Versicherern winken weniger Berichtspflichten

BaFin will kleinere Unternehmen entlasten - Viele Fragezeichen bei Regeln für nachhaltige Investments

Versicherern winken weniger Berichtspflichten

Die Versicherungsaufsicht ändert ihren Kurs in Sachen Proportionalität unter Solvency II. Weitere Punkte des Regelwerks will BaFin-Aufseher Frank Grund auf den Prüfstand stellen. Nachhaltige Investments beschäftigen Aufseher und Versicherer stark.ak Berlin – Die Versicherungsaufseher bewegen sich bei einem heiß diskutierten Thema auf die Versicherungswirtschaft zu. BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund kündigte am Donnerstag konkrete Vorschläge zu mehr Verhältnismäßigkeit beim jetzt knapp drei Jahr geltenden Aufsichtsregime Solvency II an. “Das Thema Proportionalität sollte man angehen. Das Ob und nicht das Wie ist eine Frage, die zu diskutieren wäre”, sagte der Chefaufseher bei einer Konferenz des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Damit stellt die BaFin die bisherige Aufsicht für kleinere Versicherer auf den Prüfstand. Denn alle Versicherer mit mehr als 5 Mill. Euro Beitragseinnahmen fallen unter Solvency II. Sie haben dann umfangreiche Berichtspflichten, die höchstens etwas abgespeckt, aber bisher nicht gestrichen werden können. Grund regte verlässliche Schwellenwerte an, unter denen Versicherer von Berichtspflichten, zum Beispiel unterjährigen Reports, befreit sind. Für kleinere, aber risikoreiche Versicherer will sich die Aufsicht vorbehalten, “das proportionale Ob auszuschalten”, also doch mehr Berichte anzufordern.Grund sieht wenig Spielraum, die Überlegungen auf nationaler Aufsichtsebene durchzusetzen. Dafür müsste die EU-Richtlinie zu Solvency II im anstehenden Review im Jahr 2020 und auch wohl das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden.Mit dem Vorstoß dürfte die BaFin in der Branche offene Türen einrennen. Die Reportingpflichten hätten ein Ausmaß erreicht, das die Akzeptanz des Aufsichtssystems gefährde, konstatierte GDV-Präsident Wolfgang Weiler.Gabriel Bernadino, Chef der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA, betonte, dass ein Abbau von Komplexität schon mit der aktuellen ersten Überprüfung von Solvency II 2018 erreicht worden sei. Dem pflichtete Grund bei und nannte explizit Vereinfachungen im Standardmodell und die Beseitigung von inkonsistenten Regelungen.Die BaFin jedoch sieht noch weiteren Änderungsbedarf, zum Beispiel beim Zinsänderungsrisiko: “Eine Überarbeitung des Modells ist dringend geboten”, sagte Frank Grund. Leider sei das Thema auf die große Überprüfung von Solvency II im Jahr 2020 verschoben worden. Das derzeitige Modell berücksichtige zum Beispiel keine negativen Zinsen, erläuterte Grund. Auch das Pufferinstrument Volatilitätsanpassung will er auf den Prüfstand stellen. Grund regte eine Teilung in zwei Komponenten an, von denen eine ein Krisentool darstelle und bei extremem Zinsstress entlaste. Die andere solle auf die langfristige Ausrichtung von Kapitalanlagen abstellen.Das Trendthema der Kapitalanleger der deutschen Versicherer heißt nachhaltige Investments. Um die aufsichtsrechtliche Behandlung ranken sich allerdings jede Menge Fragezeichen. Bei der EU-Kommission gibt es mehrere Vorhaben, sich mit nachhaltigen Kapitalanlagen zu beschäftigen.Eine grundsätzliche Frage ist jedoch völlig offen: Was sind eigentlich nachhaltige Investments? Frank Grund beklagte einen “begrifflichen Flickenteppich”. Die Versicherer in Deutschland stuften 73 % ihrer Kapitalanlagen als nachhaltig ein. Bei genauerem Hinsehen seien die Definitionen aber sehr unterschiedlich. “Es ist dringend geboten, dass der europäische Gesetzgeber schnellstmöglich eine Definition einführt.” Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, sagte jedoch, der derzeitige Vorschlag der EU-Kommission, die Klassifizierung eigenständig festzulegen, sei nicht akzeptabel. Pauschalen Reduzierungen von Kapitalanforderungen bei grünen Investments erteilte Kukies eine Absage. Grüne Kapitalanlagen seien nicht per se risikoärmer.Die Versicherer haben bei dem Thema ganz praktische eigene Sorgen: “Es darf keine neuen Reportingpflichten dazu geben”, warnte ein Versicherungsvorstand am Rande der Konferenz.