Ukrainer müssen weiter auf Bargeld-Umtausch warten
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Bargeld sei gedruckte Freiheit, sagt man. Auf zahllose aus der Ukraine in die Europäische Union geflüchtete Menschen muss diese Weisheit in den vergangenen Wochen wie Hohn gewirkt haben: An welches Kreditinstitut sie sich auch wandten – der Umtausch ukrainischer Hrywnja in Euro blieb ihnen verwehrt.
Es gibt Bewegung
Geschlagene fünf Wochen nach Kriegsbeginn nun ist Bewegung in die Sache gekommen. Die Hrywnja soll konvertierbarer werden. Der am Freitag von der EU-Kommission präsentierte Vorschlag allerdings nährt große Zweifel, ob das supranationale Organ, das auf seiner Website für die globale Spendenkampagne „Stand up for Ukraine“ wirbt, in seinem ureigensten Zuständigkeitsbereich etwas beitragen kann, um den Flüchtlingen zu helfen.
Das siebenseitige Papier belässt es bei einer Empfehlung an die Mitgliedstaaten, nationale Systeme für den Umtausch von umgerechnet bis zu rund 300 Euro pro Person in die jeweils nationale Währung zum offiziellen Wechselkurs der ukrainischen Zentralbank einzurichten. Mit den an diesen Programmen teilnehmenden Banken sollen die Regierungen übereinkommen, wie sie dabei die Identität jedes Geflüchteten feststellen, und mit der ukrainischen Zentralbank sollen sie sich zudem einig werden, wie sie Hrywnja-Banknoten in Zukunft zurücktauschen können.
Dies bleibt meilenweit hinter einer Lösung zurück, welche sich die Kreditwirtschaft erhofft hatte. Dem Vernehmen nach hatte vor allem die European Banking Federation, die Lobbyorganisation des privaten Bankgewerbes, in den vergangenen Wochen in Brüssel Druck gemacht. Die Argumentation: Es braucht eine politische Lösung, die EU-weit gilt. Einzelne Häuser könnten sich beim Umtausch nicht vorwagen, da sie ansonsten die Nachfrage nicht decken könnten. Wie zu hören ist, waren etwa vorübergehend im Vorstand einer Bank dennoch Dreiecksgeschäfte mithilfe des polnischen Zloty erwogen worden. Auch dort aber stand man bald vor der Frage: Wie konvertiert eine Bank eine Sorte, die nicht mehr konvertierbar ist? Welchen Wechselkurs wählt man für eine Währung, die ihre Akzeptanz verloren hat? Ist er zu hoch, setzt sich ein Institut dem Vorwurf von Wucherpreisen aus, gibt es Euro zu günstig her, kann dies bald Fragen nach der Qualität der Geschäftsorganisation nach sich ziehen. Mit Blick auf die nun präsentierte Obergrenze von gut 300 Euro, schon in den vergangenen Tagen kolportiert, und den Verkehrswert ukrainischen Bargelds wurde in der Branche denn auch die Assoziation mit dem Begrüßungsgeld bemüht, mit dem die Bundesrepublik nach dem Fall der Mauer Ostdeutsche empfing – ein Geschenk ohne Gegenleistung.
So schlau als wie zuvor
Nach der Empfehlung der Kommission nun ist man in der Branche im Wesentlichen so schlau als wie zuvor, sofern man die Vorstellung, die ukrainische Zentralbank werde ihre Devisenreserven einsetzen, um sie gegen Hrywnja zu tauschen, als naiv betrachtet. Auch vor dem Hintergrund, dass die Kommission mit ihrem Vorschlag sämtlichen Umsetzungsaufwand den Mitgliedstaaten überlassen will, darf man gespannt sein, wie deren Echo ausfällt, wenn sich am Dienstag kommender Woche die Wirtschafts- bzw. Finanzminister im Ecofin damit befassen.
Die große Lösung, die in den vergangenen Tagen die Runde gemacht hatte, sah anders aus. Demnach wäre der Umtausch über die Europäische Zentralbank (EZB), über welche die Kommission in ihrem Vorschlag im Übrigen kein Wort verliert, gelaufen. Eine Garantie, wonach das EU-Budget die entsprechenden Verluste abfedert, hätte in diesem Szenario verhindern sollen, dass sich die EZB einmal mehr als ohnehin schon dem Vorwurf der monetären Staatsfinanzierung, diesmal gar außerhalb des Eurosystems, aussetzt. Eine EU-weit einheitlich umzusetzende Lösung hätte es zudem ermöglicht, die Kosten in der Union zu verteilen, zwischen Staaten, deren Banken den Löwenanteil der Konvertierung bewältigen, und Staaten in der westlichen Peripherie, deren Institute weniger stark frequentiert würden.
Abzusehen ist nach dem Vorschlag der Kommission, dass die Debatte um den Bargeldumtausch weitergehen wird. Bis sie endet, werden aus der Ukraine Geflüchtete weiter warten müssen.