Unternehmen sollen Lieferketten flexibler finanzieren

BCG verweist auf Innovation Supply Chain Finance - Empfehlung an Banken, Unternehmen in Liquiditätsnot anzusprechen

Unternehmen sollen Lieferketten flexibler finanzieren

kb Frankfurt – Infolge der Corona-Pandemie ist der internationale Handel stark geschrumpft und die Gefahr einer weltweiten Rezession noch nicht gebannt. Für Unternehmen entlang der Lieferketten sei das eine prekäre Situation, stellt die Boston Consulting Group (BCG) in einem Arbeitspapier fest. “Einige kleine und mittlere Anbieter könnten ums Überleben kämpfen”, schreiben die Autoren in ihrem jüngsten White Paper. Wenn die Lieferketten allerdings effektiv und flexibel finanziert würden, dann hätten Käufer und Verkäufer die besten Chancen, die Auswirkungen einer Wirtschaftsabschwächung infolge der Corona-Pandemie abzumildern.Als eine der jüngsten Innovationen, um dieses Problem zu lösen, stellt BCG Supply Chain Finance (SCF) als Betriebsmittelfinanzierung vor, das auf der traditionellen Handelsfinanzierung basiere. Durch SCF, also durch kurzfristige Cash-flow-Ströme besicherte Finanzierungsvarianten, könne die Liquidität flexibler gemanagt werden, indem Barpositionen optimiert werden, wobei je nach Bedarf Außenstandstage von Verbindlichkeiten sowie die Zeitspanne einer ausstehenden Forderung kalibriert oder auch Zahlungen verzögert werden. Dabei seien die Finanzierungskosten niedriger als sonst üblich. Kombiniert mit digitalen Lösungen wie Procurement-Plattformen zur Beschaffung und E-Invoicing könne das Working Capital optimiert und das operationelle Risiko gesenkt werden. Einkäufer profitierten davon, dass ihre Lieferanten die Widerstandskraft in Zeiten von Corona erhöhten, weil sie durch SCF günstige Finanzierungskonditionen erhalten könnten. Angebote digitalisierenVor diesem Hintergrund rät BCG Banken dazu, schnellstmöglich ihre SCF-Produktangebote zu digitalisieren und dabei ERP-Programme zu integrieren sowie SCF auch auf kleinere und mittelgroße Unternehmen auszuweiten. In den vergangenen Jahren hätten Fintechs den von großen Banken dominierten SCF-Markt aufgebrochen, indem sie sich mit schlanken und digitalen Dienstleistungen zwischen Käufer und Lieferanten geschoben hätten. Diese Wettbewerber böten Supply-Chain-Finanzierungen einer breiteren Gruppe von Unternehmen an, darunter immer mehr mittelgroße und kleine Gesellschaften (KMU). Mit Hilfe dieser Fintechs konnten auch regionale Banken und Finanzierer SCF-Lösungen anbieten. “Für Banken kann es unterschiedliche Betriebsmodelle geben, um ihren Kunden Supply Chain Finance anzubieten. Dabei kann neben vollständig eigenen Produktangeboten inklusive einer eigenen digitalen Plattform und Nutzung der eigenen Bilanz bzw. Ausplatzierung auch eine Partnerschaft mit Fintechs, z.B. im Bereich der digitalen Plattform zur Verarbeitung der elektronischen Rechnungen, sinnvoll sein”, erläutert Michael Strauss, Managing Director und Partner sowie Co-Autor der Studie.Banken sollten sich in Zeiten der Corona-Pandemie deshalb laut BCG nicht nur auf die Bereitstellung von staatlich geförderten Hilfsprogrammen fokussieren, sondern proaktiv Unternehmen ansprechen, die in eine kurzfristige Liquiditätsklemme geraten, die sie mittels SCF mittel- bis langfristig kosteneffizient lösen könnten. Für Banken seien vier Faktoren für ein erfolgreiches SCF entscheidend, wie Strauss erläutert: “Eine sehr gute Produktexpertise, um die Supply-Chain-Finance-Programme zu strukturieren, eine einfach zu bedienende digitale Plattform zum Austausch der Rechnungen, die Nutzung von Data Analytics, um Kunden von den Vorteilen für ihr Working Capital zu überzeugen und nicht zuletzt ein schnelles, gleichzeitig regulatorisch einwandfreies Onboarding der teilnehmenden Lieferanten.”Schließlich stecke in Supply Chain Finance für Banken ein enormes Erlös- und langfristiges Kundenbindungspotenzial. Zum Umfang des Marktes für Betriebsmittelfinanzierungen existierten jedoch kaum verlässliche Angaben, wie BCG in einem früheren Paper festgestellt hat (vgl. BZ vom 6. Februar). Die Berater schätzten, dass das globale Forderungsvolumen 2022 auf 51 Bill. Dollar ansteigen wird. Falls sich nur ein Zehntel dieses Volumens für Betriebsmittelfinanzierungen eigne, summiere sich das daraus resultierende Ertragspotenzial auf 50 Mrd. bis 75 Mrd. Dollar, einen konservativen Margenaufschlag von 100 bis 150 Basispunkten unterstellt, hieß es in dem Paper. “Vor allem der Markt für KMUs ist noch weitgehend unerschlossen. In Zeiten von anhaltenden Niedrigzinsen kann dies eine Opportunität zur Erschließung neuer Erträge für deutsche Banken bieten”, betont BCG-Berater Markus Ampenberger.