LEITARTIKEL

Unvermeidbares Opfer

Nimmt das denn nie ein Ende? Die Wertpapierberatung in Deutschland wird durch das EU-Regelwerk Mifid II bereits weitreichend reguliert - nicht wenige sagen: stranguliert -, da kommt die nächste Berufsgruppe dran. Die Finanzanlagenvermittler, die...

Unvermeidbares Opfer

Nimmt das denn nie ein Ende? Die Wertpapierberatung in Deutschland wird durch das EU-Regelwerk Mifid II bereits weitreichend reguliert – nicht wenige sagen: stranguliert -, da kommt die nächste Berufsgruppe dran. Die Finanzanlagenvermittler, die nach Paragraf 34f der Gewerbeordnung Fonds und Vermögensanlagen verkaufen, müssen künftig wesentliche Mifid-Vorgaben einhalten. Einen Verordnungsentwurf hat das Bundeswirtschaftsministerium gerade überarbeitet, im September soll sich der Bundesrat damit befassen. Parallel hat das Bundesfinanzministerium ein Eckpunktepapier vorgelegt, das eine Kontrolle der Berufsgruppe durch die Aufsicht BaFin skizziert. Ab 2021 soll es so weit sein.Für die annähernd 38 000 Vermittler, die häufig für Vertriebsnetze und Maklerpools tätig sind, geht es um viel Geld – und mitunter um die Existenz. Einmalig 63 Mill. Euro und Jahr für Jahr weitere 61 Mill. Euro muss die Branche nach Schätzung der Bundesregierung für die Ausweitung der Mifid-Vorgaben aufbringen. Allein die Einrichtung neuer Telefonanlagen, die bald Pflicht sind, um Gespräche mit Kunden regulierungskonform aufzuzeichnen, kostet pro Vermittler gerechnet demnach einen niedrigen vierstelligen Betrag, was für die Kleinbetriebe eine enorme Last darstellen kann. Die Dokumentation im Beratungsalltag kostet jährlich noch einmal eine drei- bis vierstellige Summe. Wenn das Vermittlungsgeschäft dann noch nicht am Boden liegt, gibt die Umlage für die BaFin vielen Beratern den Rest. Der Vermittlerverband AfW geht hier von einem vierstelligen Betrag aus. Dann zahlt mal schön!Die Reaktion der Branche fällt nach einem erwartbaren Muster aus: Die Kreditwirtschaft befürwortet einheitliche Regeln in der Wertpapierberatung, damit die unliebsame Konkurrenz im Vertrieb nicht bevorzugt wird. Die Vermittlerzunft wirbt für eine schonende Umsetzung der Mifid-Vorgaben und wehrt sich gegen eine Aufsicht durch die BaFin. Die Fondsbranche warnt, dass sich die Zahl der Vermittler drastisch verringern könnte. Aber auch wenn die EU-Richtlinie den nationalen Gesetzgebern bei der Übertragung der Regeln auf weitere Berufsgruppen in Detailfragen Spielraum lässt und sich die Aufsicht durch die BaFin nicht zwingend ergibt, ist das Vorhaben der Bundesregierung, das auch im Koalitionsvertrag verankert ist, folgerichtig. Der EU-Gesetzgeber hat eine Dienstleistung reguliert, deren Qualität für den Kunden oft schwer einzuschätzen ist und die zugleich einem Interessenkonflikt unterliegt, da die Berater von Vertriebsprovisionen leben und somit zugleich Verkäufer sind. Diese Merkmale treffen auch auf Finanzanlagenvermittler zu, so dass vergleichbare Standards sinnvoll sind. Und was einheitlich reguliert wird, gehört auch einheitlich beaufsichtigt. Nicht Gewerbeämter oder Industrie- und Handelskammern, sondern die BaFin soll zuständig sein.Gleichwohl sind die Vorteile für den Anleger überschaubar. Zwar ist die Kostentransparenz wichtig und belastet die Vermittlerbranche nach Schätzung der Bundesregierung unmittelbar nur geringfügig. Aber ob die Beratung wirklich besser wird, weil Finanzvermittler die Eigenarten des Kunden dokumentieren und den Zielmarkt von Fonds möglichst abgleichen müssen, ist alles andere als klar: Der Interessenskonflikt in der Beratung lässt sich jedenfalls nur transparent machen, nicht aber wegregulieren. Spätestens bei der verpflichtenden Telefonaufzeichnung wird offenbar, dass die EU-Regulierung reichlich weit geht. Aber die Schwächen der Mifid rechtfertigen es allein nicht, die 34f-Vermittler möglichst auszunehmen. Das umstrittene Vorhaben hat in Europa politische Mehrheiten gefunden und hat somit Respekt durch den deutschen Gesetzgeber verdient. Eine Bevorzugung bestimmter Berufsgruppen passt auch nicht zum Selbstverständnis eines neutralen Regelsetzers. Die 34f-Vermittler sind ein unvermeidbares Opfer.Doch konsistent sind die neuen Regeln noch immer nicht. Die Vermittler und auch die Versicherungswirtschaft heben zu Recht hervor, dass unter anderem die Versicherungsvermittler nach 34d, sofern sie nicht an einen Versicherer vertraglich gebunden sind, weiter von der Gewerbeaufsicht kontrolliert werden. Weil viele Versicherungsvermittler zugleich eine Zulassung nach 34f besitzen, droht ihnen nun eine doppelte Beaufsichtigung. Nach dieser Lesart sollte die BaFin die Vermittlerzunft also in Ruhe lassen, aber das Argument lässt sich freilich umdrehen: Der Streit, ob nicht auch 34d-Vermittler unter die Fittiche der BaFin gehören, wird nun an Fahrt gewinnen.——Von Jan SchraderDie Finanzanlagenvermittler rutschen bald unter den Mantel der Mifid und die Fittiche der Finanzaufsicht. Alles andere wäre kaum vermittelbar. ——