"Unter Investoren gibt es eine Sehnsucht nach Deutschland“
Im Interview: Stefan Wintels
"Sehnsucht nach Deutschland“ bei Investoren
Der KfW-Chef über die Bereitschaft internationaler institutioneller Investoren, stärker in Europa zu investieren sowie über die Rahmenbedingungen, um privates Kapital zu mobilisieren – und warum ihm mit Blick auf das Triple-A-Rating der Bank nicht bange ist.
Herr Wintels, eine der 2024 am häufigsten gestellten Fragen war: Wie kann es gelingen, mehr privates Kapital für Investitionen zu mobilisieren?
Es besteht Einvernehmen darüber, dass staatliche Mittel nicht reichen werden, um die enorme Investitionslücke in Deutschland und Europa in zentralen Handlungsfeldern wie z.B. Energienetzen, Verkehrsnetzen, Sicherheit und digitaler Infrastruktur zu schließen. Daher gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen und Investitionsanreize zu setzen, um eine neue Investitionsdynamik zu entfalten.
Wie enorm ist diese Investitionslücke denn?
Es gibt Schätzungen, dass diese Lücke – über alle Handlungsfelder hinweg bis 2030 – allein für Deutschland in der Größenordnung von etwa 1.000 Mrd. Euro liegt. Studien gehen davon aus, dass 10 bis 15% davon durch staatliche Mittel gedeckt werden können. Für den Rest muss privates Kapital mobilisiert werden.
Wie kann die KfW dazu beitragen, dass diese Mobilisierung gelingt?
Eine Möglichkeit sind Eigenkapitalbeteiligungen, eine andere ist, Fonds mit Mitteln als Ankerinvestor auszustatten und natürlich Fremdkapital, das wir zinsverbilligt zur Verfügung stellen.
Woran orientieren Sie sich dabei?
Es kommt darauf an, dass wir als KfW viel stärker in den Dialog mit Investoren treten, um genau zu verstehen, welches Risiko-Rendite-Profil in welcher Asset-Klasse gefordert ist und erwartet wird. Die im vergangenen September auf den Plan getretene Initiative „Wachstums- und Innovationskapital für Deutschland“, kurz WIN-Initiative, steht stellvertretend für einen derartigen strukturierten Dialog.
Inwiefern?
Die WIN-Initiative ist ein breiter Schulterschluss aller Stakeholder, inklusive Politik und Aufsicht. Gemeinsam haben wir überlegt, welche steuerlichen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen brauchen wir, und wie kann es uns gelingen, Produkte zu entwickeln, die von Privatkunden und institutionellen Kunden nachgefragt werden.
In der WIN-Initiative haben die teilnehmenden Unternehmen bisher rund 12 Mrd. Euro zugesagt, die bis 2030 in junge innovative Unternehmen mit einem Fokus auf Deutschland und Europa investiert werden.
Was ist daran neu?
In den letzten Jahren wurde dieser Dialog zwischen institutionellen Investoren und der Politik nicht in diesem Maße geführt, vielleicht auch weil man ihn nicht führen musste. Es ist also ein Paradigmenwechsel, den wir als KfW begleiten möchten, so wie wir auch in den letzten 76 Jahren nachhaltigen Wandel mitgestaltet haben. In der WIN-Initiative haben die teilnehmenden Unternehmen bisher rund 12 Mrd. Euro zugesagt, die bis 2030 in junge innovative Unternehmen mit einem Fokus auf Deutschland und Europa investiert werden. Diese Investitionen erfolgen individuell durch die einzelnen Akteure.
Sie haben angedeutet, dass Eigenkapitalbeteiligungen eine Rolle spielen?
Ja, und ich rechne damit, dass die Bedeutung von Eigenkapital – öffentliches oder privates – sogar zunehmen wird, weil es die größte Hebelwirkung entfaltet. So sind beispielsweise etwa zwei Drittel des 2023 aufgelegten 1 Mrd. Euro schweren „Wachstumsfonds Deutschland“ der KfW Capital privates Kapital.
Im Bereich der Infrastrukturen ist die KfW ja bereits mit Beteiligungen engagiert?
Das ist richtig, im Rahmen von Zuweisungsgeschäften des Bundes engagieren wir uns zum Beispiel bei 50 Hertz und Transnet BW.
Wollen Sie da in Zukunft noch mehr tun?
Ja, als KfW wollen wir diesen finanziellen Muskel weiter stärken, um den Bund bestmöglich dann zu unterstützen, wenn wir gefordert sind.
Wo liegt denn aktuell das private Kapital, das mobilisiert werden soll?
Ich denke da zum Beispiel an die Anlagegelder von Versicherungen. Oder auch an die 3,2 Bill. Euro Spareinlagen in Deutschland. Die entscheidende Frage ist, wie diese Einlagen in andere Assetklassen mit einem attraktiveren Rendite-Risiko-Profil überführt werden können.
Warum ist das Geld in Deutschland so defensiv angelegt?
Das hat viele Gründe. Erstens kulturelle: Wir müssen in die ökonomische Bildung investieren, um die Aktienkultur zu stärken. Zweitens aufsichtsrechtliche: Solvency II begrenzt die Spielräume von Versicherern, in Aktien oder gar in alternative Anlagen zu investieren. Drittens regulatorische: Für Banken ist es z.B. deutlich unattraktiver geworden, in Langfristfinanzierung zu gehen.
Wir stehen erst am Beginn eines Jahrzehnts bis 2035, wo eine strategische Asset Reallocation in Deutschland vom Sparer hin zum Investor stattfinden könnte.
Was wäre nötig?
Um das Sparvermögen zu mobilisieren, auch im Interesse des einzelnen privaten Investors, brauchen wir ein Bündel von Maßnahmen. Wir stehen erst am Beginn eines Jahrzehnts bis 2035, wo eine strategische Asset Reallocation in Deutschland vom Sparer hin zum Investor stattfinden könnte.
Inwieweit kann der Gesetzgeber dazu beitragen?
Ich glaube, es bestehen regulatorische Spielräume, um mehr Möglichkeiten zu schaffen, sowohl für Privatanleger als auch für institutionelle Investoren wie Versicherungen als auch für Pensionsfonds oder Banken. Letztendlich entscheiden natürlich die Investoren, ob und wie sie neue Möglichkeiten nutzen. In den vergangenen Jahren standen aus vielen guten Gründen der Verbraucherschutz sowie die Finanzstabilität im Vordergrund. Wir sollten diese Ziele um zwei erweitern: Verantwortung des Einzelnen sowie Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Finanzsystems.
Was ist Ihr Eindruck aus den Gesprächen: Wie beurteilen Investoren den Standort Deutschland?
Unter Investoren gibt es eine „Sehnsucht nach Deutschland“. Internationale institutionelle Investoren sagen häufig, dass sie im Grunde in den USA überinvestiert sind und sich gerne stärker in Europa und vor allem in Deutschland engagieren würden.
Warum machen sie es nicht?
Die Investitionsmöglichkeiten in Deutschland sind aus Sicht vieler Investoren relativ begrenzt im Verhältnis zu anderen Ländern. Das liegt unter anderem daran, dass die Infrastruktur bisher weitgehend vom Staat finanziert wurde. Straßen, Autobahnen, Bahnen und auch weitestgehend die Stromnetze.
Wie könnte sich das ändern?
Sie brauchen andere Eigentümerstrukturen und andere Instrumente – daran wird ja gearbeitet.
Worüber wird denn in diesem Dialog konkret gesprochen?
Beispielsweise über Renditeerwartungen. Die liegen, das hat unsere Investorenkonferenz zur Finanzierung der Energiewende in Frankfurt dieses Jahr bestätigt, nicht zwischen 5% und 6%, sondern eher im Bereich 7% bis 9%.
Sollten also Netzinfrastrukturen wie 50 Hertz oder Tennet stärker in privater Hand sein – oder staatlich?
Ich werbe weder für das eine noch für das andere Modell. Die KfW steht zur Verfügung, um treuhänderisch für den Bund dann tätig zu werden, wenn wir gebraucht werden. Angesichts der Größenordnung gilt allerdings auch für die Übertragungsnetze: Man wird einen Mix aus staatlichem und privatem Kapital benötigen.
Deutschland hat ja gerade im Fall der Commerzbank eine Privatisierung von Anteilen erlebt, die Turbulenzen ausgelöst hat. Hat das Weiterungen für andere Privatisierungsverfahren?
Ich bitte um Verständnis, dass ich mich nicht zu der Aktienplatzierung der Finanzagentur äußern will. Aber es gab ja in diesem Jahr auch andere Privatisierungen. Die KfW hat z.B. Anteile an DHL als auch an der Deutschen Telekom platziert.
Grundsätzlich ist sicherlich wichtig, dass unter allen Beteiligten über das Ziel einer Privatisierung oder Teilprivatisierung Konsens besteht und diese Ziele dann mit den Bankenpartnern erreicht werden.
Genereller gefragt: Was ist entscheidend für das Gelingen eines Privatisierungsverfahrens?
Grundsätzlich ist sicherlich wichtig, dass unter allen Beteiligten über das Ziel einer Privatisierung oder Teilprivatisierung Konsens besteht und diese Ziele dann mit den Bankenpartnern erreicht werden. Die zentrale Frage ist: Was ist die strategische Zielsetzung des Bundes als Eigentümer? Denn daraus leiten sich dann die weiteren Schritte ab.
Wir möchten Sie, was den Einstieg in eine Beteiligung angeht, ebenfalls auf ein konkretes Beispiel ansprechen: Northvolt ist für die Investoren ein Desaster. Was ist da die Rolle der KfW gewesen?
Auch hier will ich mich nicht zum konkreten Fall äußern, sondern nur grundsätzlich. Die KfW agiert im Rahmen der im KWG-Gesetz vorgesehenen Möglichkeit eines Zuweisungsgeschäfts als Treuhänder des Bundes. Dort liegen auch die Chancen und Risiken dieser Art von Geschäften.
Aber Sie begleiten doch das Geschäft?
Im Rahmen jedes Zuweisungsgeschäftes führt der Bund eine eigenständige, unabhängige Prüfung mit einem Mandatar durch. Und ja, wir begleiten als Treuhänder dieses Geschäft auch mit den banküblichen Sorgfaltspflichten und beraten. Aber letztlich ist es eine Entscheidung des Bundes, ein solches Geschäft an uns heranzutragen.
Ihre Engagements haben Folgen für Ihr Rating. Ist Ihnen aktuell bange um Ihr Rating?
Nein, ich kann sehr gut schlafen. Unser Triple-A-Rating ist stabil. Wir werden auch in diesem Jahr starke Ertragszahlen und eine sehr gute Kapitalquote haben. Wir haben auch künftig die Möglichkeit, große Beträge am Markt aufzunehmen.
Sie haben den Anspruch, Transformation zu finanzieren, was mitunter nicht risikofrei ist. Wie verträgt sich das damit, dass Ihr Top-Rating Ihr wichtigstes Kapital ist?
In unserem Inlandsgeschäft basiert unsere Förderung in der Regel auf Haushaltsmitteln. Insofern sind wir dort Partner des Bundes, wie etwa bei der Umsetzung des Heizungsgesetzes. Dieses Geschäft ist für uns nicht unmittelbar mit Risiken behaftet, sondern dort sind wir Dienstleister. Dort, wo wir Risiken nehmen, sind diese zudem oft durch Bundesgarantien abgesichert. Auch im Rahmen der Zuweisungsgeschäfte liegen Risiken und Chancen beim Bund.
Wie sieht es im internationalen Geschäft aus?
Im internationalen Geschäft, bei der KfW IPEX, sind wir als kommerzielle Bank unterwegs. Dort gehen wir selbst ins Risiko und sind einer der größten Projekt- und Exportfinanzierer Europas, um insbesondere auch die deutsche Wirtschaft zu begleiten, bei vielen Transformationsprojekten in der Welt.
Worin sehen Sie die Chancen ihrer Risikoabsicherung durch den Bund?
Wir können aufgrund der Mittel und Garantien, die uns der Bund zur Verfügung stellt, Risiken eingehen und Transformationschancen ergreifen, die kommerzielle Banken nicht in dem Maße eingehen können. Wir wollen diesen nachhaltigen und digitalen Wandel ja auch aktiv begleiten, Impulse und Investitionsanreize setzen. Im Rahmen unserer eigenen Transformationsagenda „KfW Plus“ wollen wir verstärkt privates Kapital mobilisieren, Wirkung maximieren und strategische Partnerschaften eingehen. Das sind drei ganz wesentliche Hebel, die wir auch in den nächsten Jahren brauchen.
Sie sagen, wenn sie bestimmte Grundlagentechnologien fördern, ist das oft durch den Bund abgesichert. Gibt es auch Programme, wo Sie selbst Dinge initiieren wollen und dafür ins Risiko gehen?
Im inländischen Fördergeschäft von Privat- und Unternehmenskunden gehen wir keine direkten Kundenbeziehungen ein, sondern agieren über unsere Finanzierungspartner, in aller Regel die Hausbanken. Unser größtes Risiko ist so gesehen unser Exposure zum deutschen Finanzsektor. Die enge Partnerschaft mit den Banken ist zugleich ein enormer Vorteil, denn sie macht uns so robust und schnell in der Umsetzung, wie sich auch in der Coronakrise gezeigt hat.
Können Sie ein Beispiel nennen, wie Sie konkret privates Kapital mobilisieren?
Ein wichtiges Standbein ist unsere Tochtergesellschaft KfW Capital, wo wir über den Zukunftsfonds von 10 Mrd. Euro sicherlich dreimal mehr hebeln werden, auf 30 Mrd. Euro dann also.
Also ist der Fonds gut angelaufen aus Ihrer Sicht?
Es ist aus meiner Sicht sehr gut angelaufen. Ein wichtiges Instrument darin ist der Wachstumsfonds, der von KfW Capital verwaltet wird. Er zählt zu den größten VC-Dachfonds, die in Europa jemals aufgelegt wurden, und speist sich mehrheitlich aus privaten Mitteln. Dort haben wir auch ein Verhältnis von etwa einem Drittel aus unseren Mitteln und zwei Dritteln von privaten Investoren.
Gibt es noch andere Wege?
Im internationalen Geschäft agieren wir über die DEG, wo wir mit staatlich abgesicherten First Lost Pieces z.B. in Entwicklungs- und Schwellenländern auch mit einem Faktor von zwei bis drei privates Kapital hebeln.
Kann der Zukunftsfonds Schule machen?
Natürlich ist eine Idee, dass das Modell des Zukunftsfonds möglicherweise auch eine Blaupause sein könnte für andere Assetklassen, wo wir auch mit einer Kombination aus staatlichen Garantien, Eigenmitteln der KfW und privatem Kapital Finanzierung darstellen könnten.
Gibt es inzwischen Ansätze, durch Kooperationen das europäische Netz enger zu knüpfen? Geht es da voran?
Im Rahmen unserer Strategie „KfW Plus“ sind strategische Partnerschaften einer der drei zentralen Hebel, wie wir unsere Ziele erreichen wollen und wie wir die Wirkung unseres Engagements maximieren möchten. Auf globaler Ebene haben wir jüngst am Rande der Hamburg Sustainability Konferenz das erste Co-Finanzierungsabkommen mit der Weltbank abgeschlossen. Es zeigt, wie wir durch Zusammenarbeit größere Volumina bewegen können. Zudem arbeiten wir im international Developement Finance Club IDFC mit 27 nationalen Förderbanken aus der ganzen Welt zusammen und verfolgen dort eine klare Ausrichtung anhand von klimapolitischen, aber auch Biodiversitätszielen.
Und wie sieht es in Europa aus?
Hier sind wir an unterschiedlichen Formaten beteiligt, wie dem Long Term Investment Funds LTIF oder auch am „5+1 Format“, bei dem sich die fünf größeren nationalen europäischen Förderbanken gemeinsam mit der EIB regelmäßig treffen und überlegen, wie sie zum Thema Wohnungsbau, zum Thema Innovationsfinanzierung voneinander lernen können, aber auch Skalierung erreichen können.
Gibt es ein Thema, das jetzt im Vordergrund steht?
Wir haben uns im April 2022 eine neue Strategie „KfW Plus“ gegeben und möchten uns bis zum Ende dieses Jahrzehnts in die digitale Transformations- und Förderbank entwickeln. Und ich glaube, dass uns dieser Nordstern Orientierung gegeben hat, in den letzten zwei Jahren und auch Orientierung uns geben wird in den kommenden Jahren. Wir müssen Transformation gestalten und wir müssen auch weiterhin fördern. Und das tun wir in Deutschland und das tun wir international. Ich würde davon abraten, jetzt der KfW eine neue Strategie zu verpassen.
Aber was wird im Vordergrund stehen?
Das sind ganz sicherlich zwei Dinge, für die wir auch stehen. Erstens, ich habe es auch auf der Weltklimakonferenz deutlich gesagt, die KfW wird auch weiterhin bei der Klimafinanzierung in Deutschland und international sehr engagiert bleiben. Das hat weiterhin Priorität.
Und das zweite?
Das zweite ist, die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und Europa zu stärken. Dort wird es vor allem darum gehen, dass wir einerseits bei der Infrastrukturfinanzierung im weiteren Sinne deutlich an Geschwindigkeit aufnehmen und zweitens Innovation fördern und entwickeln. Das tun wir bereits über KfW Capital, aber das werden wir weiter verstärken müssen.
Um Investitionen für die Transformation durch privates Kapital zu decken, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen die richtigen politischen Rahmenbedingungen für private Investitionen in Projekte der Transformation. Und zum anderen eine international wettbewerbsfähige Finanzindustrie und Finanzarchitektur.
Wie wichtig ist für die Wettbewerbsfähigkeit ein starker Finanzplatz?
Für die klimaneutrale Transformation sowie die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts ist ein starker Finanzplatz von erstrangiger Bedeutung. In Deutschland ist Frankfurt nicht nur der führende Finanzplatz, sondern auch international ein bedeutender Standort. Um Investitionen für die Transformation durch privates Kapital zu decken, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen die richtigen politischen Rahmenbedingungen für private Investitionen in Projekte der Transformation. Und zum anderen eine international wettbewerbsfähige Finanzindustrie und Finanzarchitektur. Ich begrüße daher aktuell die verschiedenen politischen Initiativen, den Finanzplatz Frankfurt bzw. Deutschland zu stärken.
Sehen Sie da eine Entwicklung in die richtige Richtung?
Es gibt ermutigende Ansätze, die wir konsequent weiterverfolgen sollten, vor allem auf fünf Handlungsfeldern: Erstens Der Vollendung des EU-Binnenmarktes, nicht zuletzt im Bereich der Energie sowie im B2C-Bereich, zweitens eine stärkere Integration der europäischen Banken- und Kapitalmärkte, drittens die schon genannte Ausrichtung der Finanzregulierung auf ihren Beitrag zur Transformation, viertens, die Weiterentwicklung des Ökosystems für Wachstumskapital und Innovationsfinanzierung und fünftens Eine höhere Akzeptanz der Finanzindustrie und des Kapitalmarkts in der Gesellschaft, die wir über eine verbesserte Bildung bei Wirtschaft und Finanzen erreichen können.
Warum ist Wettbewerbsfähigkeit so ein bedeutendes Thema für Sie?
Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas ist die Voraussetzung dafür, dass wir nicht nur unseren sozialen Fortschritt bewahren, sondern auch beim Thema Klimawandel energisch voranschreiten können. Deshalb sind Innovationen in den Klimaschutz und die Infrastruktur so wichtig.
Bei der digitalen Infrastruktur steht aktuell der Bedarf an Rechenzentren im Fokus. Das ist ein Knappheitsfaktor, klemmt es da in der Finanzierung?
Das beobachten wir nicht. Ich glaube, die limitierenden Faktoren liegen woanders und nicht bei der Finanzierung. Wir sind ja über die KfW-IPEX bereits heute einer der größten Finanzierer der digitalen Infrastruktur in Deutschland und Europa. Dabei sind wir hier in Rhein-Main sehr aktiv. Wir profitieren ja in unserer Region von dem Datenknotenpunkt. Grundvoraussetzungen sind Grundstücke und attraktive Energiepreise.
Sie haben einmal von dem Jahrzehnt der Entscheidung gesprochen: Wenn Sie auf das neue Jahr blicken, dann mit Optimismus? Oder ist Ihnen eher bange?
In der Tat befinden wir uns in einem Jahrzehnt der Entscheidungen und einem Jahrzehnt der Umsetzung. Es wird darauf ankommen, dass wir die zweite Halbzeit dieses Jahrzehnts für uns entscheiden und tatsächlich auf Sieg spielen.
Sind Sie optimistisch, dass das gelingt?
Ich bin zuversichtlich, zum einen, weil die Diskussion in Deutschland und Europa über die Wettbewerbsfähigkeit sehr stark an Bedeutung gewonnen hat. Und andererseits, weil wir in Deutschland weiterhin viel Potenziale haben, die wir heben können, wenn uns der Umbau zu einer stärker kapitalmarktorientierten Volkswirtschaft gelingt.
Ist das bis 2030 zu schaffen?
Das ist ein Umbau, der sicherlich länger als zehn Jahre dauern wird, aber deswegen sollten wir rechtzeitig damit anfangen.
Zum Schluss noch eine politische Frage: In Europa gibt es viele Befürworter von grenzüberschreitenden Bankfusionen, um den Schwergewichten in den USA mehr entgegen zu setzen. Was meinen Sie dazu?
Aus meiner Sicht ist der größere volkswirtschaftliche Hebel die Kapitalmarktunion und die Mobilisierung des privaten Kapitals in Deutschland und Europa. Das sollte der Fokus sein, auch in den jeweiligen Ländern. Blicken Sie auf die Niederlande oder nach Schweden, wo wir, wie ich finde, gute Modelle bereits in Europa haben und andere Länder davon lernen können.
Also wird Ihrer Meinung nach die Bedeutung von Fusionen für die Wettbewerbsfähigkeit der Banken überschätzt?
Um die Wettbewerbsfähigkeit der Banken zu verbessern, sollten das Regulierungswerk daraufhin überprüft werden, ob die Banken ihrer Kernfunktion als Transmissionsriemen bestmöglich nachkommen können. Diese Frage ist aus meiner Sicht zunächst zu beantworten, bevor wir über grenzüberschreitende Fusionen sprechen.
Das Interview führten Heidi Rohde und Detlef Fechtner.