"Vielversprechende Ansätze" in Berlin

Volks- und Raiffeisenbanken finden im Koalitionsvertrag aber auch Kritikwürdiges - Operativ gut behauptet - Fusionswelle rollt weiter

"Vielversprechende Ansätze" in Berlin

Konstruktiv-kritisch wollen die Volks- und Raiffeisenbanken die heute antretende neue Bundesregierung begleiten. BVR-Präsidentin Kolak wünscht Kanzlerin, Finanzminister & Co. alles Gute, findet aber nicht alles gut, was im Koalitionsvertrag steht. Gut liefen derweil die Geschäfte der Kreditgenossen im vorigen Jahr.ski Frankfurt – Die deutschen Volks- und Raiffeisenbanken erkennen Licht und Schatten im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Die Präsidentin ihres Bundesverbandes BVR, Marija Kolak, sagte am Tag vor dem Antritt der neuen Bundesregierung, die Vereinbarung zeige bereits vielversprechende Ansätze. “Die Regierung will eine differenzierte Finanzmarktregulierung, die dem Geschäftsmodell, der Größe und dem geringeren Risiko regionaler Banken gerecht wird.” Es sei richtig und gut, diese Banken, wie von den Kreditgenossenschaften lange gefordert, von Bürokratie und übertriebenem Meldeaufwand zu entlasten. Allerdings hoffe sie, “dass den Worten die entsprechenden Taten folgen”. Auf ihrer ersten Jahrespressekonferenz bekannte sich die seit zweieinhalb Monaten amtierende BVR-Präsidentin für die Genossenschaftsbanken “ganz klar zu Europa”. Gelder ohne Bedingungen an die EU zu geben, wie der Koalitionsvertrag dies ankündige, sei aber der falsche Weg. Mit dem Brexit werde die EU kleiner und sollte daher auch Ausgabensenkungen anstreben. Es sollte auch für die Politik selbstverständlich sein, immer erst Einsparpotenziale zu nutzen, bevor über neue Ressourcen beschlossen wird. Dem abgelaufenen Geschäftsjahr der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken, Sparda-Banken, PSD Banken und genossenschaftlichen Spezialinstitute gab Kolak das Prädikat “operativ gut behauptet”. Dank Kraftanstrengungen bei den Kosten und weiter signifikantem Geschäftswachstum sei es gelungen, das Betriebsergebnis nach Bewertung mit 7,3 Mrd. Euro auf dem Vorjahresniveau zu halten. Vorstandsmitglied Andreas Martin führte aus, dass die Zinspolitik der EZB in dem trotz kräftigen Kreditwachstums um 1,6 % verringerten Zinsüberschuss sichtbar werde. Doch konnte dieser Effekt durch das um gut 8 % deutlich ausgeweitete Provisionsergebnis überkompensiert werden. Reserven erheblich gestärktDas Bewertungsergebnis drehte im Vergleich zum Vorjahr leicht ins Negative (vgl. Tabelle), war damit aber laut BVR-Vorstandsmitglied Gerhard Hofmann weiterhin untypisch niedrig. Im Kreditgeschäft gab es durch Auflösung früher gebildeter Wertberichtigungen sogar Zuschreibungen von 131 (i. V. 17) Mill. Euro. Im Bewertungsergebnis ist auch eine Zuführung von knapp 70 Mill. Euro zu den § 340 f-Reserven enthalten.Der Löwenanteil der Reservenbildung entfällt auf den Fonds für allgemeine Bankrisiken (340 g) mit 3,6 (4,1) Mrd. Euro – in den vergangenen fünf Jahren wurde dieser Topf mit insgesamt 17 Mrd. Euro zusätzlich gefüllt. “Die Risiken der genossenschaftlichen Primärbanken sind gut beherrschbar. Risiko, Ertrag und Eigenkapital sind seit Jahren in guter Balance”, sagte Hofmann. Die Eigenmittel gemäß der europäischen Capital Requirements Regulation (CRR) seien um 5,3 % auf 86,5 Mrd. Euro gestiegen, die Kernkapitalquote um 0,4 Punkte auf 14,9 %. Unterm Strich steht ein erhöhter Jahresüberschuss.Unterdessen setzte sich der Strukturwandel der Kreditgenossenschaften fort. Durch Fusionen sank die Zahl der Ortsbanken im vom BVR vor Jahresfrist prognostizierten Ausmaß um 57 auf 915. Für dieses Jahr erwartet Kolak etwas weniger Zusammenschlüsse. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass bei vielen Instituten die Migration auf ein neues IT-System bevorsteht, was in beträchtlichem Umfang Kräfte bindet. Immerhin 47 weitere Fusionen wurden aber bereits beim IT-Dienstleister des Verbundes, Fiducia & GAD, angemeldet. Der Strukturwandel kommt auch in der Anpassung des Filialnetzes an das Kundenverhalten – 679 meist schwach frequentierte Bankstellen wurden 2017 aufgegeben – und im Abbau von weiteren mehr als 5 000 Arbeitsplätzen zum Ausdruck. Dies trug dazu bei, dass der Verwaltungsaufwand sogar leicht unter den Vorjahreswert gedrückt werden konnte. Einen stärkeren Rückgang verhinderte derweil die europäische Bankenabgabe, die bei den deutschen Kreditgenossenschaften mit 76 Mill. Euro zu Buche schlug. Keine DirektbankDie Herausforderung der Gruppe mit 18,5 Millionen Mitgliedern und mehr als 30 Millionen Kunden sieht Kolak darin, aus der – ablesbar an gerade auch im langfristigen Vergleich gestiegenen Marktanteilen – guten Marktposition in einer digitalisierten Umgebung noch mehr zu machen. Auch im Konzept der Omnikanalbank mit integrierten Zugangswegen von der Filiale bis zur App sei Grundlage aber immer das dezentrale genossenschaftliche Geschäftsmodell der selbständigen Ortsbank. “Eine genossenschaftliche Direktbank wird es nicht geben”, versicherte sie. Sehr wohl aber eine Reihe technischer Innovationen. So seien die Genossenschaftsbanken die erste Institutsgruppe in Deutschland, die sämtliche ihrer Kartenprodukte über die Banking-App auf dem Smartphone digitalisiert. In Zukunft würden auch Wearables wie Armbanduhren mit der digitalen Girocard ausgestattet. Das Versenden von Geld per Smartphone funktioniert laut Martin inzwischen auch zwischen Kunden der Kreditgenossenschaften und der Sparkassen, die ein vergleichbares Verfahren nutzen.