Unter den Fittichen der EZB

Von Bernd Wittkowski, Frankfurt Börsen-Zeitung, 29.12.2018 So schnell wird man die Bankenaufsicht der EZB nicht los. Da hilft zunächst mal keine Klage, da nützt auch keine politische Entscheidung. Als die EZB am 14. Dezember die Liste der von ihr...

Unter den Fittichen der EZB

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtSo schnell wird man die Bankenaufsicht der EZB nicht los. Da hilft zunächst mal keine Klage, da nützt auch keine politische Entscheidung. Als die EZB am 14. Dezember die Liste der von ihr im neuen Jahr direkt beaufsichtigten Banken veröffentlichte, fanden sich unter den insgesamt 119 bedeutenden Instituten auf deutscher Seite auch die baden-württembergische L-Bank (Landeskreditbank), die Landwirtschaftliche Rentenbank und die NRW.Bank.Wie konnte das passieren? Hatten sich die europäischen Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin) nicht zehn Tage zuvor mit dem “Bankenpaket”, darunter die maßgeblichen Kapital- und Aufsichtsregeln CRD V und CRR II, darauf geeinigt, die selbständigen deutschen Förderbanken von der EU-Bankenregulierung auszunehmen und damit auch von der EZB-Aufsicht und vom europäischen Abwicklungsregime zu befreien?Schon wahr. Aber die politische Einigung ist das eine, die Umsetzung in europäisches und nationales Recht ist das andere. Und die Regelwerke müssen eben noch in den technischen Details finalisiert und dann von den europäischen Institutionen endgültig abgesegnet werden. Dem konnte oder wollte die EZB nicht vorgreifen: Sie behält das deutsche Trio vorerst unter ihren Fittichen. Von Januar bis erstes HalbjahrWann sich die politische Entscheidung nun im Aufsichtsalltag der Betroffenen auswirken wird, darüber gehen die Meinungen auseinander. Manche hatten auf eine Verabschiedung des Gesamtpakets noch 2018 gehofft. Jetzt reicht die Spanne der Erwartungen von “Umsetzung im Januar” bis zu “im Laufe des ersten Halbjahrs”. Doch je später es wird, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Wechsel der Aufsichtszuständigkeit sogar mindestens weit ins zweite Semester 2019 verlagert, muss doch eine sorgfältige Übergabe an die künftig wieder verantwortlichen deutschen Stellen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und Bundesbank stattfinden. Auch sie sind verständlicherweise stark daran interessiert zu erfahren, wann sie denn NRW.Bank, Rentenbank und L-Bank – wie die bereits bisher national überwachte KfW – wieder in ihre Obhut nehmen dürfen, und haben sich schon mal nach möglichen Terminen erkundigt. Die Liste der EZB, die sonst nur einmal jährlich aktualisiert wird, sollte jedenfalls einem früheren Übergang nicht im Wege stehen. Vierte Ebene: der EuGHDie Sache ist aber noch komplizierter. Denn neben erstens der EZB-Ebene, zweitens der politischen und drittens der legislativ-formalen Ebene gibt es viertens noch die Ebene der Justiz. Und hier agiert der Europäische Gerichtshof (EuGH) so unabhängig wie ungerührt, indem er ein Verfahren fortsetzt, das durch die politische Entwicklung längst überholt ist. Die L-Bank hat bekanntlich gegen die direkte Beaufsichtigung durch die EZB geklagt, erstinstanzlich beim Europäischen Gericht verloren und dann im Juli 2017 beim EuGH Rechtsmittel eingelegt.Der Vorstandsvorsitzende des Landesförderinstituts, Axel Nawrath, selber promovierter Volljurist, gab ein Jahr später aufgrund der sich schon damals abzeichnenden politischen Einigung über Regulierungsausnahmen für Förderinstitute im Interview der Börsen-Zeitung der Hoffnung Ausdruck, dass der EuGH “die politische Entwicklung verfolgt und daraus seine Schlüsse zieht”. Er verwies auf das im deutschen Recht bestehende Instrument der “Erledigung der Hauptsache” (vgl. BZ vom 28. Juli). Doch das Gericht tat, als kenne es die politischen Beschlüsse nicht – es hätte ja sonst die Finalisierung abwarten können -, und ließ zum Befremden deutscher Politiker das Verfahren einfach laufen. Generalanwalt Gerard Hogan plädierte letztlich dafür, den Einspruch der L-Bank zurückzuweisen. Die obersten EU-Richter schließen sich sehr oft der Meinung des Generalanwalts an (vgl. BZ vom 6. Dezember). Das Urteil steht indes noch aus.Europas Mühlen mahlen halt langsam. Irgendwann aber, man soll die Hoffnung nicht aufgeben, werden die politische Einigung, deren formale Umsetzung, die EuGH-Rechtsprechung und die Aufsichtspraxis der EZB miteinander kompatibel sein. Und die L-Bank darf sich, selbst wenn sie vor Gericht unterliegt, zugutehalten, mit ihrer wohlfundierten Klage die politische Entwicklung entscheidend vorangetrieben zu haben.—–Wann kommen die großen regionalen Förderbanken wieder unter nationale Aufsicht?—–