Verbraucherschützer sehen Lücke beim Provisionsverbot

Bundesregierung will provisionsbasierte Anlageberatung bei Finanzinstituten mit weit verzweigtem Filialnetz erlauben - Gutachten des Bundestags hält dagegen

Verbraucherschützer sehen Lücke beim Provisionsverbot

Die Bundesregierung will Finanzinstituten auch künftig eine provisionsbasierte Anlageberatung ermöglichen, wenn sie ein weit verzweigtes Filialnetz haben. Ein Gutachten aus dem Bundestag stuft dies als europarechtswidrig ein. Die europäischen Vorgaben für den Anlegerschutz erlauben Provisionen nur noch unter bestimmten Bedingungen.Von Angela Wefers, BerlinDie Umsetzung der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II in deutsches Recht bringt die Verbraucherschützer auf die Palme. Die Bundesregierung will es Kreditinstituten mit einem weit verzweigten Filialnetz ermöglichen, weiterhin Anlageberatung auf Provisionsbasis zu betreiben. “Dass ein Filialnetzwerk als Rechtfertigung für Provisionen dienen sollen, treibt die Sache auf die Spitze”, kritisiert Dorothea Mohn, Leiterin des Teams Finanzmarkt bei dem Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). “Das ist ein Freibrief für die Annahme von Provisionen, der einer Sparkassen-Schutzklausel gleichkommt”, sagte Mohn der Börsen-Zeitung. Unterstützung bekommen die Verbraucherschützer nun durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Deutschen Bundestag. Die Experten stufen die hierzulande geplante Regelung als europarechtwidrig ein. “Wir erwarten vom Finanzministerium, dass die Regelung gestrichen wird”, hielt Mohn fest.Die Pläne, Instituten mit einem weit verzweigten Filialnetz weiterhin eine provisionsbasierte Anlageberatung zu ermöglichen, sind nicht ganz neu. Sie tauchten erstmals mit dem Referentenentwurf zum Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz auf, mit dem die Mifid II mittlerweile in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Die Verbraucherschützer hatten das Vorhaben bereits im Gesetzgebungsverfahren entschieden abgelehnt. Dies wurde auch in der öffentlichen Anhörung im Bundestags-Finanzausschuss zum Gesetzentwurf Anfang März deutlich. Dort wurde der Punkt kontrovers diskutiert. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) widersprach dem VZBV. Neue Verordnung kommtNach der Verabschiedung des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes, das jüngst der Bundesrat gebilligt hatte, steht nun die Umsetzung der dazugehörigen Durchführungsverordnung hierzulande an. Die Verordnung konkretisiert Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für die Finanzdienstleister. Sie trägt den wenig flüssigen Namen “Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung”, kurz: WpDVerOV.Die Verbraucherschützer verfolgen das Ziel eines umfassenden Provisionsverbots in der globalen Finanzberatung. Wunsch des VZBV ist, spätestens in fünf Jahren – also 2023 – zu diesem Punkt zu kommen. Bis dahin wollen sie wenigstens die völlige Offenlegung der Kosten bewirken und Wettbewerbsgleich zwischen Beratung auf Provisionsbasis und gegen Honorar schaffen. “Provisionen können Beratungsqualität nicht verbessern”, konstatiert Mohn. “Provisionen verhindern schon im Ansatz, dass Beratung im Kundeninteresse stattfindet.”Auf Transparenz zielen auch die EU-Vorgaben ab, die zur Offenlegung von Provisionen – genauer Zuwendungen – zwingen. Deren Annahme ist zudem nur noch unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt: Die Qualität der Finanzberatung für den Kunden muss dadurch besser werden. Was unter das Kriterium der Qualitätsverbesserung fällt, regelt eine EU-Verordnung zur Mifid II mit einem Katalog von Beispielen. Dazu zählen etwa eine breite Palette geeigneter Finanzprodukte, die nicht nur aus dem Hause des Beraters stammen dürfen, regelmäßige Überprüfung der Anlagen mit Blick auf die Bedürfnisse des Kunden, ein speziell auf den Kunden strukturierter Zuschnitt, das Angebot von Informationsinstrumenten für die Anlageentscheidung oder periodische Berichte über Wertentwicklung, Kosten und Gebühren. Nicht im EU-Katalog steht das Kriterium “eines verbesserten Zugangs zu Beratungsdienstleistungen, etwa durch die Bereitstellung eines weit verzweigten Filialberaternetzwerkes, das für den Kunden die Vor-Ort-Verfügbarkeit qualifizierter Anlageberater auch in ländlichen Regionen sicherstellt”. So lautet die Formulierung im Entwurf der deutschen Verordnung WpDVerOV.Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Deutschen Bundestags, das die Fraktion der Grünen angefordert hatten, stuft dieses Kriterium “nicht als unionsrechtskonform” ein. Das Gutachten liegt der Börsen-Zeitung vor. Drittzuwendungen sind demnach nur dann zulässig, wenn ein direkter Zusammenhang zum Kunden besteht. Die Qualitätsverbesserung muss ihm konkret zugutekommen. Dies sei bei einem Filialnetzwerk aber nicht der Fall, heißt es, weil dieses jedem potenziellen Kunden vor Ort zugutekomme und damit von allgemeiner Natur sei. Grüne: “Das ist absurd”Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Gerhard Schick, teilt die Haltung der Verbraucherschützer. Er fühlt sich durch die Juristen des Bundestags bestätigt. Die geplante Regelung des Ministeriums würde die EU-Vorgaben aus seiner Sicht ausmanövrieren. “Die gesetzliche Folge wäre, dass als eine weitere Ausnahme vom eigentlichen Provisionsverbot auch in diesen Fällen Provisionen ohne Weiteres erlaubt blieben”, stellt der Grünen-Politiker fest. “Das ist absurd.”Süffisant sinnierte er über die Vorteile von Filialnetzen: Die Regierungskoalitionäre würden demnächst wohl deutlich häufiger die Filiale einer Schnellrestaurantkette frequentieren, als sich in einem der Edelrestaurants in der Hauptstadt zu treffen – schließlich gewährleiste ein weit verzweigtes regionales Filialnetz ein gesteigertes Maß an Qualität. Die schwarz-rote Koalition im Bundestag steht explizit hinter dem Entwurf, obwohl die Verordnung reine Regierungssache ist. Derzeit wird der Entwurf noch konsultiert. Die Frist für Stellungnahmen läuft bis 30. Mai. Die DK hatte in der Bundestags-Anhörung argumentiert, die Anlagenberatung würde ohne Vergütung durch Provisionen in der Fläche zusammenbrechen. Die Filialnetzklausel trifft zwar stark auf die Verbundgruppen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu, aber auch die privaten Banken sehen sich davon durchaus erfasst.