LEITARTIKEL

Vom Coin zum digitalen Geld

Europas Finanzwirtschaft befindet sich bei der Entwicklung der systemischen Infrastruktur in einem globalen Innovationswettbewerb mit amerikanischen und asiatischen Systemen - und sieht dabei im Zahlungsverkehr alt aus. Inhärente Schwächen bei der...

Vom Coin zum digitalen Geld

Europas Finanzwirtschaft befindet sich bei der Entwicklung der systemischen Infrastruktur in einem globalen Innovationswettbewerb mit amerikanischen und asiatischen Systemen – und sieht dabei im Zahlungsverkehr alt aus. Inhärente Schwächen bei der Verhinderung von Geldwäsche sowie ein Mangel an grenzüberschreitenden Payment-Funktionen innerhalb der EU lassen selbst die Notenbanken eine Fragmentierung des Zahlungsverkehrs beklagen. Ein rapider Ausbau von Sofortüberweisungen (Instant Payments) soll es richten, was bei Banken und anderen Dienstleistern bislang aber nur auf lauwarmes Interesse trifft. Instant Payments sind zunächst nur für den Interbankenmarkt konzipiert. Außerdem könnten bestehende SEPA-Systeme kannibalisiert werden.Ein technologischer Sprung wäre derweil digitales Zentralbankengeld, also ein Coin oder Token, der von der Notenbank ausgegeben wird und als E-Money fungieren kann. Damit könnte er dann als gesetzliches Zahlungsmittel-Äquivalent ohne Intermediäre von Konto zu Konto transferiert werden, auch über eine Blockchain als digitales Register. Eine erste Lizenz für solches E-Money wurde vergangene Woche an die isländische Monerium vergeben, die ab Oktober die isländische Krone EU-weit als digitales Zahlungsmittel einsetzen will – sofern sich dafür Akzeptanz findet.Doch das sind kleine Fische. Weitaus größer ist das Konzept, das ein Dutzend Großbanken über die Betreiberfirma Fnality mit dem Utility Settlement Coin (USC) verfolgt. Es geht um das beschleunigte finale Settlement einer Geldtransaktion unter Einbindung von Notenbankenkonten, was Währungsrisiken ausschaltet und das Stellen von Sicherheiten reduziert. Jeder USC-Coin wäre mit einer Währungsreserve (Dollar, Euro, Yen) gedeckt, das Coin-Management muss nicht zwangsweise über eine Blockchain erfolgen, kann es aber. Während dieser Wholesale Coin den Maschinenraum des Kapitalmarktes adressiert, zielen andere Entwürfe von Stablecoins auf den Endkundenmarkt, wie etwa Facebooks jüngste Initiative zeigt. Bei Notenbankern wie François Villeroy de Galhau ist die Botschaft angekommen. Sie wollen verlässlich gedeckte Digitalwährungen erkunden, könnten diese doch im Finanzsystem eine Funktion übernehmen. Leider hat sich Bundesbankchef Jens Weidmann in diesem Zusammenhang unlängst skeptisch geäußert und die Risiken einer Einführung von digitalem Zentralbankgeld betont – statt die Chancen herauszustellen. Dabei muss Weidmann zugutegehalten werden, dass er die Ausgestaltung des digitalen Zentralbankgeldes adressiert, bei der in der Tat Umsetzungsrisiken zu finden sind: Ein Retail Coin, der Bargeld als Zahlungsmittel ersetzt, könnte Geschäftsbanken hier überflüssig machen, aber im Krisenfall einen Bank Run auslösen, da sich elektronisches Geld leicht abziehen ließe. Daher geht von solchem digitalen Zentralbankgeld eine Gefahr für die Finanzstabilität aus, die sich mit einem ausgebufftem Regelwerk aber vielleicht steuern ließe.Als Beispiel lässt sich die Konsultation der schwedischen Notenbank zur Einführung einer E-Krona anführen. Emittiert werden soll ein Coin, der ausschließlich als Prepaid-Guthaben verwendet wird. Das wäre überschaubar und trägt dem Umstand Rechnung, dass in Schweden vor Jahren eine Sondersituation geschaffen wurde, indem den Banken der Zahlungsverkehr komplett überlassen wurde – was Notenbank und Parlament heute bereuen, ist die Bargeldverfügbarkeit inzwischen doch gefährdet. Mit der E-Krona würde die Notenbank wieder Kontrolle im elektronischen Zahlungsverkehr gewinnen, und zudem würden Erfahrungen mit Payment-Token gewonnen.——Von Björn GodenrathDie Tokenisierung von Euro oder Dollar ermöglicht gedecktes digitales Zentralbankgeld. “Cash on Ledger” könnte viele Probleme lösen.——