Finanzdienstleister

VW-Finanzsparte übertrifft eigene Erwartungen

Ein unerwartet starker Anstieg der Konjunktur sowie eine hohe Nachfrage nach Gebrauchtfahrzeugen – auch weil Neufahrzeuge wegen fehlender Mikrochips nicht ausgeliefert werden konnten – sorgten für einen fulminanten Ergebnissprung der VW Finanzdienstleistungen. Das Gewinnziel von 4 Mrd. Euro wird nun vier Jahre vorgezogen.

VW-Finanzsparte übertrifft eigene Erwartungen

Von Karin Böhmert, Frankfurt

Die Volkswagen Finanzdienstleistungen (VW FS) haben allein im ersten Halbjahr dieses Jahres fast so viel verdient wie im gesamten Vorjahr. Das operative Ergebnis der VW-Finanzsparte hat sich im Vergleich zum ersten Halbjahr des Vorjahres auf 2,34 Mrd. Euro verdoppelt und erreicht im Sechs-Monats-Zeitraum damit fast das Ergebnis des Gesamtjahres 2020 von 2,8 Mrd. Euro.

Der überraschende, fulminante Ergebnissprung sei so nicht planbar gewesen, erläuterte Finanzvorstand Frank Fiedler im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. So habe die Konjunktur wesentlich stärker angezogen, als dies im Zuge der Corona-Pandemie eingeschätzt wurde. Entsprechend resultierte der Ergebnisanstieg im ersten Halbjahr 2021 aus mehreren Faktoren, „neben der Steigerung der Neuverträge insbesondere aus einer hohen Nachfrage nach Gebrauchtwagen und geringeren Risikokosten für Kredit- und Restwertrisiken“, wie Fiedler unterstrich.

Bei den Neuverträgen verzeichnete der Finanzdienstleister Fiedler zufolge „erhebliche Nachholeffekte in allen Ländern”. Während insgesamt die Zahl der Neuverträge um 22,9% auf knapp 4,2 Millionen Stück anzog, ragten insbesondere die europäischen Kernmärkte (Italien, Spanien, Großbritannien) heraus, wo mit 1,13 Millionen Stück 44% mehr Neuverträge abgeschlossen werden konnten. Aber auch in den USA (+34,2%) und in China (+21,5%) gab es signifikante Zuwächse. Da­gegen schwächelte das Neugeschäft in Deutschland, dem größten Einzelmarkt von VW FS. Hier sank die Zahl der Neuverträge um 1% auf 983000 Stück. Den leichten Rückgang erklärte der Finanzvorstand mit dem relativ hohen Niveau des Vorjahres.

Die hohe Nachfrage nach Ge­brauchtwagen sei auch eine Folge des Mikrochipmangels, der zu fehlenden Neufahrzeugen und langen Wartezeiten geführt habe. Infolgedessen seien viele Verbraucher auf Gebrauchte ausgewichen. Auf diese entfallen inzwischen 24% der Neuverträge und auf Neufahrzeuge 76% des Finanzdienstleisters, eine Relation, „die passt“, wie Fiedler sagte. Auch gebrauchte Fahrzeuge fremder Marken würden für VW FS, der die Gebrauchtwagenplattform Heycar betreibt, immer wichtiger.

Kein Problem bei Restwerten

Angesichts der guten Absatzmöglichkeiten für gebrauchte Fahrzeuge gab es auch keine Probleme mit den Restwerten von Leasingrückläufern. Die Situation bei den Restwerten sei „extrem positiv“ angesichts sinkender Risiken, wodurch die Fahrzeuge mit Gewinn verkauft werden könnten. Auch im Zuge der Corona-Pandemie eingerichtete Vertragsverlängerungen beim Leasing lieferten Marge. VW Financial Services hat sich ausdrücklich zum Ziel gesetzt, Nummer 1 im europäischen Flottengeschäft zu werden. Noch stehe man an dritter Stelle hinter ALD und Leaseplan.

Der Finanzdienstleister baut dabei auf den Portfolio-Effekt, denn Finanzierungs- und Leasingverträge laufen in der Regel drei Jahre, in denen sie fortlaufende Erträge bringen ungeachtet des schwankenden Neugeschäfts. 80% der Erträge würden allein aus diesem Portfolio-Effekt stammen, 20% aus dem Neugeschäft, sagte Fiedler.

Zum Ergebnissprung im ersten Halbjahr hätten keine Auflösungen von Risikorückstellungen beigetragen, zumal auch keine außerordentlichen Rückstellungen für Corona gebildet worden seien, betonte Fiedler. Sogar der damals im Zuge der Euro-Krise aufgebaute Rettungsschirm stehe noch bei 581 Mill. Euro. Die Provision Ratio, also die Risikovorsorge für Neuverträge, sank im Berichtszeitraum auf 1,7 (i.V. 1,8)% und die Ausfallrate (Loss Ratio) auf den Bestand auf 0,3 (0,4)%.

Die Eigenkapitalrendite schnellte im ersten Halbjahr auf 24,5% hoch, dürfte sich zum Jahresende aber bei 20% einpendeln, wie Fiedler sagte. Bei der Aufwand-Ertrags-Relation werden bis zum Jahresende 40% angepeilt, noch liege man leicht darüber. Auch bei diesen beiden Kennziffern habe man die eigentlich für 2025 gesetzten Ziele bereits früher erreicht. Vom Ziel des Kosteneffizienzprogramms, ab 2025 jährlich 1,4 Mrd. Euro einzusparen, habe man bereits 40% realisiert. Dem Digitalisierungsziel, bis 2025 insgesamt 2,5 Millionen Verträge online abschließen zu können, hat sich der Finanzdienstleister ein gutes Stück genähert. Allein im ersten Halbjahr 2021 wurden mit 252000 Verträgen mehr online abgeschlossen als im gesamten Vorjahr mit 250000.

Die Prognose für das Geschäftsjahr 2021 hebt Vorstandsvorsitzender Lars Henner Santelmann nun kräftig an. „Aufgrund des äußerst positiven Geschäftsverlaufs im ersten Halbjahr rechnen wir bereits für das Gesamtjahr 2021 mit einem operativen Er­gebnis von rund 4 Mrd. Euro.“ Damit hätte der Finanzdienstleister sein eigentlich für 2025 ausgegebenes Langfristziel bereits vier Jahre früher erreicht, was umso überraschender ist, als der Vorstand sich noch kürzlich sehr zurückhaltend gezeigt hatte und von einem Jahresergebnis auf Vorjahreshöhe ausgegangen war (vgl. BZ vom 26. März).

Doch auch in den Folgejahren will VW Financial Services ein operatives Ergebnis von mindestens 4 Mrd. Euro jährlich erreichen. „Wir werden 4Mrd. Euro als nachhaltiges Ergebnisniveau etablieren“, unterstrich Finanzvorstand Fiedler. Mehrere Faktoren stimmen ihn zuversichtlich. So dürfte der Mangel an Mikrochips wegfallen, der derzeit den Absatz von Neufahrzeugen bremse. Der Ge­brauchtwagenmarkt gewinne zu­nehmend an Fahrt und stabilisiere die Restwerte der Leasingfahrzeuge.

Plattform für Europa

Einen erheblichen Effekt verspricht sich Fiedler von der neuen Vermarktungsstrategie von Gebrauchten, die nun in Gesamteuropa etabliert werden soll. Bisher seien Gebrauchtwagen nur aus Deutschland heraus in andere Länder verkauft worden oder die einzelnen Marken und Landesgesellschaften haben dies selbst vor Ort abgewickelt. Nun soll dies auch zwischen allen europäischen Ländern möglich sein, indem alle Gebrauchtfahrzeuge in Europa über eine Plattform verkauft werden. „Da gibt es erhebliche Differenzen zwischen den Marktpreisen“, berichtet Fiedler und beruhigt zugleich hinsichtlich möglicher länderspezifischer Qualitätsunterschiede, denn „alle Gebrauchten kommen mit Garantie, um so die Identität und Marke zu etablieren“.

Mehr Geschäft verspricht sich der Finanzdienstleister auch durch Auto-Abos, wobei ein Fahrzeug über mehrere Wochen zu einer festen Rate mit allen Nebenkosten gemietet werden kann. Auto-Abos seien ideal für Verbraucher, um E-Fahrzeuge auszuprobieren, erklärte Fiedler. Erste Auto-Abos liefen bereits, nun werde der Roll-out in anderen Ländern vorbereitet. Im Mobilitätskonzept des VW Konzerns rund um Europcar – der französische Autovermieter soll bis Jahresende zurückgekauft werden – dürfte der Finanzdienstleister eine wesentliche Rolle spielen. An der genauen Strategie werde derzeit noch gefeilt.

Volkswagen
Vertragsbestand weltweitVertragszugang weltweit
30. Juni                       Januar bis Juni           
in tausend Stück*2021202020212020
Finanzierung6 4906 4851 108982
Leasing4 7764 627979786
Dienstleistungen5 0034 553855713
Versicherungen5 9775 6501 217903
Gesamt22 24621 3154 1593 384
*) gerundete WerteBörsen-Zeitung
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