtet aber ebenfalls von Anfragen in der Gruppe.

Allerdings fällt die Nachfrage je nach Region und Bank verschieden aus. Ein Schwerpunkt liege in Berlin, schreibt die Postbank, auch die Commerzbank sieht regionale Unterschiede. Der DSGV wiederum sieht im Süden der Bundesrepublik viel Bewegung. Manche Institute verzeichnen derweil kaum Nachfrage. Die Frankfurter Volksbank berichtet von wenigen Anfragen. Die PSD Banken, die kein großes Filialnetz unterhalten, haben bisher keine Kontoeröffnungen registriert, wie der Verband am Donnerstag erklärte. Seit Kriegsbeginn am 24. Februar kamen laut „Mediendienst Integration“ 246000 Menschen aus der Ukraine in Deutschland an.

Die Finanzaufsicht BaFin signalisierte der Kreditwirtschaft bereits ihre Unterstützung: Um ein Basiskonto zu eröffnen, auf das jeder Mensch ohne bisherigen Kontozugang in der Regel einen Anspruch hat, reicht demnach der ukrainische Personalausweis zur Identifizierung aus, wie die BaFin vor zwei Wochen mitteilte. Ukrainer eröffnen aber nicht nur Basiskonten, sondern greifen auch auf reguläre Kontoangebote zurück. Einige Institute, etwa die Commerzbank und die Frankfurter Sparkasse, stellen ein Kontomodell für Ukraine-Flüchtlinge für ein Jahr kostenlos zur Verfügung. Die Haspa setzt auf das Basiskonto und bietet es sechs Monate kostenlos an. Angebote, die speziell für Flüchtlinge für die ersten sechs oder zwölf Monate gebührenfrei sind, seien verbreitet, berichtet der DSGV.

Einige Institute verweisen auf die Jahre 2015 und 2016, als zahlreiche Menschen aus Syrien und aus anderen Ländern wie Albanien, Afghanistan und Irak als Asylbewerber nach Deutschland kamen. Mehr als 40000 Konten hatte die Berliner Sparkasse nach eigenen Angaben damals eröffnet. Die Haspa nimmt für sich in Anspruch, lange Zeit das einzige Geldhaus gewesen zu sein, das Tausenden Flüchtlingen ein Konto bereitstellte. Heute sehen sich die Banken und Sparkassen am Anfang. Die Haspa erwartet einen „deutlichen Anstieg in der nächsten Zeit“, die Frankfurter Sparkasse sieht Bewegung innerhalb von Tagen und Wochen, auch die Berliner Volksbank rechnet mit mehr Anfragen.

Wertloses Bargeld

Während die Zahl der Konten für Flüchtlinge steigt, bleibt ein Problem ungelöst: Ukrainisches Bargeld, also die Hrywnja, ist in der EU faktisch wertlos, weil ein Tausch kaum möglich ist. So nimmt etwa die Reisebank nach eigenen Angaben ähnlich wie andere Institute kein ukrainisches Geld zum Wechseln an. Während liquide Währungen üblicherweise in beide Richtungen getauscht werden, will derzeit fast niemand Euro gegen Hrywnja wechseln – auf diese Weise entsteht für das Bargeld kein Markt.

Am Dienstag erklärte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, dass die mangelnde Tauschbarkeit das Vertrauen der ukrainischen Bürgerinnen und Bürger in Bargeld beschädige. Vor ihrer Flucht konnten sie sich nicht mit Euro-Scheinen eindecken, denn die ukrainische Zentralbank untersagt Banken seit Kriegsbeginn die Ausgabe in fremder Währung.