Von der Klassik zur Moderne
Im Kampf gegen Geldwäsche bekommen es Banken und Behörden mit den unterschiedlichsten Methoden zu tun, kriminell erwirtschaftetes Geld in den legalen Wirtschaftskreislauf zu bringen. Die Spielarten reichen von klassisch bis modern. Schwer im Trend liegen derzeit dunkle Geschäfte mit Geschenkkarten.Von Bernd Neubacher, FrankfurtIn der Geldwäsche gilt wie in Kunst und Kultur: Fantasie und Kreativität sind keinerlei Grenzen gesetzt. Dabei lassen sich die Akteure wie etwa in der Musik und in der Bildenden Kunst grundsätzlich zwei Richtungen zuordnen: Klassik und Moderne. Zum Klassiker hat sich neben Handwerk und Gastronomie längst der Immobilienmarkt entwickelt. Im großen Stil kaufen Kriminelle in der Bundesrepublik Immobilien, um auf diese Weise Geld zu legalisieren. Erstehen sie verfallene Objekte und zahlen die nötige Sanierung bar, lassen sich die Aktivitäten auf dem Immobilienmarkt mit dem Handwerk verbinden. Der Reiz: Für Bargeldzahlungen gibt es hierzulande per se keine Höchstgrenze. Zudem gilt es als ein Leichtes, die Identität des Eigentümers einer Immobilie mit Hilfe in- und ausländischer juristischer Personen zu verschleiern. Für ihr Geld bekommen deren Wäscher solide Werte in guten Lagen in einem seit Jahren boomenden Markt. “Immobilien tragen ein hohes Risiko für Geldwäsche in sich”, ist im Jahresbericht der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit/FIU) zu lesen.Generell sei der Erwerb hochwertiger Güter durch den Einsatz hoher Bargeldbeträge geprägt, was eine anonyme Platzierung großer Summen erleichtere. Zudem ermöglichten häufig undurchsichtige Märkte die Integration inkriminierter Gelder in den legalen Wirtschaftskreislauf, heißt es dort weiter mit Blick auch auf den Kauf von Kraftfahrzeugen, Kunst, Antiquitäten sowie andere Luxuswaren.Neben solchen Transaktionen mit hohen Volumina existiert im klassischen Feld der Geldwäsche eine große Bandbreite an Aktivitäten, bei denen deutlich kleinere Summen umlaufen, sozusagen das Retail-Geschäft. Häufig geht dabei wenig ohne sogenannte “Money Mules”: Geldesel, die sich für das Delikt hergeben. Kriminelle suchen sie über Zeitungsinserate, Online-Plattformen sowie Social Media und locken dabei mit hohen Provisionen für geringen Arbeitsaufwand, um die Bankkonten der “Money Mules” für den Transfer von Geld, das etwa durch Internetkriminalität, durch Drogen- oder Menschenhandel erwirtschaftet wurde, zu nutzen. Aufgabe der Geldesel ist es allein, Beträge auf ihrem Bankkonto zu empfangen, abzuheben und bar per Post oder mit Hilfe eines Geldtransfer-Dienstes ins Ausland weiterzuleiten, vermehrt auch nach einem Tausch in eine Kryptowährung. Vom Agenten zum ManagerEine Variante des Jobs als Geldesel ist die Funktion als Paketagent, wahlweise “Warenmanager” oder “Postdienstleister”: Der nimmt Pakete mit Ware, die etwa mit falschen Identitäten oder widerrechtlich erlangten Kreditkarten bestellt wurde, an, etikettiert sie neu, versendet sie an vom Auftraggeber übermittelte Adressen und kassiert dafür eine Vergütung.Originärer Schauplatz für diverse Stile der Geldwäsche ist der Finanzsektor, konkret das Kreditgeschäft, in dem Fachleute immer neue Varianten beobachten, die ungeübte Kontrolleure leicht überfordern: Wer kommt denn, wenn ein Schuldner ausfällt und dessen Bürge einspringt, schon auf den Gedanken, dass dies nur ein von langer Hand geplantes Manöver ist, um kriminell erwirtschaftetes Geld in den Kreislauf zu geben?Nur scheinbar weniger einvernehmlich geht es zu, wenn die Akteure die Geldwäsche mit einem gerichtlichen Vollstreckungstitel ausstatten lassen. Dazu muss Täter A gegen Täter B, einen vermeintlich säumigen Schuldner, bloß ein gerichtliches Mahnverfahren durchfechten, das die Gegenpartei brav über sich ergehen lässt. Wie Christof Schulte, Leiter der beim Zoll angesiedelten Financial Intelligence Unit (FIU), Deutschlands Zentralstelle zur Prävention und Bekämpfung von Geldwäsche, im Interview der Börsen-Zeitung berichtet hat, bieten auch versteckte Provisionen im Vertrieb von Versicherungen ein Einfallstor. Reine VertrauenssacheSchon seit längerem ein Dorn im Auge ist der Aufsicht nicht nur unter Geldwäsche-Aspekten Hawala. Das weltweit verbreitete, informelle Zahlungssystem, dessen Wurzeln in die frühmittelalterliche Handelsgesellschaft des Vorderen und Mittleren Orients zurückgehen, basiert auf Vertrauen gegenüber dem Mittelsmann und läuft vollkommen abseits des Zugriffs durch Aufsichts-, Steuer- und Ordnungsbehörden. Der Zahlungspflichtige vertraut einem “Hawaladar” den zu zahlenden Betrag schlicht bar an. Ein anderer Mittelsmann am Aufenthaltsort des Empfängers zahlt das Geld ohne jeden Beleg aus und verrechnet seine Forderung gegenüber seinem Kollegen später im Zuge anderer Geschäfte. Als Identitätsnachweis gegenüber dem Hawaladar gilt ein vorab vereinbarter Code. Die Kommission beläuft sich dabei auf 0,25 % bis 1,25 % der transferierten Summe.In Deutschland machen sich Hawaladare gemäß §54 Kreditwesengesetz strafbar, da sie ohne Erlaubnis Zahlungsverkehrsdienste erbringen. Hinzu kommen Verstöße gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz, nicht zuletzt das Geldwäschegesetz sowie, gegebenenfalls, das Außenwirtschaftsgesetz und gewerbsmäßige Steuerhinterziehung. Kleine Geschenke . . .Der neueste Schrei allerdings, gleichsam die Avantgarde, sind Prepaid-Geschenkkarten. Zwar hat die 5. Geldwäsche-Richtlinie der EU den Missbrauch solcher Zahlungsmittel etwa durch Reduktion des damit bereitgestellten Maximalbetrags eingeschränkt. Die Restriktionen aber gelten nur für breit einsetzbares Plastik, nicht für Exemplare, die nur im begrenzten Netz eines Dienstleisters oder nur für eine begrenzte Auswahl an Waren verwendbar sind. Wie einer Präsentation des bei der European Banking Authority (EBA) angesiedelten SCT Inst. Migration Action Round Table (SMART2) zu entnehmen ist, müssen diese Karten nicht der Zahlungsdiensterichtline PSD2 oder der E-Money-Richtlinie entsprechen, da sie für einen geschlossenen Kreislauf bestimmt sind. Ihr Emittent ist mit Blick auf die Kunden zudem erst zu Due-Diligence-Maßnahmen verpflichtet, wenn dieser Gutscheine für mehr als 10 000 Euro bar kauft. Verfolgung unmöglichDie Karten eignen sich hervorragend für kriminelle Geschäfte, da sie anonyme Zahlungen ermöglichen. Nach Wandlung kriminellen Gelds in Kunststoff sei es unmöglich, den Weg zurückzuverfolgen und Beträge etwa im Namen von Betrugsopfern, auf deren Konto zugegriffen wurde, zurückzufordern, beklagt der Round Table in seiner Präsentation namens “Geschenkkarten: ein Geschenk für Betrüger?”. Wer eine solche Karte online kauft, muss in der Regel nur eine E-Mail-Adresse oder ein Social-Media-Profil hinterlassen. Nach der Registrierung lädt man etwa über ein Online-Konto Geld auf die Karte – die Beträge reichen in der Regel von 50 bis 1 000 Euro. Da sie nicht an eine Person gebunden sind und leicht weitergegeben werden können, funktionieren die Karten im eng abgesteckten Bereich ihrer Gültigkeit wie Bargeld.Über Wiederverkaufsseiten im Netz lassen sie sich zudem mit geringem Verlust verkaufen. Einige Anbieter ermöglichen gar den Umtausch von Karten zurück in Geld. Und meist halten Emittenten kein Verfahren vor, das es Dritten ermöglichen würden, sie über Missbrauch der Karten zu informieren.Kriminellen dient dieses Zahlungsmittel als Vehikel, von ihren Opfern Geld zu erhalten, ebenso aber, um die auf betrügerischem Weg erbeuteten Mittel anschließend zu Barem zu machen. Nicht zuletzt vermögen Geldwäscher in diesen Karten, die laut EBA die Anonymität von Bargeld mit den Vorzügen einer Tokenisierung verbinden, relativ hohe Beträge zu transportieren. Weil eine Person mit einer solchen Karte zahlen darf, ohne in deren physischem Besitz zu sein, kann “ein einzelnes Daten-File viele Tausend Nummern für Closed-End-Karten mit ihren entsprechenden Ablaufdaten enthalten, die leicht überall auf dem Globus eingesetzt werden können”, hält der Round Table SMART2 fest. Und da etwa über ein gekapertes Konto oder mit Hilfe gestohlener Kreditkartendaten jegliche Zahl von Geschenkkarten weltweit gekauft werden kann, sinkt auch der Bedarf an Money Mules und damit Mitwissern, die auffliegen könnten. Closed-End-Geschenkkarten: ein Geschenk für Geldwäscher. Bei all dem bewegen sich Täter in einem boomenden Markt. 2019 erreichte der globale Markt für Geschenkkarten ein Volumen von 620 Mrd. Dollar. Bis 2027 dürfte er bei Wachstumsraten von gut 15 % bis auf knapp 2 Bill. Dollar anschwellen, wie die EBA vorrechnet. Romantik purWie unterdessen der Bankenverband im Verein mit seinem europäischen Pendant EBF sowie Europol warnt, machen sich Geldwäscher neben dem Geschäft mit kleinen Geschenken auch die ganz großen Gefühle zunutze. Etwa, indem sie die Funktion des Geldesels mit Erpressung zu verbinden: “Jemand, den Sie kürzlich online kennengelernt haben, täuscht starke Gefühle für Sie vor und bittet um private Gespräche”, beschreiben sie in einem Aufruf den “Romance Scam”: “Möglicherweise werden Sie gebeten, intime Bilder oder Videos von sich zu senden. Zuerst gewinnen sie Ihr Vertrauen. Dann fragen sie Sie nach Geld, Geschenken oder Ihren Bank-/Kreditkartendaten. Wenn Sie das Geld nicht überweisen, versuchen sie Sie zu erpressen. Wenn Sie es überweisen, werden sie mehr verlangen.” Ihr Appell: “Überweisen Sie kein Geld für andere: Geldwäsche ist eine Straftat.” Bisher erschienen: Interview mit FIU-Leiter Christof Schulte (23. Dezember) Willkommen im Dunkelfeld (22. Dezember)