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Vielversprechende 100-Tage-Bilanzen

Von Bernd Wittkowski, Frankfurt Börsen-Zeitung, 7.4.2018 Helmut Schleweis hat sich nicht um das Amt als Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) beworben. Das Amt sei vielmehr zu ihm gekommen, sagt er selbst. Und zwar durch...

Vielversprechende 100-Tage-Bilanzen

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtHelmut Schleweis hat sich nicht um das Amt als Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) beworben. Das Amt sei vielmehr zu ihm gekommen, sagt er selbst. Und zwar durch einstimmigen Vorschlag aus den unterschiedlichen Mitgliedergruppen des DSGV. Vorgänger Georg Fahrenschon hatte sein Amt im vergangenen November im Zuge einer bis heute nicht gänzlich aufgeklärten persönlichen Steueraffäre niedergelegt. Marija Kolak, die Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), hat sich auch nicht um das Amt beworben, man hat es ihr aber sehr gerne angetragen, und sie hat sich darüber ebenso gefreut wie Schleweis sich über seine Wahl. Nur war es im Fall der Nachfolgerin des als designierter Co-Chef (neben Cornelius Riese) zur DZ Bank gewechselten Uwe Fröhlich ein von langer Hand geplanter und strukturierter Prozess mit dementsprechend komfortabler Vorbereitungszeit für Kolak. Das große Stühlerücken an der Spitze der genossenschaftlichen Finanzgruppe und ihres Spitzeninstituts war schließlich schon im Juli 2017 beschlossen worden. Kein KaltstartKolak (47) und Schleweis (63) sind beide am 1. Januar angetreten und somit am Dienstag seit 100 Tagen in ihren hauptberuflichen Ämtern – wie übrigens auch die neuen Hauptgeschäftsführer des seit April 2016 von Hans-Walter Peters als ehrenamtlicher Präsident geführten Bundesverbandes deutscher Banken (BdB): Andreas Krautscheid und Christian Ossig. In der Sparkassen-Finanzgruppe mit ihrem Spitzenverband DSGV war es für Schleweis trotz des unvorhergesehenen Wechsels kein Kaltstart. Der Mann hat nicht nur seit der Ausbildung 45 Jahre bei der Sparkasse seiner Geburtsstadt Heidelberg gearbeitet, schon seit 1988 als Vorstandsmitglied und seit 2002 als Vorsitzender. Vor allem auch als langjähriger Bundesobmann der Sparkassenvorstände und einer von vier Vizepräsidenten des DSGV (jeweils seit 2010) sowie Gremienmitglied bei Berlin Hyp, DekaBank, Helaba, Landesbank Berlin oder Finanz Informatik, dem IT-Dienstleister des Verbundes, kennt er die Familie mit dem roten “S” in- und auswendig. Mehr noch: Er hat deren Entwicklung in den vergangenen Jahren maßgeblich mitgestaltet.Auch Kolak musste sich auf ihrem neuen Posten nicht großartig warmlaufen. Die Betriebswirtin ist seit 1998 Kreditgenossin mit Leib und ganz viel Seele, hat vielfältige praktische Erfahrungen in unterschiedlichsten Führungsaufgaben bei der Berliner Volksbank, zuletzt seit 2016 als Vorstandsmitglied, gesammelt und kennt auch den BVR aus ihren früheren Tätigkeiten etwa als Bereichsleiterin Marketing und Fachrats-Geschäftsführerin der Fachräte Markt und Produkte bestens von innen. Kolak, mit einem selbständigen Handwerker verheiratete Mutter von drei erwachsenen Töchtern, musste wegen ihrer beruflichen Veränderung also nicht einmal umziehen. Schleweis dagegen, dessen beide Kinder längst aus dem Haus sind, seine Ehefrau und ihr Labradoodle verlagerten ihren Wohnsitz binnen weniger Wochen von Heidelberg nach Berlin, praktischerweise in fußläufiger Distanz zum DSGV. Längst angekommenSoweit die neue Präsidentin und der neue Präsident eingedenk ihrer Vitae in den neuen Ämtern also überhaupt noch “ankommen” mussten, ist ihnen das längst gelungen. Zwar reichen drei Monate nicht ganz, um 915 Ortsbanken respektive 386 Sparkassen plus jeweiliger Verbundunternehmen und Regionalverbände einen Antrittsbesuch abzustatten. Doch die Vorstellungsrunden in der Politik, bei Regulatoren und Aufsichtsinstanzen von Berlin über Bonn und Frankfurt bis Brüssel sind absolviert. Und wo auch immer man sich umhört in den beiden dezentral aufgestellten Finanzgruppen, herrscht offenbar absolute Zufriedenheit mit dem neuen Spitzenpersonal. Nicht das leiseste Wörtchen der Kritik war in den traditionell nicht primär durch ein übertriebenes Harmoniebedürfnis auffallenden Verbünden bisher zu vernehmen, und das scheint nicht allein daran zu liegen, dass die 100-Tage-Schamfrist gerade erst zu Ende geht. Bei den Öffentlich-Rechtlichen sind im Nachhinein manche sogar froh über Fahrenschons “Riesendummheit” (so nannte er selbst die deutlich verspätete Abgabe seiner Steuererklärungen). Man habe ja nicht den schlechtesten Tausch an der Verbandsspitze gemacht. DekaBank 100, Raiffeisen 200In der Öffentlichkeit hatten Schleweis und Kolak bereits große und zum Teil sehr dankbare Auftritte. Zwei besondere Jubiläen sind hier vor allem in Erinnerung: 100 Jahre DekaBank feierten die Sparkässler, 200 Jahre Raiffeisen die Kreditgenossen, wobei sogar politische A-Prominenz wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beziehungsweise die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer ihre Aufwartung machten.Auch ihre ersten Jahrespressekonferenzen in Frankfurt haben Kolak und Schleweis gleichermaßen so souverän absolviert, als sei das für sie jahrelange Routine gewesen. Beiderseits erfreuliche Zahlen für das zurückliegende Geschäftsjahr erleichterten die Debüts natürlich. Äußerlich fiel ein Unterschied auf: Beim DSGV gab Schleweis praktisch den Alleinunterhalter, die auf dem Podium sitzenden Geschäftsführenden Vorstandsmitglieder Karl-Peter Schackmann-Fallis und Joachim Schmalzl kamen mit einer kleinen Ausnahme nicht zu Wort. Beim BVR dagegen teilte sich der Vorstand, dem außer Kolak die “alten Hasen” Gerhard Hofmann und Andreas Martin angehören, die Arbeit in den gewohnten Themenzuständigkeiten. Klare KanteDie aktuellen Themen, nicht nur auf den Pressekonferenzen und in den ersten Interviews, sind bei beiden Verbünden zum Großteil die gleichen: das Zinsumfeld, die Regulierung und nicht zuletzt die Digitalisierung. Während die Strukturen bei den Kreditgenossen jedenfalls im Oberbau, von Holdingüberlegungen einmal abgesehen, ihren vorläufigen Endzustand gefunden haben, kommt bei den Sparkassen das Strukturthema hinzu. Schleweis hatte schon als Bundesobmann deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht der Weg der Kräftebündelung beziehungsweise Konsolidierung unter den Landesbanken, öffentlichen Versicherern und Landesbausparkassen (LBS) “konsequent weitergegangen werden” müsse. Derweil finden Gespräche über weitere Fusionen auf Versicherer- wie auch auf LBS-Ebene statt.Ein großes gemeinsames Aufregerthema beider Verbünde sind die Pläne zur europäischen Vergemeinschaftung der Einlagensicherung. Dazu schrieben Schleweis und Kolak, kaum dass sie eine Woche im Amt waren, gleich mal einen gemeinsamen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie zeigten damit ebenso klare Kante, wie sie sich meinungsstark und dezidiert auch zu allen anderen die Kreditwirtschaft berührenden Themen äußern. Die Bilanz der ersten 100 Tage ist für beide so vorzeigbar wie vielversprechend.