Unternehmensnachfolge in unruhigen Zeiten

Erbschaft- und schenkungsteuerliche Auswirkungen von Corona

Unternehmensnachfolge in unruhigen Zeiten

Dr. Jochen KotzenbergPartner der Sozietät Flick Gocke SchaumburgDie Bundesregierung hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Mit den Auswirkungen auf bereits erfolgte und zukünftige Unternehmensnachfolgen in Familienunternehmen hat sich die Politik hingegen noch nicht auseinandergesetzt. Dabei können sich gerade für solche Familienunternehmen, in denen eine Nachfolge in den vergangenen Jahren erfolgt ist, massive erbschaft- und schenkungsteuerliche Konsequenzen ergeben. Im Regelfall werden beim Übergang des unternehmerischen Vermögens die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen in Anspruch genommen. Die Gesellschafter und das Familienunternehmen befinden sich in steuerlicher Hinsicht dann stets für eine gewisse Zeit in einer Wohlverhaltensphase. In dieser Zeit darf das übergegangene Unternehmensvermögen nicht veräußert werden (Behaltensfrist). Zudem darf die Summe der im Unternehmen oder Unternehmensverbund ausgezahlten Löhne und Gehälter nicht zurückgehen (Lohnsummenfrist). Vielmehr muss eine Mindestlohnsumme erreicht werden. Erleichterungen bestehen insoweit nur bei kleineren Betrieben mit 15 oder weniger Mitarbeitern. Bei Option zur Vollverschonung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind in den sieben Jahren ab Erbfall oder Schenkung des Unternehmensvermögens mindestens 700 % der Ausgangslohnsumme zu erreichen. Wurde die Regelverschonung in Anspruch genommen, müssen innerhalb von fünf Jahren mindestens 400 % der Ausgangslohnsumme erreicht werden. Ausgangslohnsumme, als Grundlage für die Ermittlung der zu erreichenden Mindestlohnsumme, ist dabei die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Wirtschaftsjahre vor dem Erbfall oder der Schenkung. Ein Verstoß gegen die Mindestlohnsumme nach Ablauf des Lohnsummenzeitraums führt dazu, dass der Verschonungsabschlag in demselben Umfang prozentual gekürzt wird, wie die Mindestlohnsumme prozentual nicht erreicht wurde. Die betroffenen Gesellschafter müssen dann also Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer nachzahlen. Dass das System der Lohnsummenfrist im Grundsatz nicht zu beanstanden ist, steht außer Frage. Denn das vom Gesetzgeber damit verfolgte Ziel, Arbeitsplätze zu erhalten, bildet eine entscheidende Rechtfertigung für die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen. Die anlässlich der Corona-Pandemie vereinfachte Beantragung von Kurzarbeitergeld steht dem aber entgegen. Kurzarbeitergeld hat nämlich zur Folge, dass der Arbeitnehmer im Gegenzug zu seiner teilweisen Arbeitsfreistellung auf einen Lohnanteil verzichtet. Das mit einer Lohnsummenfrist belegte Unternehmen bzw. dessen Gesellschafter stehen also vor dem Dilemma, dass sie durch die erleichterte Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld zwar kurzfristig einen Liquiditätsvorteil erreichen; mittelfristig, nämlich bei Ablauf der Lohnsummenfrist, aber möglicherweise einen Steuernachteil erleiden. Die Zuzahlungen der Bundesagentur für Arbeit an das Unternehmen ersetzen in aller Regel den wegfallenden Lohnanteil des Arbeitgebers nicht vollständig. Deshalb nützt es dem betreffenden Unternehmen nicht unbedingt, dass die Zahlungen der Löhne und Gehälter durch die Bundesagentur für Arbeit bei der Ermittlung der Lohnsumme nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht vom Lohnaufwand abzuziehen sind. Das Familienunternehmen und seine Gesellschafter sollten daher sehr genau prüfen, ob die mit der Beantragung des Kurzarbeitergeldes einhergehenden kurzfristigen Liquiditätsvorteile mögliche mittelfristige Nachteile eines Nichterreichens der Mindestlohnsumme überwiegen.