IM GESPRÄCH: CARSTEN ROGGE-STRANG, AGV BANKEN

"Verdi betreibt Etikettenschwindel"

Arbeitgeberverband rechnet vor der Tarifrunde für die Banken vor, dass sich die Verdi-Forderungen auf ein Gehaltsplus von 11 Prozent summieren

"Verdi betreibt Etikettenschwindel"

Vor dem Auftakt der Tarifrunde im privaten Bankgewerbe zeigte sich Carsten Rogge-Strang, Hauptgeschäftsführer des AGV Banken, verwundert über die hohen Gewerkschaftsforderungen. Die Lage der Branche stuft er als unverändert schwierig ein und wirft der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi “Etikettenschwindel” vor.Von Angela Wefers, Berlin”Wir sind wirklich keine gut laufende Industriebranche”, sagte Carsten Rogge-Strang, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands des privaten Bankgewerbes (AGV Banken), der Börsen-Zeitung. “Die Forderungen von Verdi sind aber nicht nur so hoch wie für gut laufende Industriebranchen, sondern liegen im Paket sogar weit darüber.” Am 15. Februar sitzen Gewerkschaften und Arbeitgeber wieder gemeinsam am Tisch, um die Tarifverhandlungsrunde 2019 für rund 190 000 Beschäftigte des privaten Bankgewerbes zu eröffnen. Viele nichttarifgebundene Verträge lehnen sich daran an. Zugleich werden auch die Gehälter für die Beschäftigten der öffentlichen Banken ausgehandelt. Die im Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) organisierten Arbeitgeber treten in einer Verhandlungsgemeinschaft mit dem AGV Banken auf.”Allein die Gehaltsforderung von 6 % suggeriert, dass die Lage bei den Banken ähnlich ist wie in der Industrie und der Verteilungsspielraum ähnlich hoch ist wie im Öffentlichen Dienst”, sagte Rogge-Strang. “Das ist beides nicht der Fall.” Zudem verlange Verdi für die Arbeitgeber teure Zusatzpunkte. “Die Forderung von 6 % ist reiner Etikettenschwindel”, moniert der Arbeitgebervertreter.In bisher nicht gekannter Form verlangt die stärkste Gewerkschaft im Bankgewerbe diesmal eine Reihe von entgeltwirksamen Punkten zusätzlich zur Gehaltssteigerung. “Das ist ein Trojaner: Verdi kommt mit 6 % durchs Tor und hat 11 % an Bord”, rechnete Rogge-Strang vor. Die Forderung sei damit gemessen an der Tarifrunde 2016 exorbitant. “Verdi kommt bei unveränderter Branchenlage mit einem Forderungspaket, das mehr als doppelt so hoch ist wie beim letzten Mal.” 2016 war die Dienstleistungsgewerkschaft mit einer Forderung von 4,9 % für zwölf Monate angetreten. Kumuliert über 33 Monate einigten sich die Tarifpartner schließlich auf ein Plus von 3,7 % – in drei Stufen mit Steigerungen von 1,5 %, 1,1 % und wiederum 1,1 %. “Löhne sind bereits hoch”Nach drei Jahren hat sich aus der Sicht der Arbeitgeber für die Institute wenig geändert. “Gemessen an der Profitabilität und den Aussichten hat sich die Branchenlage seit 2016 nicht verbessert”, so Rogge-Strang. Niedrige Zinsen, höhere Regulierungskosten, die Digitalisierung und Wettbewerbsdruck machten der Branche weiterhin zu schaffen. “Die privaten deutschen Banken sind in ihrer Ertragskraft trotz bester Kreditqualität international immer mehr abgehängt”, sagte Rogge-Strang. Da solle man nicht so tun, als wäre der Bankensektor vergleichbar mit anderen gut laufenden Branchen. Zudem sei das Lohnniveau der Branche bereits hoch: “In Banken wird immer noch überdurchschnittlich gut bezahlt.”Laut Statistischem Bundesamt lag das durchschnittliche Bruttogehalt über alle Wirtschaftsbereiche 2017 bei 34 145 Euro, bei Finanzdienstleistern bei rund 54 500 Euro.Über die Tariflohnerhöhung hinaus verlangt Verdi sechs bezahlte Gesundheits- oder Entlastungstage im Jahr für die Tarifbeschäftigten. Dies verteuert nach Berechnungen von AGV Banken die Arbeit um 2,7 %. Rogge-Strang hält diese Forderung faktisch für nichts anderes als das Verlangen nach sechs Tagen zusätzlichen Urlaubs. Der Jahresurlaub würde damit von sechs Wochen auf sieben Wochen und einen Tag steigen. “Wir brauchen unsere Leute”Verdi begründet die Forderung damit, dass die Arbeitsbelastung in der Branche stark zugenommen habe. Dafür gibt es Rogge-Strang zufolge gibt es keine Anhaltspunkte. Der AGV Banken lässt seit 2010 die Beschäftigten im privaten Bankgewerbe repräsentativ befragen – zu Arbeitszufriedenheit und Gesundheit. Laut der aktuellen Befragung aus dem Januar 2019 weise die empfundene Schwere der Arbeitsbelastung den niedrigsten Wert seit 2010 auf. Die empfundene psychische Gesundheit erreiche hingegen einen Höchstwert. Auch das Mitarbeiter-Commitment gegenüber dem Arbeitgeber habe sich im vergangenen Jahr wieder verbessert.Zudem seien die Institute auf ihre Mitarbeiter angewiesen. “Wir können unsere Kapazitäten nicht einschränken”, konstatiert Rogge-Strang. “Wir brauchen unsere hoch qualifizierten Leute mit vollem Einsatz.” Digitalisierung und Regulierung hätten dazu geführt, dass die Banken besonders gut ausgebildetem Personal aufgebaut haben.Verdi dringt außerdem auf eine Mobilitäts- oder Wohnraumzulage von 80 Euro, die nur Verdi-Mitgliedern zugutekommen soll. Gemessen an einem typischen Bankberater mit einigen Jahren Berufserfahrung errechnet der AGV Banken daraus eine Gehaltssteigerung um 2,2 %Eine exklusive Vereinbarung mit Verdi kommt laut Rogge-Strang für den AGV Banken nicht in Frage: “Wir behandeln alle Beschäftigten gleich und sind nicht bereit, Gewerkschaftsmitgliedschaft zu prämieren.” Neben Verdi gehören die Branchengewerkschaften DBV und DHV – mit geringeren Organisationsgrad – mit zu den Verhandlungspartnern. Auch für sie gelte die Gleichbehandlung.Verdi-Verhandlungsführer Christoph Meister hatte die Forderung der Gewerkschaft Anfang Dezember mit dem Konsolidierungskurs der Branche begründet und argumentiert, dass Zinswende bevorstehe (BZ vom 1.12.2018). Verhandlungsführer für die privaten Banken ist Karl von Rohr, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank. Für die öffentlichen Banken verhandelt Gunar Feth, Vize-Chef der SaarLB. Traditionell nehmen die Tarifverhandlungen ihren Auftakt in Berlin. Weiter Verhandlungsrunden, die sicher nötig sein werde, sind auch wieder in Frankfurt eingeplant.