„Viel Arbeit vor uns“
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Der Verband der Auslandsbanken in Deutschland spürt eine wachsende Relevanz. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung schreibt der neue, im Oktober angetretene Vorstandsvorsitzende Burkhard Kübel-Sorger den rund 200 Mitgliedsinstituten eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung des Klimawandels zu. „Die Realisierung der EU-Klimaziele wird ohne die Beteiligung von Auslandsbanken nur schwer, oder möglicherweise überhaupt nicht, gelingen“, erklärt der Finanzvorstand von J.P. Morgan SE, der frischgebackenen Europa-Einheit der US-Großbank. „Es wird ein starker und global integrierter Kapitalmarkt erforderlich sein, denn die europäischen Banken und der EU-Kapitalmarkt alleine sind nicht ausreichend stark genug, um die Finanzierung der ehrgeizigen Klimaziele der EU-Kommission sicherzustellen.“ Staaten und Banken allein würden die Agenda von Bundesregierung und EU nicht umsetzen können: „Das werden globale Player sein, die Risiken über 15 bis 20 Jahre und länger nehmen können.“ Für solche Investitionen müssten etwa große Pensionsfonds nicht nur aus der EU begeistert werden.
Ja zur Kapitalmarktunion
Kübel-Sorger bricht damit, wie zuvor schon mehrmals Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, eine Lanze für das Vorhaben einer Kapitalmarktunion. Die hat allerdings nicht nur in den Reihen der Manager von Großbanken ihre Verfechter. So bemängelte 2019 auch der damalige und später über den Wirecard-Skandal stürzende BaFin-Präsident Felix Hufeld, auf der Investorenseite sei Europa noch viel zu schwach: „Deutschland ist nicht nur großer Exporteur von schicken Autos, sondern exportiert auch große Mengen an Kapital. So kommt das Kapital durch angelsächsische Pensionsfonds und Assetmanager wieder zurück. Die investieren dann wiederum in unsere heimischen Kapitalmärkte, und wir wundern uns dann darüber, dass ausländische Investoren dominieren. Man muss nicht Nationalist sein, um das ein bisschen schräg zu finden.“
Angesichts der angestrebten Transformation der Wirtschaft blickt Kübel-Sorger der neuen Bundesregierung mit einem positiven Gefühl entgegen. „Ich glaube, dass die Bundesregierung auch weiterhin auf die Zusammenarbeit mit Banken setzen wird, denn ihre Klimaziele wird sie nur durch effektive öffentlich-private Partnerschaft erfolgreich umsetzen können.“
Für die Auslandsbanken und ihren Verband dürfte es damit abermals zu einer Aufwertung kommen, welche ihnen bereits der Brexit gebracht hat. Im Zuge des britischen EU-Austritts und der damit verbundenen Verlagerung von Aktivitäten nach Kontinentaleuropa sind im Bundesgebiet mächtige Broker-Dealer entstanden. So zählt sich die Ende Januar an den Start gegangene J.P. Morgan SE zu den fünf größten Bankeinheiten bundesweit sowie nach Bilanzsumme unter die Top 20 der von der Europäischen Zentralbank direkt beaufsichtigten Einheiten. Die Bilanzsumme des Vorgängerinstituts J.P. Morgan AG war bereits 2020 von 64 Mrd. auf 244 Mrd. Euro angeschwollen. Auch Citigroup und manches asiatische Haus haben aus demselben Grund in Deutschland an Gewicht zugelegt.
Verändert dies die Dynamik im Verband der Auslandsbanken (VAB), in welchem sich ja auch viele kleinere Adressen tummeln? Probleme könne es immer geben, räumt Kübel-Sorger ein. Ein Ungleichgewicht entstünde aber erst dann, wenn sich der Verband etwa überwiegend den Belangen der großen Institute widmen und die kleineren Häuser vernachlässigen würde. Dies würde der Verbandsvorstand indes spätestens auf der nächsten Mitgliederversammlung zu spüren bekommen. Tatsächlich aber sei etwa der Austausch der Referenten im Verband im Bereich des Mitglieder-Service mit kleineren Häusern enger als mit den größeren: „Da merken die Referenten des VAB, wo sie ihren Mehrwert schaffen“, sagt Kübel-Sorger. Als ein Vorteil für kleinere Häuser wirke es sich zudem aus, dass der Verband mit größeren Banken in seinen Reihen eher Gehör in der Aufsicht finde. Im zehnköpfigen Vorstand der Organisation finden sich neben dem J.P.-Morgan-Manager Repräsentanten von Société Générale, UBS, Crédit Agricole, SEB, Julius Bär, Standard Chartered, China Construction Bank, Nomura sowie Morgan Stanley.
Ressourcen sind gefordert
Gehör in der Aufsicht zu finden, ist zum Beispiel im Zuge der anstehenden ESG-Regulierung ein Imperativ: „Da haben wir als Branche und als VAB noch viel Arbeit vor uns“, erklärt Kübel-Sorger. Das Problem: Bei Umsetzung der Vielzahl an Regularien sehen sich viele Mitgliedsbanken in der misslichen Lage, als Schwanz mit dem Hund wackeln zu müssen. Europa ist in Sachen ESG anderen Regulierungsräumen nun einmal voraus. Da fällt es nicht jedem Statthalter einer Auslandsbank in Deutschland leicht, den Konzernsitz davon zu überzeugen, der Niederlassung oder Tochter in der Bundesrepublik die für die Umsetzung der Regulierung erforderlichen Ressourcen bereitzustellen. Der Verband helfe den jeweiligen Fachabteilungen, die Situation aufzuarbeiten, sagt Kübel-Sorger und räumt ein. „Manche haben die Bedeutung des Themas und das Engagement des VAB noch nicht verstanden; sie werden es aber in ein bis zwei Jahren zu schätzen wissen.“
Während große Häuser die Anforderungen vielfach bereits erfüllten, warte manches kleinere Haus erst einmal ab, wie seine Wettbewerber verfahren, und nehme vielleicht auch das Risiko in Kauf, nicht alle Anforderungen gleich von Beginn an zu erfüllen, zumal ESG-Regulierung nun einmal ein sehr bewegliches Ziel sei. Dies habe sich zuletzt etwa in einer Debatte mit der BaFin über die Umsetzung der Anforderungen der Finanzrichtlinie Mifid zur ESG-Anlageberatung gezeigt.
Auch gehe es darum, in der Aufsicht ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was die Umsetzung mit Blick auf die Erstellung eines Formblatts, auf den benötigten Data Feed, das Berichtswesen und die Validierung gerade für kleine Häuser bedeute. Kübel-Sorger: „Hier ist der Dialog das verbindende Glied zwischen Institut und Aufsicht.“ Konsequenzen hat die neue Struktur auch für das Verhältnis zum Bundesverband deutscher Banken (BdB), der Lobby des privaten Bankgewerbes: „Die Kooperation wird sicher enger werden müssen“, erklärt Kübel-Sorger. „Bis vor ein paar Jahren fanden sich im Auslandsbankenverband eher kleine Banken. Jetzt sind es teils sehr große Institute, die schon wegen der Einlagensicherung auch Mitglied im BdB sind. Daher ist auch mehr Abstimmung nötig.“ Auf Arbeitsebene kooperiere man sehr gut, heißt es im Verband. Frühere Gedankenspiele über eine engere Anbindung bis hin zu einer Fusion spielen für ihn keine Rolle: „Beide Verbände haben eine sehr unterschiedliche Stoßrichtung: Der BdB ist auf Grund seiner Größe eher geeignet, Lobbying bei den ‚Headline-Themen‘ zu betreiben. Der Auslandsbankenverband hat seine Rolle eher in der operativen Begleitung seiner Mitglieder“, erklärt er.
Die Folgen der Umsetzung des Regelpakets Basel III sieht der Verband zumindest mit Blick auf Drittstaaten-Niederlassungen entspannt. Im Herbst hat die EU-Kommission erstmals verpflichtende Vorgaben für sogenannte Drittstaaten-Zweigstellen vorsehen, also für die 106 EU-Zweigstellen von Banken außerhalb der Union, die Ende 2020 rund 510 Mrd. Euro an Aktiva auf sich vereinten. Im Zuge des Regelwerks müssen Banken ihre Lizenz nochmals beantragen. Die Umwandlung in eine Tochtergesellschaft, wie sie die Kommission für Niederlassungen mit einer Bilanzsumme ab 30 Mrd. Euro vorsieht, droht laut VAB indes keiner Mitgliedsbank. Laut Kommissionsentwurf dürfte dies EU-weit nur drei Instituten ins Haus stehen. Wie es im Markt heißt, handelt es sich vornehmlich um chinesische Banken mit großen Bilanzsummen und kleinen Niederlassungen in Luxemburg.
Im Interesse der Finanzstabilität begrüße es der Verband, wenn auf diese Weise Regulierungsarbitrage durch Vereinheitlichung unterbunden werde, sagt Kübel-Sorger. Ohnehin sei es eine Stärke Deutschlands, dass sein Aufsichtsrecht sehr verlässlich und transparent sei. Andererseits dürften solche Umwandlungen die Finanzierung für Firmen in der EU verteuern. Als problematischer betrachtet der Verband da schon Vorgaben zur sogenannten Reverse Solicitation, die es Zweigstellen von Auslandsbanken erschweren könnten, aktiv auf Kunden zuzugehen. Auch äußert Kübel-Sorger die Befürchtung, dass andere Rechtsräume, deren Regeln weniger streng sind, ebenfalls solche Vorgaben einführen könnten. „Das tut dem Markt, und vor allem aber unseren international tätigen Kunden, einfach nicht gut, wenn grenzüberschreitendes Geschäft erschwert ist“, sagt er.