Versicherer halten Stresstest für wenig aussagekräftig
tl Frankfurt – Die deutschen Versicherer halten wenig vom jetzt gerade laufenden Stresstest der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA. “Die Ergebnisse des Stresstests werden keine Rückschlüsse auf die Stabilität der Branche ermöglichen”, heißt es in einer jüngst veröffentlichten Stellungnahme des Versicherungsverbandes GDV.Diese Kritik betrifft insbesondere das vom Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) entwickelte “Double Hit”-Szenario. EIOPA sieht diese Konstellation, bei der beide Seiten der Bilanz betroffen wären, als Hauptschwäche der europäischen Versicherungsbranche an. Der “Doppelschlag” besteht aus einem weltweiten abrupten Fall der Assetpreise und aus einem niedrigen risikofreien Zinssatz, der oft durch Swapsätze dargestellt wird. Dadurch steige der Wert der langfristigen Verbindlichkeiten (aus den Versicherungsverträgen), während sich die Margen zwischen den garantierten Erträgen aus Lebensversicherungen und den langfristigen Anlagen mit geringem Risiko verringerten, schreibt der ESRB in einer Ausarbeitung vom 17. März.”Dieses Szenario widerspricht der ökonomischen Logik”, heißt es beim GDV. Denn einerseits sinke der risikofreie Zins, andererseits steigt der Zins für Festverzinsliche. “In einem Szenario, in dem die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe weit über dem risikofreien Zins liegt, stellt sich die Frage, welche risikofreien Papiere überhaupt für eine Kapitalanlage zur Verfügung stehen.”Zweifel an dem “Double Hit”-Szenario äußert auch der ESRB in seiner Ausarbeitung. Denn es impliziere, dass der bisherige enge Zusammenhang zwischen Swapsätzen und Renditen für erstklassige Staatsanleihen unterbrochen werde. “Nicht konsistent””Deshalb ist das Szenario in sich nicht konsistent und berücksichtigt nicht, dass erstklassige Staatsanleihen historisch als sicherer Hafen gelten.” Die Wahrscheinlichkeit einer gleichzeitigen gegenläufigen Entwicklung von Swapsätzen (als Näherung des risikofreien Zinses) und Renditen von Staatsanleihen schätzt der ESRB als “viel geringer” ein als die jeweiligen unabhängigen Wahrscheinlichkeiten für Schocks bei Renditen für Staatsanleihen (etwa 0,75 %) und bei Swapsätzen (0,5 %, jeweils bezogen auf ein Jahr).Auch das zweite Testszenario hält der GDV für sehr unwahrscheinlich. Das “Low for long”-Szenario geht von einer “säkularen Stagnation” in der Eurozone aus, sprich die Wirtschaft wächst überhaupt nicht und zwar für die nächsten 100 Jahre. Die nominale Verzinsung wäre so hoch wie die Inflationsrate, das heißt die reale Verzinsung wäre null. Deshalb würden die erforderlichen Rückstellungen für langfristige Verpflichtungen in diesem Szenario dramatisch ansteigen.Für den GDV hätte diese langfristige Stagnation nicht nur gravierende Auswirkungen auf die Lebensversicherer, sondern auch auf die Sozialsysteme und die Staatshaushalte. “Verheerend” wären die Folgen für die Gesamtwirtschaft. “Eine derart lange Phase wirtschaftlicher Stagnation ist aber kaum vorstellbar.” Für realitätsfern hält der Verband auch die Annahme, die Lebensversicherer würden auf den Nullzins nicht reagieren. Das Fazit des GDV ist eindeutig: Eine Veröffentlichung der Ergebnisse ohne erläuternde Hinweise zu den Testmethoden würde zu Fehlschlüssen und Verunsicherung in der Öffentlichkeit führen. Die Veröffentlichung der Testergebnisse für einzelne Unternehmen wäre “kontraproduktiv”, warnt der Verband.