GELDWÄSCHEKONTROLLE IN EUROPA - IM INTERVIEW: HENNIE VERBEEK-KUSTERS

"Verbrechen sind Big Business"

Die Leiterin der niederländischen Antigeldwäschebehörde über die jüngsten Vorfälle bei Danske und ING

"Verbrechen sind Big Business"

– Frau Verbeek-Kusters, Sie sind in Ihrer Funktion als Leiterin der niederländischen Antigeldwäsche auch Präsidentin der Egmont-Gruppe, wo Sie mit anderen Behörden weltweit Ihre Erfahrungen austauschen. Wird Geld in Amerika, Europa, Afrika und Asien immer gleich gewaschen?Jedes Finanzsystem in der Welt ist auf seine eigene Weise dem Risiko ausgesetzt, für die Zwecke der Geldwäsche missbraucht zu werden. Die Geldwäscher wissen, wie sie aus den Unterschieden zwischen den Systemen Nutzen ziehen können. Das ist auch ein Grund, weshalb kriminelle Gelder bisweilen über große Distanzen hinweg verschoben werden. Letztlich geht es immer darum vorzutäuschen, dass kriminelles Geld aus einer legalen Quelle stammt und dass es rechtmäßig ausgegeben oder transferiert wird.- Seit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York im September 2001 beschäftigten sich Behörden wie die Ihrige auch intensiv mit dem Kampf gegen die Terrorismusfinanzierung. Wo liegen die Unterschiede zwischen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung?Im Fall der Geldwäsche ist die Herkunft der Gelder eigentlich immer illegal. Bei der Terrorismusfinanzierung kann die Geldquelle ebenfalls illegal sein. Aber sie kann genauso gut auch legal sein. Die Geldmittel können zum Beispiel aus Spenden oder Zuwendungen kommen oder von regulären Einkommen aus legaler, bezahlter Arbeit. Die Täter versuchen also nicht zwingend die Herkunft, sondern vielmehr das illegale Ziel der Geldflüsse zu verstecken.- Über die estnische Filiale der Danske Bank könnten in den vergangenen Jahren kriminelle Gelder von bis zu 200 Mrd. Euro gewaschen worden sein. Ist das der Eisberg oder nur seine Spitze?Die Summe der gewaschenen Gelder ist natürlich per Definition eine Dunkelziffer. Ohne hier meine eigene Schätzung abgeben zu wollen, sollten Sie einfach bedenken, dass die meisten kriminellen Handlungen finanziell motiviert sind und einige Verbrechen sind einfach Big Business. Kürzlich wurde in den Niederlanden ein Bericht publiziert, nach dem die Herstellung und der Verkauf synthetischer Drogen in den Niederlanden jährlich einen Umsatz von mindestens 18 Mrd. Euro generiert. Man weiß auch, dass im weltweiten Menschenhandel jährlich ungefähr 150 Mrd. Dollar umgesetzt werden. Wir reden also nicht über kleine Zahlen. Das zeigt, dass wir mit unserer Arbeit nichts zu verlieren und alles zu gewinnen haben.- Der Danske-Fall bestärkt Kritiker, die das Antigeldwäschedispositiv vieler Banken für nicht mehr zeitgemäß halten. Aufschlussreicher als die Identität einzelner Kontoinhaber seien die Muster verdächtiger Geldflüsse. Wie stehen Sie zu dieser Position?Ich kann das bisherige Danske-System nicht kommentieren. Aber unabhängig von jeder Kritik bleibt es wichtig, dass die Banken ihre Kundenlisten laufend nach Namen bekannter Krimineller und ihrer Helfer durchforsten. Allerdings weiß man auch von den größten Geldwäschesystemen, die bisher offengelegt und untersucht werden konnten, dass es in diesen keine direkten Bezüge zu den Namen bekannter Krimineller gab. Die Systeme waren ohne direkte und sichtbare Bezüge zu diesen Kreisen aufgebaut. Die Personen konnten allein durch die Überwachung der Geldflüsse, hauptsächlich der grenzüberschreitenden Geldflüsse und durch die Offenlegung ungewöhnlicher Zahlungsmuster, identifiziert werden. Solche Analysen der Geldströme haben sich als sehr wirkungsvoll erwiesen. Sie sind aber auch aufwändig und brauchen viele Ressourcen.- Die niederländische Großbank ING hat sich kürzlich in einem großen Fall von Geldwäsche mit den niederländischen Strafbehörden auf die Zahlung einer für europäische Verhältnisse bislang beispiellose Strafe von 775 Mill. Euro geeinigt. Wie bewerten Sie diese Strafe?Die Buße an sich belief sich auf 100 Mill. Euro. Über den Restbetrag haben sich die niederländische Staatsanwaltschaft und die Bank zur Beilegung einer Strafuntersuchung geeinigt.- Werden wir in Zukunft in Europa noch mehr Strafen in diesen (amerikanischen) Dimensionen sehen?Ich bin nicht in der Stellung, um eine solche Prognose machen zu können. Ich kann nur hoffen, dass alle Finanzinstitutionen diese jüngsten Fälle als Weckruf verstehen. Die beiden erwähnten Banken, die gerade im Rampenlicht stehen, sind renommierte Institute, die eine wichtige Rolle im Finanzsystem spielen. Dennoch sind die Verfehlungen passiert. Wenn andere Institutionen aus diesen Vorfällen ihre Lektionen lernen, dann gelangen wir im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung in eine bessere Position.- Die lettische Großbank ABLV wurde von der US-Antigeldwäschebehörde im Januar als Gefahr für die Integrität des internationalen Bankensystems an den Pranger gestellt. Kurz darauf wurde die Bank abgewickelt. Ist der Geldwäsche-Pranger heutzutage das Todesurteil für eine Bank?Negative Publizität solcher Art wirkt sich in zweifacher Weise aus: Einerseits kann sie dazu führen, dass Kunden die Bankbeziehung beenden, weil sie mit Blick auf potenziell hohe Strafen gegen die Banken ihre Guthaben in Sicherheit wähnen wollen. Anderseits kann es für die Bank schwieriger werden, von anderen Instituten weiterhin als Korrespondenzbank akzeptiert zu werden. Das hat mit den Risikovermeidungsstrategien der Banken zu tun. Vertrauen ist essenziell für die Banken.- Das scharfe Sanktionsregime insbesondere der amerikanischen Behörden hat viele US-Banken veranlasst, ihre Beziehungen zu Banken aus Risikoländern abzubrechen oder einzuschränken. Wandern Finanzgeschäfte so in den Untergrund ab?Eine Ausdünnung des Korrespondenzbanken-Systems führt im internationalen Finanzsystem zu Problemen. Gewisse Finanzdienstleistungen, die im regulierten Bereich nicht mehr angeboten werden können, verschieben sich in den nichtregulierten Bereich.- Hinterlassen Kryptowährungen keinerlei Spuren im Finanzsystem oder gibt es trotz allem Fährten, die sich verfolgen lassen?Die uns vorliegenden Berichte zeigen in verschiedenen Fällen, wie Kryptoguthaben zu bestimmten Zeitpunkten immer wieder in reguläres Geld umgetauscht und die gelösten Summen in das regulierte Finanzsystem zurückgeführt werden. Da können Banken ungewöhnliche Transaktionen an die Antigeldwäschebehörde melden. Wir konnten solche Transaktionen schon analysieren und die zugrundeliegenden kriminellen Aktivitäten aufdecken.- Gibt es neue regulatorische Vorgaben für den Kryptobereich?Ja. Nach der Implementierung der fünften EU-Antigeldwäschedirektive werden auch die Wallet Provider (treuhänderische Depot-Stellen für Kryptowährungen, Anm. d. Red.) und die Betreiber von Krypto-Handelsplattformen ungewöhnliche Transaktionen melden müssen. Das ist ein wichtiges neues Instrument, das nötig ist, um das bestehende Meldesystem zu ergänzen.—-Das Interview führte Daniel Zulauf.