"Verwendung öffentlicher Mittel ausgeschlossen"

EU-Regulierung und Brexit beschäftigen die Clearingbranche - Deutsche Börse weist Kritik zurück

"Verwendung öffentlicher Mittel ausgeschlossen"

dm Frankfurt – Hohe Nachschussforderungen von Clearinghäusern nach dem Brexit-Votum haben in der Finanzbranche Diskussionen ausgelöst. Zugleich arbeitet die Europäische Union an einem Gesetz zur Abwicklung und Sanierung von zentralen Kontrahenten (CCP). Der Vorschlag, der nächste Woche publiziert werden soll, will eine Regulierungslücke schließen (vgl. BZ vom 6. Oktober). Durch ausgeweitete Clearing- und Hinterlegungspflichten für Derivate steigt die Bedeutung der CCP.Bei starken Marktschwankungen, so befürchten einige Marktakteure, könnte der Abruf zusätzlicher hoher Einschüsse die Stabilität der Clearing-Teilnehmer und damit auch des CCP und des Finanzsystems gefährden. Laut dem Risikomagazin Risk.net haben die Nachschussforderungen am Tag nach dem Brexit-Votum (24. Juni) schätzungsweise rund 23 Mrd. Euro bis 36 Mrd. Euro betragen. Insbesondere ein rigider Nachschussmechanismus beim Londoner Clearinghaus LCH wurde im Markt kritisiert. Dass der Brexit trotz hoher Margin-Calls gut abgefedert werden konnte, dürfte an der flexibleren Handhabung der Nachschusspflichten bei den Clearinghäusern CME und Eurex gelegen haben, so Risk.net. In Europa müssen CCP “prozyklische Effekte” von Margin-Calls berücksichtigen. Die Anbieter seien “bereit für Armageddon”, twitterte der Europäische Clearinghäuser-Verband (EACH) im Oktober. “Hohe Anforderungen”Torsten Schaper, Head of Regulatory Analysis der Deutschen Börse, sagte vergangene Woche in Frankfurt, die Sicherheitsmechanismen der Börse, darunter Volatilitätsunterbrechungen, hätten nach dem Brexit sehr gut funktioniert. Clearinghäuser würden zudem “kein eigenes Risiko erzeugen”, sagte er zur Börsen-Zeitung. Der Begriff des “Too big to fail” sei nicht angebracht; ein Clearinghaus sei nicht mit einer Bank zu vergleichen. Durch ein Sicherheitsnetz (vgl. Text links) sei bereits eine “umfangreiche Risikovorsorge” getroffen worden, in der durch Eigenverpflichtungen des Clearinghauses eine “sinnvolle Anreizstruktur” bestehe, Risiken zu minimieren. So finde in einem Krisenfall die Verlustverteilung zwischen Teilnehmern des Finanzmarktes statt, die “Verwendung öffentlicher Mittel” sei ausgeschlossen. Der Regulierungsexperte verwies darauf, dass bei der Pleite der US-Investmentbank Lehman von fünf abrufbaren Risikopuffern nur einer zum Einsatz gekommen sei. Er wies Aussagen in einer Studie des House of Finance zu Systemrisiken von Clearinghäusern zurück, wonach die Gefahr bestehe, dass Clearinghäuser sich aufgrund der Natur ihres Geschäftsmodells in einen potenziell schädlichen Wettbewerb um geringere Sicherheitsleistungen begeben könnten (vgl. BZ vom 19. September). “Hohe europäische Anforderungen an das Risikomanagement von Clearinghäusern schließen einen solchen ruinösen Wettbewerb aus.”Die laufende Regulierungsinitiative der EU sei eine wichtige Erweiterung der regulatorischen Anforderungen an Clearinghäuser und stelle so einen notwendigen Schritt zur weiteren Stabilisierung der Finanzmärkte dar, erklärte Schaper. Für kontraproduktiv hält er die Forderung mancher Marktteilnehmer, die Clearingpflicht in Stressphasen auszusetzen. Angezeigt sei aber, genauer zu erkunden, welche Effekte die Clearingpflicht bislang gebracht hat: “Hier ist wissenschaftliche Forschung nötig.”