GASTBEITRAG

Vertrauen ist die Grundlage der Finanzberatung

Börsen-Zeitung, 4.12.2019 Wie können Finanzberater das Vertrauen der Sparer gewinnen? Von der Beantwortung dieser Frage hängt viel ab, sowohl für Sparer und Finanzberater als auch für die offene arbeitsteilige Gesellschaft, die auf...

Vertrauen ist die Grundlage der Finanzberatung

Wie können Finanzberater das Vertrauen der Sparer gewinnen? Von der Beantwortung dieser Frage hängt viel ab, sowohl für Sparer und Finanzberater als auch für die offene arbeitsteilige Gesellschaft, die auf Eigenverantwortung und Vertrauen aufbaut. Die Deutschen sparen viel, aber oft falsch. Sie besitzen zu wenige Aktien. Von den 6,2 Bill. Euro, die das Geldvermögen deutscher Privathaushalte ausmachen, liegen 2,5 Bill. Euro, 40 %, auf Bankkonten oder werden zur Bargeldhaltung gebraucht. Weitere 2,3 Bill., rund 37 %, werden in Versicherungspolicen angelegt. Die mangelnde Aktienkultur in Deutschland ist schon länger bekannt. In der Welt der niedrigen und negativen Zinsen bekommt das Thema eine noch größere Relevanz. Die private Vermögensbildung ist gefährdet.Wer Geld richtig anlegen will, der sollte sich Rat einholen. Das gilt insbesondere für diejenigen, die selber kein großes Wissen über Produkte oder Entwicklungen auf Finanzmärkten mitbringen. Finanzberater haben die Aufgabe, im Interesse der Kunden erstens den Anlagebedarf zu ermitteln und zweitens ein passendes Produkt anzubieten. Beide Leistungen kann der Kunde nur schwer beurteilen. Er muss dem Berater vertrauen. Finanzberatung wird in der Ökonomie deshalb als Vertrauensgut definiert. 1 700 Umfrage-TeilnehmerDie akademische Literatur kennt die Forschung über Vertrauensgüter hauptsächlich in Form von Experimenten, aus denen allgemeingültige Erkenntnisse gewonnen werden sollen. Das Flossbach von Storch Research Institute hat die Möglichkeit genutzt, Vertriebspartner der Flossbach von Storch AG zu befragen und so die eigene Lageeinschätzung von Finanzberatern zu erhalten. Eine Umfrage kann die Perspektive der Forschung erweitern, indem sie die Protagonisten selbst zu Wort kommen lässt. 1 716 Berater, sowohl unabhängige Finanzberater als auch angestellte Bankberater, haben an unserer Umfrage teilgenommen.Ein Ergebnis, das bei der Analyse ins Auge sticht, ist die Eindeutigkeit der Aussagen. Bei nahezu allen Fragen zeigt sich eine dominante Antwort. Das lässt darauf schließen, dass es eine weitgehend gleiche Wahrnehmung der eigenen Situation gibt. Darauf aufbauend lassen sich auch gemeinsame Vorstellungen von geeigneten und nicht geeigneten Maßnahmen zur Vertrauensbildung ableiten. Es zeigt sich eine gemeinsame Wertgrundlage. Unter diesen Voraussetzungen ist eine Selbstorganisation in größerem Umfang möglich, als das bisher vom Gesetzgeber in Betracht gezogen wird.Drei zentrale Aussagen sollen im Folgenden dargestellt werden, die diese These untermauern. Erstens, der Mangel an Vertrauen hemmt die Anlage in Finanzwerte. Zweitens, staatliche Regulierung ist wenig vertrauenserweckend. Drittens, fachliche Mindeststandards und eine ethische Verpflichtung sind für die Vertrauensbildung gleichermaßen wichtig. Die Finanzberater sind sich einig, dass Vertrauen eine wesentliche Grundlage für ihren Beruf ist, weil die Kunden sich auf das Urteil des Beraters in ihrem Interesse verlassen. Ein Mangel an Vertrauen wirkt sich negativ auf die Geldanlage der Kunden, insbesondere auf ihre Einstellung zu riskanteren Anlagen wie Aktien aus. Die Notwendigkeit einer Vertrauensgrundlage ist in den letzten zehn Jahren wichtiger geworden. Gleichzeitig diagnostiziert eine große Mehrheit der Finanzberater ein zunehmendes Misstrauen seit der Finanzkrise gegen die Beratung, aber vor allem gegen die Finanzmärkte grundsätzlich. Überfrachtende Regulierung Staatliche Regulierung ist aus Sicht der Finanzberater bei der Vertrauensbildung nicht zielführend. Im Gegenteil, mit dem gesteigerten Anlegerschutz läuft der Gesetzgeber aus ihrer Sicht Gefahr, den Kunden mit Vorschriften zu überfrachten. Auch strengeren Haftungsregeln stehen die Berater neutral bis ablehnend gegenüber. Statt Vertrauen zu ermöglichen, haben einige Berater den Eindruck, dass ihre Vorgehensweise standardisiert wird. Auch dadurch kann die Vertrauensbeziehung zwischen Berater und Kunde geschädigt werden.In letzter Konsequenz bedeutet das, auch Regulierung kann dazu führen, dass sich Privatinvestoren vom Kapitalmarkt zurückziehen. An dieser Stelle könnte eingewendet werden, dass aus Eigeninteresse Haftung und Regulierung nicht gewollt sind. Dem ist entgegenzusetzen, dass insbesondere gute Berater ein großes Interesse haben, dass der Markt funktioniert. Wird mit zu vielen Zitronen gehandelt, kann der Markt schlimmstenfalls sogar vollständig zusammenbrechen, weil sich Qualität nicht mehr lohnt. Das beschrieb der Nobelpreisträger Georg Akerlof in seinem bahnbrechenden Aufsatz “The Market for Lemons” vor etwa 50 Jahren. Nicht haftbarErschwerend kommt hinzu, dass ein Finanzberater in sehr vielen Fällen aufgrund der Natur der Sache nicht haftbar gemacht werden kann. Der Anlageerfolg seiner Empfehlungen hängt oft von den unvorhersehbaren Entwicklungen auf dem Finanzmarkt ab und kann gegebenenfalls gar nicht ihm zugerechnet werden. Zwei Lösungswege Zwei gleichzeitig ausgesendete und glaubwürdige Signale könnten aus der Sicht der Berater einen vielversprechenden Weg für mehr Vertrauen in die Finanzberatung aufzeigen. Zum einen demonstrieren fachliche Mindeststandards, dass der Berater grundsätzlich in der Lage ist, den Anlagebedarf richtig zu diagnostizieren und entsprechende Anlagelösungen zu präsentieren. Zum anderen könnte ein ethisches Zertifikat überzeugen, dass dieses Wissen auch tatsächlich im konkreten Fall ausschließlich im Interesse des Kunden eingesetzt wird. Beide Aspekte sind wichtig.Fazit: Haftung und Regulierung sind nicht grundsätzlich abzulehnen. Beides kann aus Sicht der Berater bei heutigem Stand allerdings kein zusätzliches Vertrauen schaffen, sondern eher behindern. Die Finanzberater sind sich der Wichtigkeit des Vertrauens sehr bewusst. Es wird in Zukunft maßgeblich für ihren eigenen Erfolg und den der Sparer verantwortlich sein. Vertrauen wir ihnen mehr! Marius Kleinheyer, Research Analyst Flossbach von Storch