KOMMENTAR

Von Nullzinsen und Regulierung getrieben

"Garmisch" ist in Sichtweite. "Garmisch" ist die Chiffre für ein wegweisendes Strukturprojekt, das die Volks- und Raiffeisenbanken im November 1999 auf einer Mitgliederversammlung in Garmisch-Partenkirchen mit einer Mehrheit von über 90 %...

Von Nullzinsen und Regulierung getrieben

“Garmisch” ist in Sichtweite. “Garmisch” ist die Chiffre für ein wegweisendes Strukturprojekt, das die Volks- und Raiffeisenbanken im November 1999 auf einer Mitgliederversammlung in Garmisch-Partenkirchen mit einer Mehrheit von über 90 % beschlossen haben. Unter dem Motto “Ein Markt – eine Bank” sollte, basierend auf einer Studie des Beratungshauses A.T. Kearney, die Zahl der damals rund 2 050 genossenschaftlichen Primärbanken binnen zehn Jahren auf 800 sinken. Nach heftiger interner Diskussion wurde daraus keine festgeschriebene Zielvorgabe (entschieden wird ja ohnehin vor Ort), sondern eine “Prognose”, aber die Richtung war klar. Damals gab es übrigens mehr als 200 Fusionen pro Jahr.Dem Plan zur Bündelung der Kräfte auch auf der Ortsebene hinkt die Finanzgruppe zeitlich etwas hinterher. Nach 49 Zusammenschlüssen im vorigen Jahr wurden am Ultimo 972 Institute gezählt, 2017 könnten es weniger als 900 werden. Die Marke 800 ist also nicht mehr fern. Nebenbei: Die Zahl der zuletzt bundesweit 11 787 Bankstellen entspricht fast exakt jener der selbständigen Kreditgenossenschaften im Jahr 1957 in Westdeutschland (11 795).Mal davon abgesehen, dass sich die Finanzwelt seither auch sonst ein wenig verändert hat, gibt es zwischen 1999 und heute einen entscheidenden Unterschied: Damals wurde ein unternehmerisches Konzept, wie bei den Kreditgenossen üblich, basisdemokratisch beschlossen, aber niemand zwang etwa die weltberühmte Ein-Mann-Raiffeisenbank Gammesfeld in Blaufelden, ihre Unabhängigkeit aufzugeben, solange die Mitglieder dies nicht wollen. Heute bleibt vielen gesunden Kreditgenossenschaften wegen der absurden Geldpolitik und der ausufernden Regulierung keine andere Wahl, als ihr Heil in einer Fusion zu suchen. Die Raiffeisenbank Gammesfeld (Bilanzsumme 31,7 Mill. Euro) gibt es noch, doch 49 andere Namen sind 2016 von der Bildfläche verschwunden. Null- und Negativzinsen sowie das Meldeunwesen verändern die Bankenlandschaft.Zu letzterem Punkt ein Beispiel: Wenn eine gewiss nicht systemrelevante mittelständische Ortsbank bei der anstehenden Umfrage der nationalen Aufseher 1 800 Datenfelder übermitteln muss, und das unter hohem Zeitdruck, obendrein teilweise parallel zu einer Erhebung der EZB, dann wird deutlich, wie überbordende Bürokratie wirtschaftliche Aktivität zu ersticken droht. Zuweilen haben die Arbeitsbeschaffungsprogramme, die sich Gesetzgeber und Behörden ausdenken, etwas von Realsatire. Banken müssen Geschäftsleiter und Mitarbeiter mit Einkünften ab 1 Mill. Euro im Jahr melden. Gibt es solche Topverdiener nicht, ist eine Fehlanzeige fällig. Die Zahl der Fehlanzeigen genossenschaftlicher Ortsbanken dürfte ziemlich genau bei 972 liegen. Mehr gibt es nämlich dank der nicht zuletzt regulierungsgetriebenen Fusionitis nicht mehr.