„Vielen Firmen fehlt die Sichtbarkeit“
Von Christopher Kalbhenn,
Frankfurt
Die mit der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II einhergehenden Unbundling-Regeln haben zu tiefgreifenden Veränderungen im Aktienresearch geführt. Nach den Regeln dürfen Finanzdienstleister Research-Leistungen nicht mehr an Wertpapiertransaktionen koppeln, sondern müssen sie den Kunden separat in Rechnung stellen. Diese wiederum müssen sie separat bezahlen und dies eigens ausweisen. Ein tiefer Eingriff, der in mancherlei Hinsicht negative Folgen hat, aber auch Chancen für neue Research-Geschäftsmodelle eröffnet.
Ein solches hat die Hamburger Alster Research mit ihrem Research Hub gestartet. Geführt von den Vorständen Thomas Wissler und Oliver Wojahn, die von 2003 bis 2008 im Research der Berenberg Bank zusammengearbeitet haben, adressiert das Research-Haus abträgliche Folgen der Mifid-II-Reform. Wissler, der 2009 einer der Gründer von Hauck & Aufhäuser Institutional Research war und nach deren Veräußerung einen eigenen Fonds gründete, hat diese Folgen am eigenen Leib zu spüren bekommen. „Nach Inkrafttreten der Unbundling- Regeln wurden wir abrupt von institutionellem Research abgeschnitten“, so Wissler im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Diese Erfahrung hat zu der Idee geführt, ein eigenes Research aufzubauen.“ Alster Research habe kein eigenes Brokerage und somit auch keine Unbundling-Themen. „Dadurch haben wir eine größere Reichweite. Wir sind nicht auf Kunden beschränkt, die für unser Research bezahlen, sondern können alle professionellen und semiprofessionellen Anleger ansprechen.“
„Umsonst und digital“
Es gebe eine wachsende Schar an unabhängigen Vermögensverwaltern, Family Offices und vergleichbaren Investoren. „Sie können sich mit Assets under Management von beispielsweise 50 Mill. Euro kein teures Research leisten“, sagte Wissler. „Bei uns erhalten sie es umsonst und digital.“ Finanziert wird das Research durch Emittenten, die für ihre Coverage bezahlen. „Für die Emittenten ist eine große Reichweite attraktiv. Es ist für sie wichtig, nicht nur eine ausgewählte Kundengruppe einer Bank zu erreichen, sondern 2000 oder vielleicht auch 3000 Anlegeradressen.
„Vielen Firmen fehlt seit Mifid II die Sichtbarkeit bei einer großen Anzahl von Anlegern“, so Wojahn. „Denn die großen Häuser haben das Research vieler Firmen eingestellt. Vermehrt sind davon mittlerweile auch größere Unternehmen betroffen. Mit unserem Hub lösen wir beide Probleme, d.h., dass viele Investoren kein Research mehr erhalten und viele Unternehmen keine oder kaum noch Research-Coverage haben.“
Im Februar gestartet, werden auf dem Research Hub derzeit 33 Unternehmen gecovert. Die Anzahl soll Wissler zufolge bis Ende 2021 auf 50 bis 60 steigen. „Unser Ziel ist, die Anlaufstelle für deutsche und österreichische Aktien zu werden.“ Derzeit arbeiten sechs Analysten für Alster Research, weitere sollen eingestellt werden. „Wir wollen professionelles, anspruchsvolles Research anbieten“, so Wissler. Das gehe nur mit Qualität. „Unsere Analysten verfügen im Durchschnitt über deutlich mehr als zehn Jahre Berufserfahrung“, so Wojahn. „Unser mittelfristiges Ziel ist die Abdeckung von 200 deutschen Werten. Das Erreichen dieses Ziels bis Ende 2022 ist durchaus realistisch.“ Abgedeckt werden sollen Wojahn zufolge nicht nur Unternehmen, die dafür bezahlen: „Wir werden auch Unternehmen auswählen, die zwar nicht für das Research bezahlen, aber unserer Einschätzung nach für die Anleger interessant sind.“
Auf der Plattform finden Interessierte Einzelstudien. „Wir setzen nicht nur auf die traditionelle Versendung von PDFs“, so Wojahn. „Die PDFs gehen in der E-Mail-Flut oft unter.“ Außer dem Download würden zusätzliche Elemente angeboten, die nicht mit PDFs abbildbar seien, etwa Multiples, Swot-Analysen, Finanzdaten sowie Planzahlen. In PDFs seien Multiples festgeschrieben, sagt Wissler. „Auf unserem Hub können Anleger dagegen aktuelle Multiples in Echtzeit verfolgen.“ Es gebe viele weitere Elemente, so etwa einen Stock Screener, mit dem beispielsweise nach Unternehmen mit großem Umsatzanteil in China gesucht werden könne. Solche Daten könne man zwar auch bei den großen Finanzinformationsanbietern erhalten, aber eben nicht kostenlos.