Unter Beschuss
Cyberattacken wie zuletzt auf DKB und Finanz Informatik verdeutlichen ein ums andere Mal, wie einfach es ist, Banken und ihre IT-Dienstleister in die Knie zu zwingen. Treffen kann es jedes Institut und über Dominoeffekte das gesamte Finanzsystem. Jeder Laie kann im Darknet nicht nur Exploit Kits für 100 Euro erwerben – Virenschleudern, Spähprogramme und dergleichen mehr -, sondern mit Aufpreis den Service gleich mit dazu. Cyberoffensiven für Dummies quasi. Wenn ein Einzeltäter Daten von über 100 Millionen Kunden klauen kann, wie im Fall des US-Finanzdienstleisters Capital One, und theoretisch jeder Hinz und Kunz befähigt wird, eine Bank lahmzulegen – was, wenn die geballte Expertise von Hackern im Staatsauftrag und die Cyber-Feuerkraft ganzer Staaten ins Spiel kommt? Nicht umsonst warnt der IWF, dass ein einzelner Hackerangriff nationale wie das globale Finanzwesen ins Wanken bringen kann.Das Risiko erschöpft sich nicht darin. So ziemlich alles lässt sich in subversiven Attacken als Waffe einsetzen, um Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme unter Beschuss zu nehmen: Daten, Schwarzgeld, Öl- und Gaslieferungen, Diplomatie, Fakes in klassischen und sozialen Medien, Staatskredite, Devisenkurse, das Nervengift Nowitschok, Gruppen und Parteien an den politischen Rändern, Kompromat über einen bestechlichen CEO oder korrupten Politiker. Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen.Die EU etwa lässt keinen Zweifel daran, dass sie den Kreml hinter unzähligen Maßnahmen sieht, um Demokratien mit solchen hybriden Methoden, einem Mischmasch an Mitteln staatlicher wie nichtstaatlicher Angreifer, zu unterminieren. Was Donald Trump mit seinen Tweets und verbalen Auswürfen bezweckt – Fake News streuen, Zwietracht säen -, betreibt der Kreml schon länger. Der steckt nicht gleich hinter jeder Attacke, zumal Hacken, Täuschen und Desinformieren Sache der meisten Geheimdienste der Welt ist und auch westliche Staaten keine Waisenknaben sind. Der Kreml ist meist auch nicht Ursache von Missständen im Westen. Er nutzt sie jedoch weidlich aus. Einen wie Trump hat er nicht erschaffen, ihm aber durch Eingriffe in den Wahlkampf, dem Hacken und Veröffentlichen von Mails des politischen Gegners, unter Umständen die entscheidende Wahlkampfhilfe verschafft. Die Geschichte könnte sich wiederholen: Hackern des russischen Militärgeheimdienstes GRU soll es gelungen sein, in die IT-Systeme des ukrainischen Erdgaskonzerns Burisma einzudringen, in dessen Diensten Joe Bidens Sohn stand. Das Ziel: potenziell belastendes Material gegen den demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten zu beschaffen oder es zu manipulieren.Nach Lesart von Wladimir Putins Mastermind Wladislaw Surkow ist das nur Vorgeplänkel. “Ausländische Politiker reden über Russlands Einmischung in Wahlen und Referenden in aller Welt. Tatsächlich ist die Angelegenheit viel ernster”, schrieb der auch als graue Eminenz des Kremls bezeichnete Surkow jüngst in der “Nesawissimaja Gaseta”. “Russland greift in eure Gehirne ein, wir verändern euer Bewusstsein, und es gibt nichts, was ihr dagegen tun könnt.” Das mag man als Hirngespinst oder Prahlerei eines Mittfünfzigers abtun, der im selben Artikel den Export des “Putinismus” zur Beglückung der Welt empfiehlt. Die bisherige Leistungsbilanz nachgewiesener russischer Eingriffe deutet aber auf etwas anderes hin. So streut ein Heer von Medienschaffenden (RT, Sputnik), von Bots und Trollen einen Mix aus Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen. Aufgabe der Roboter in sozialen Netzwerken und Propagandisten aus Fleisch und Blut im Auftrag Moskaus: Zweifel säen, Verunsicherung schüren, Meinungen beeinflussen, bis keiner mehr durchblickt. Statt nach objektiver Wahrheit zu trachten, wird eine Vielzahl paralleler “Wahrheiten” erschaffen, welche die Urteilskraft trüben und Entscheidungen erschweren bis unmöglich machen.Gerade mit den sozialen Medien bieten sich ungeahnte Einflussmöglichkeiten, lässt sich doch ein Millionenpublikum in Echtzeit erreichen. Wird das Arsenal um Datenmanipulation und Deep Fakes erweitert, täuschend echt wirkenden Video- und Tonaufnahmen, ist die Verwirrung perfekt. Ist hier Augen und Ohren nicht mehr zu trauen, wird alles angezweifelt. Passt jemandem etwas nicht, schreit er halt “Fake News” – bewährtes Rezept des Mannes im Weißen Haus. Solch maliziöse Einflüsse kann keine Firma und keine Aufsicht, keine Regierung und kein Militär der Welt auf Dauer allein abwehren. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wenn nichts mehr sicher zu sein scheint, erodiert Vertrauen. Ohne ein Mindestmaß an Vertrauen kann keine Gesellschaft bestehen.——Von Tobias FischerWas Donald Trump mit seinen Tweets und verbalen Auswürfen bezweckt – Fake News streuen, Zwietracht säen -, betreibt der Kreml schon länger.——