Vier machen den Weg frei
Von Thomas Spengler, Stuttgart
Nein, bei der Namensfindung der neuen Bank habe man sich nicht an einer Popband aus dem schwäbischen Bietigheim-Bissingen orientiert, sondern allein am genossenschaftlichen Gedanken, versichert der designierte Vorstandsvorsitzende, Matthias Hümpfner, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
„Volksbank pur eG“ heißt das Institut mit Sitz in Karlsruhe, das sich gerade zur größten Volksbank Baden-Württembergs und zur Nummer acht im Bund formiert. „Die Größe der Bank bildet dabei die Grundlage für die Sicherung der Regionalität“, lautet das Credo des 46-Jährigen, der zum 1. Juli zunächst den Vorstandsvorsitz der Volksbank Karlsruhe Baden-Baden von Andreas Lorenz übernommen hat, dann im Oktober den Chefsessel der vereinigten Gesamtbank.
Viererfusion auf Raten
Nachdem die Volksbank Karlsruhe Baden-Baden dabei war, die VR Bank Enz plus im badischen Remchingen zu übernehmen, sprang auch die Volksbank Pforzheim auf den Fusionszug auf. Und weil erst im Vorjahr die Volksbank Karlsruhe die Volksbank Baden-Baden rückwirkend zum 1. Januar 2021 übernommen hatte, kann man auch von einer Viererfusion auf Raten sprechen. Rechtskräftig wird die Verschmelzung der drei Institute mit der Eintragung ins Genossenschaftsregister voraussichtlich Anfang Oktober, die technische Zusammenführung, in deren Rahmen auch das IBAN-System angepasst wird, ist für Mitte Oktober vorgesehen. Bilanziell erfolgt die Fusion rückwirkend zum 1. Januar 2022. Damit entsteht ein neues Schwergewicht im Lager der Kreditgenossen, das eine aggregierte Bilanzsumme von nahezu 12 Mrd. Euro auf die Waage bringt.
Auf der neuen Größe der Volksbank pur basiert auch die strategische Ausrichtung, die Hümpfner der Gesamtbank verpassen will – und zwar in zweierlei Hinsicht. Zunächst emanzipiert sich die neue Bank ein Stück weit von ihrem Zentralinstitut, weil man durch die gewonnene Größe auch die Kreditwünsche der größeren Mittelständler in der Region alleine erfüllen wird können – eben ohne DZ Bank.
Gleichzeitig will Hümpfner, der selbst lange Jahre für die DZ Bank tätig war, die Produktkompetenz vom Auslandsgeschäft über das Förderkreditgeschäft bis zu anspruchsvollen Projektfinanzierungsgeschäft in der Bank weiter ausbauen – womit natürlich auch die vollen Margen im Haus bleiben können. Indem die Volksbank pur künftig in der Lage ist, einen wachsenden Kundenstamm zu akquirieren, so das Kalkül, erschließen sich daraus auch zusätzliche, neue Geschäftsgebiete, bei der die neue Bank auf die Zusammenarbeit mit der DZ Bank setzt – etwa in den Bereichen der strukturierten Finanzierung oder im Risikomanagement.
Der Vorstandschef in spe will damit das schließen, was man im Bankenbereich auch gerne als Mittelstandslücke bezeichnet. Wie er sagt, sind es oft die Volks- und Raiffeisenbanken, die Existenzgründern auf die Beine helfen. Doch wachsen die Unternehmen dann in neue Dimensionen mit zweistelligen Umsatzmillionen, inklusive Auslandsgeschäft, drohen kleinere Hausbanken schnell einen Kompetenzverlust zu erleiden. „Über die Größe der neuen Bank stärken wir die Kompetenz-Vermutung im Mittelstandsgeschäft“, macht Hümpfner klar. Die neu gewonnene Stärke zeigt sich auch in aggregierten Eigenmitteln von 1 Mrd. Euro. In einer Bank von der Größenordnung der Volksbank pur kann sich der Vorstand persönlich um große mittelständische Firmenkunden kümmern. „Der Unternehmer spricht dann mit uns als Entscheider – und das schätzen die Kunden“, so Hümpfner.
Größe ist kein Selbstzweck
Zwar ist für ihn Größe kein Selbstzweck. „Aber wenn Größe dazu beiträgt, Synergien zu heben, Effizienzgewinne zu realisieren und damit die Leistungsfähigkeit einer Genossenschaftsbank dauerhaft zu sichern“, so sein Credo, „dann macht Größe Sinn.“ Doch nicht nur Synergien seien entscheidend – „Wir brauchen eine hohe Investitionsfähigkeit, um neben der Pflicht zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen, die mit hohen IT-Investitionen verbunden ist, auch die Kür erfüllen zu können“, sagt Hümpfner mit Blick auf die Entwicklung von digitalen Angeboten sowie nachhaltiger, regionaler Lösungen für die Kunden. Auf diese Weise sollen Freiräume für die Mitarbeiter entstehen, in denen sie sich den Kunden widmen können. Die Größe der Bank gilt ihm dabei als eine Voraussetzung für den Erhalt und Ausbau von Regionalität. Die definiert er weniger über die Anzahl der Filialen oder Geldautomaten, sondern viel mehr über die „Menschen vor Ort“. Damit meint der Chef in spe die 1400 Mitarbeiter, die die künftige Bank zählen wird und denen zugesagt wurde, dass es fusionsbedingt keine Kündigungen geben werde.
Daneben forciert Hümpfner den Ausbau des Beiratswesens sowie Strukturen, die den Mitgliedern eine Mitgestaltung vor Ort ermöglichen sollen – Maßnahmen, denen er strategische Bedeutung zumisst, sollen doch auf diese Weise die Wünsche der Kunden direkter in die Geschäftspolitik einfließen. Damit greife man gesellschaftliche Trends wie Mitbestimmung, Transparenz und Nachhaltigkeit auf, sagt er. Darüber hinaus gelte es, junge Kunden über deren Kanäle und in deren Jargon anzusprechen. Regionalität zeigt sich auch im Aufsichtsrat der neuen Bank, der mit 33 Mitgliedern etwas aufgebläht wirkt.
Nummer 2 im Ländle
An Geschäftsvolumen in die Bankenehe bringen die Volksbank Karlsruhe Baden-Baden 7,10 Mrd. Euro, die VR Bank Enz plus 1,57 Mrd. Euro und die Volksbank Pforzheim 3,20 Mrd. Euro ein. Daraus ergibt sich eine aggregierte Größe per Ende 2021 von 11,91 Mrd. Euro. Einzig die ebenfalls genossenschaftlich organisierte BBBank in Karlsruhe liegt in Baden-Württemberg mit einem Geschäftsvolumen von 15,73 Mrd. Euro (2021) vor der Volksbank pur. Da das Marktgebiet des neu formierten Instituts künftig einen Ring um das Revier der Volksbank Ettlingen bildet, könnte diese unter einen gewissen Anschlussdruck geraten.
Mit Blick auf die Geschäftsentwicklung im laufenden Jahr geht Hümpfner für die fusionierte Bank von einem Wachstum in der Größenordnung von 3 bis 4% aus. Aufgrund des aktuellen Umfelds sei aber eine verlässliche Prognose bis Jahresende nur schwer möglich. Trotz einer auf 3,00% gestiegenen Verzinsung von Baukrediten sieht Hümpfner keine Gefahr für Kunden mit auslaufender Zinsbindung, da sich im Vergleich zur Ursprungsfinanzierung keine erhöhte Zinslast ergebe.
Angesichts der Kombination von steigenden Zinsen und stark gestiegenen Baukosten werde es aber Fälle geben, in denen mancher Privatkunde seinen Bauwunsch nicht wird realisieren können. So erwartet Hümpfner sowohl bei Privat- als auch Firmenkunden für das laufende Jahr keine großen Kreditausfälle. Viele Firmen könnten vielmehr ihre vollen Auftragsbücher kaum abarbeiten, was freilich weniger am Krieg in der Ukraine liege, als an der Knappheit von Material und besonders auch qualifiziertem Personal.