IM INTERVIEW: STEFAN SCHMITTMANN

"Warum hat die Aufsicht keinen Plan?"

Commerzbank-Risikovorstand fordert Bündelung von Regulierung und Kontrolle von Banken in jeweils einer Hand - "Es gibt keinen Chef im Ring"

"Warum hat die Aufsicht keinen Plan?"

– Herr Schmittmann, gut sieben Jahre lang sind Sie Risikovorstand der Commerzbank gewesen, ohne dass Sie mit Interviews groß von sich reden gemacht hätten. Was hat Sie bewogen, nun kurz vor Ende Ihrer Amtszeit zum Jahresende an die Öffentlichkeit zu gehen?Ich habe auch jetzt nicht unbedingt den Drang, an die Öffentlichkeit zu gehen. Aber ich bin schon in erheblicher Sorge, was einige Entwicklungen in der Bankenregulierung betrifft. Eine Reihe von Dingen läuft einfach in die falsche Richtung, und um eine Antwort auf die Frage, wer daran schuld sei, gleich vorwegzunehmen: Einen Schuldigen dafür werden Sie nicht finden.- Was kritisieren Sie?Ich sehe keine wirkliche Vision der Regulierung. In den USA ist diese klar: Die Amerikaner haben im Wesentlichen etwa eine Handvoll große Banken. Wie aber soll die Bankenstruktur in zehn Jahren in Europa aussehen? Das muss geklärt werden.- Viele Leute unterstellen ja der europäischen Bankenaufsicht, sie verfolge eine solche geheime Agenda, nämlich jene, eine grenzüberschreitende Konsolidierung des Sektors durch dessen aufsichtliche Harmonisierung. Positiv meinen sie dies aber nicht.Ja, das tun viele Leute. Ganz ehrlich: Ich hatte das einmal gehofft. Allein, ich kann nicht erkennen, dass es einen solchen Plan gibt, und wenn ich mit prominenten Regulatoren rede, nehme ich es so wahr, dass man sagt: Wir müssen jetzt die Banken sicherer machen, und was am Ende herauskommt, wissen wir auch nicht. Dabei prägt Regulierung doch Geschäftsmodelle.- Wie sollte ein solches Konzept aussehen?Ich glaube, dass es einfach weniger Marktteilnehmer sein müssten, wenn man in solchen Märkten auch die Profitabilität haben will, die eine solche Industrie braucht, um gut leben zu können.- Sie glauben nicht, dass der 2016 startende eurolandweite Abwicklungsmechanismus dazu führen wird, dass Banken aus dem Markt ausscheiden oder dass es vermehrt zu Fusionen kommen wird?Ich habe verschiedentlich gehört, dass Regulatoren sich Fusionen wünschen würden. Ich glaube aber, dass das Gesamtrahmenwerk Fusionen nicht oder nur sehr schwer zulässt.- Warum?Ich habe in meinem Leben vier Fusionen an maßgeblicher Stelle mitgemacht. Eine Fusion ist eine riesige IT-Herausforderung. Wenn Sie gleichzeitig die regulatorische Welle, die gerade auf uns zukommt, in ihrer IT abarbeiten wollen, dann können Sie eigentlich nicht zugleich eine andere Bank technisch integrieren.- Die Fusionen könnten ja nach 2019 kommen, wenn Basel III implementiert ist.Wenn das dann wirklich ein Ende der regulatorischen Welle bringen würde, könnte das sein. Aber im Moment sehe ich das noch nicht. Meines Erachtens aber ist es höchste Zeit, dass sich die Regulierung entscheidet: Will ich europäische Banken haben oder nationale Banken? Will ich eher Universal- oder eher spezialisierte Banken haben?- Würden Regulatoren und Aufseher sagen, sie hätten einen Plan, wären Banken aber doch die Ersten, die deshalb eine Bevorzugung bestimmter Geschäftsmodelle beklagten.Das mag sein, aber am Ende wird man diese Entscheidung treffen müssen, weil die Regulierung, ob beabsichtigt oder nicht, schon jetzt bestimmte Banken bevorteilt.- Welche?Zum Beispiel Spezialbanken.- Warum?Universalbanken haben es mit einer ungleich höheren regulatorischen Komplexität zu tun.- Was Vorgaben infolge Systemrelevanz angeht.Genauso ist es. Insbesondere Internationalität macht es viel, viel komplexer, das ist überhaupt keine Frage. Denn Sie müssen sich ja dann mit allen möglichen regulatorischen Szenarien auseinandersetzen. Und auch Ein-Produkt-Banken, etwa Konsumenten- oder Schiffsfinanzierungsbanken, sind regulatorisch sehr viel einfacher zu handhaben als Universalbanken, bei denen Sie ein viel breiteres Spektrum an Regulierung haben. Das ist nicht gerade hilfreich für die Sicherheit des Banksystems.- Es wird Sie nicht überraschen, wenn man Sie jetzt daran erinnert, dass auch die Universalbank Commerzbank die Krise nur mit Hilfen von insgesamt 18,2 Mrd. Euro überlebt hat. Die Citigroup wäre ein weiteres Beispiel einer Universalbank, die in der Krise staatlich gestützt werden musste, um nicht umzufallen. Eben deshalb hat man doch überhaupt ein Abwicklungssystem eingerichtet, das erlauben soll, dass auch solche Banken aus dem Markt ausscheiden können.Das ist richtig. Ich glaube, dass das Abwicklungssystem sehr wichtig ist. Aber ich glaube auch, dass die Spezialbanken dem Thema doch stärker ausgesetzt waren. Ein zusätzliches Problem ist, dass wir es mit sehr vielen Aufsehern zu tun haben.- Wenn es zu viele Aufseher gibt – welche sind denn entbehrlich?Ich finde, dass jede dieser Institutionen in der Lage wäre, die Regulierung zu machen. Nur: Wenn Sie fünf exzellente Mitarbeiter haben und Sie geben jedem einzelnen von ihnen parallel den gleichen Auftrag, dann wird das Ergebnis zweierlei sein: Erstens werden diese fünf Mitarbeiter die Aufgabe nicht so gut zu Ende führen, als wenn Sie diese einem Einzelnen gegeben hätten, und zweitens werden die fünf in der Regel auch nicht immer optimal zusammenarbeiten …- Weil Konkurrenz entsteht.Weil Konkurrenz entsteht. Das beobachte ich ein Stück weit auch in der Regulierung.- National oder international?Sowohl als auch. Da gibt es Renationalisierungsbestrebungen. Ein Beispiel: Die BaFin strebt noch immer an, eine Version der Mindestanforderungen an das Risikomanagement nicht mehr in Form eines Rundschreibens, sondern in Form einer Verordnung herauszugeben, an die sich ja dann die EZB zu halten hätte. Solche Bestrebungen beobachten wir in anderen europäischen Ländern aber auch, teilweise sogar in einer sehr außergewöhnlichen Form.- Sie meinen den Umgang mit Franken-Krediten.Die Konkurrenzsituation der Aufseher hat natürlich damit zu tun, dass da ein Auftrag an die EZB gegeben worden ist, aber nur unter anderem an die EZB. Zudem wurde nach meinem Wissen überall in den Regulierungsbehörden die Mitarbeiterzahl erheblich erhöht, zum Teil, um die Schnittstelle zu den anderen Regulatoren zu managen. Ich habe beobachtet, dass es dort auch öffentlich sehr unterschiedliche Meinungen von Aufsehern gegeben hat, und Sie können sich sicher vorstellen, dass es diese dann auch in der Bankenregulierung im Tagesgeschäft gibt.- Können Sie ein konkretes Beispiel benennen?Diese Beispiele gibt es immer wieder. Ein konkretes Beispiel sind die geplanten Vorgaben zur Kapitalunterlegung des Zinsrisikos im Anlagebuch. Der Baseler Ausschuss hat dazu ein Papier geschrieben – und die European Banking Authority hat dazu ein Papier geschrieben, das in weiten Teilen anders aussieht, auch was den Einführungszeitraum angeht. Die EZB wiederum wird die Zinssätze im Bankenbuch mit Sicherheit zum integralen Bestandteil ihrer aufsichtlichen Überprüfung und Bewertung – ihres SREP – machen, und zwar auch wieder nach anderen Regeln.- Entscheidet im Zweifel dann nicht das EBA-Papier?Alles ist entscheidend. Am Ende müssen Sie alles einhalten.- Und das geht nicht, weil sich die Papiere widersprechen?Es geht. Es ist nur ein sehr hoher Zusatzaufwand, der in keiner Weise koordiniert ist. Oder nehmen Sie die Institutsvergütungsverordnung: Die EBA arbeitet momentan an einem Pendant, von dem ich noch nicht weiß, wie es heißt. Und wir hatten ja in der Vergangenheit auch hier in Deutschland schon unterschiedliche Entwürfe zu diesem Thema. Um es klar zu sagen: Ich halte dieses Thema für wichtig. Nur wenn es jedes Jahr einen neuen Entwurf einer anderen Behörde gibt, dann wird es irgendwann schwierig, den eigenen Mitarbeitern zu erklären, was denn eigentlich das gültige Gehaltsmodell ist.- Was die Aufseher natürlich damit begründen konnten, dass Banken ihre Vorgaben umgangen haben. So stellte die BaFin fest, dass die Zahl der als Risikoträger identifizierten Mitarbeiter, sobald diese Einstufung Konsequenzen für die Vergütung hatte, in einigen Instituten um bis zu 80 % sank. Ist es da ein Wunder, wenn die Vorgaben verschärft werden?Ich habe gar nichts dagegen, wenn man nachsteuert. Aber da ändert man ja nicht grundsätzlich das Gesetz. Wir haben es mit völlig neuen Regeln zu tun gehabt. Und das erwarte ich jetzt auch von den EBA-Regeln. Die werden anders sein. Und wenn es auch nur ein Tick sein sollte. Gerade in der IT bedeutet auch dies immer einen hohen Aufwand.- Was ist die Ursache für diesen Parallellauf? Inkompetenz oder Eitelkeit?Jeder hat einen Auftrag und versucht, diesen zu erfüllen. Deswegen würde ich auch niemandem die Schuld dafür geben. Aber wir brauchen einen politischen Gestaltungswillen mit einem klaren Zielbild. Sonst bekommen wir keine wirklich gute Regulierung.- Mit den neuen Leitlinien der EBA zeichnete sich ja schon ab, dass der Kreis der Banken, die künftig überhaupt Risikoträger identifizieren sollen, deutlich weiter gefasst würde. Am Donnerstag hat die EBA wiederum Erleichterungen für kleinere Banken in Aussicht gestellt.Wir wären froh, wenn man sich hier endlich festlegen könnte- … und diese Regelung bestehen lassen.Ja. Lasst uns ein Regelwerk diskutieren, es umsetzen und dann auch für eine bestimmte Zeit gelten lassen. Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss hat aber auch das International Accounting Standards Board. Schauen Sie sich doch mal die Auswirkungen des künftigen Bilanzstandards IFRS 9 an.- Der Standard sieht für die Bildung von Risikovorsorge einen Wechsel vom erlittenen auf den zu erwartenden Verlust als Maßstab vor.Meiner Meinung nach wird er Banken einer enormen Prozyklizität aussetzen. Da wird Risiko generiert im Accounting einer Bank.- Jetzt hat man viele verschiedene Institutionen. Was ist jetzt zu tun?Ich bin jetzt nicht derjenige, der der Politik da einen Ratschlag geben muss.- Sie haben vielleicht eine Idee oder eine Forderung.Eine Forderung wäre: Legt die Regulierung, also die Normensetzung, und die Aufsicht jeweils in eine und nicht in verschiedene Hände.- In die Hände der EU-Kommission und der EZB zum Beispiel.Zum Beispiel.- Man muss annehmen, dass diese Forderung nicht durchzusetzen ist. Was heißt dies dann für eine Universalbank wie die Commerzbank?Ich spreche jetzt weniger pro domo. Ich war viele Jahre Vorsitzender des Risikoausschusses des Bankenverbands. Da haben wir kleine Banken und große Banken, und ich glaube nicht, dass es da große Unterschiede in der Sicht auf das Thema gibt. Die Komplexität ist insgesamt so groß geworden, dass es extrem schwierig ist, eine Bank noch vernünftig zu steuern.- Vorgaben wie die zur risikogewichteten Eigenkapitalquote und die Leverage Ratio stehen sich in ihrer Anreizstruktur diametral entgegen. Wie tarieren Sie das aus?Sie müssen sich das vorstellen wie eine Balanced Scorecard. Das heißt, Sie müssen das eine einhalten und das andere auch. Sie müssen aber auch die Liquiditätsquoten erfüllen, die sich zum Teil ja auch widersprechen. Die Liquiditätsvorsorgebestände halten Sie vielfach in Staatspapieren. Staatspapiere aber sollen, und in Teilen hat die EBA das ja schon veranlasst, was Sub-Sovereigns betrifft, mit Kapital unterlegt werden.- Was nicht verkehrt ist . ….. was nicht verkehrt ist. Aber wenn Banken sehr viel Liquidität vorhalten sollen, um sicher zu sein, die Papiere, die dafür zulässig sind, mit Eigenkapital belastet werden und schließlich die Zinsen auf null gesenkt werden, dann wird es natürlich irgendwann auch schwierig, Geld zu verdienen. Und man muss sich einfach im Klaren darüber sein, dass einige Dinge dabei schwer miteinander vereinbar sind.- Und wenn eine Bank diese verschiedenen Anforderungen nicht unter einen Hut bekommt, muss sie die Postbank verkaufen?Das haben Sie jetzt gesagt.- Was folgt daraus, wenn eine Bank nur noch extrem schwer zu steuern ist?Es wird zunächst einmal sehr kostenintensiv. Und es gibt sicher auch eine Reihe von Produkten, die stark benachteiligt werden durch die Regulierung.- Welche sind das?Insbesondere alle langfristigen Kreditprodukte. Sie werden durch höhere Eigenkapitalkosten belastet, aber auch durch die Kosten der regulatorischen Unsicherheit. Denn wenn Sie heute für ein Infrastrukturprojekt einen Kredit vergeben auf 15 Jahre, wissen Sie ja nicht, welche regulatorische Änderung es dazu im Laufe dieser 15 Jahre noch geben wird und ob diese das Produkt durch eine zusätzliche Kapitalbelastung nicht nach ein paar Jahren unprofitabel machen wird. Nehmen Sie zum Beispiel Schuldverschreibungen von Sub-Sovereigns, die jetzt mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Wenn Sie da als Hypothekenbank einen langlaufenden Bond von einem Sub-Sovereign im Buch haben, dann stellen Sie auf einmal fest, das rechnet sich nicht mehr oder ist sogar defizitär. In dem Moment merkt es natürlich der ganze Markt, der Preis verändert sich, dann hat man eine stille Last darauf und eben alles, was daraus folgt. Meiner Meinung nach führt die Leverage Ratio beispielsweise bereits auch dazu, dass Banken private Immobilienfinanzierungen zumindest reduzieren.- Sie meinen die Deutsche Bank. Ist der Rückzug aus der langfristigen Immobilienfinanzierung eine der unbeabsichtigten Konsequenzen der Regulierung?Ich gehe davon aus, dass es nicht beabsichtigt ist. Aber ich kann auch nicht die politischen Interessen, die möglicherweise in anderen Ländern bestehen, beurteilen. Es gibt in Deutschland und in Frankreich festverzinsliche Darlehen, die ich für einen stabilisierenden Faktor halte. Vielleicht sehen andere europäische Länder das anders. Es hat aber sicher auch etwas damit zu tun, dass die Amerikaner auf dieses Thema einen gewissen Druck bringen. Die kennen das Problem nicht, denn die haben Freddie Mac und Fannie Mae.- Die auf Steuerzahlers Kosten gerettet werden, wenn sie umfallen …… deshalb haben sie, was die private Immobilienfinanzierung angeht, auch kein Problem mit der Leverage Ratio, denn ihre Kredite geben sie ja an Fannie Mae und Freddie Mac weiter.- Für Europa aber kann es kein Modell sein, zwei halbstaatliche Hypothekenriesen heranzuzüchten, die letztlich der Allgemeinheit auf der Tasche liegen.So erfolgreich war das Modell der amerikanischen Immobilienfinanzierung in der Vergangenheit nicht.- Trotzdem heißt es immer, die Amerikaner hätten vieles besser gemacht als Europa, um aus der Krise wieder herauszukommen. Ist dies ein Beleg für die US-amerikanische Gabe des Marketing, oder ist da was dran?Die haben im Bankenmarkt ein Oligopol mit völlig anderen Preisstrukturen. Wenn Sie einfach mal sehen, was so eine amerikanische Bank im Jahr verdient – das ist sagenhaft im Vergleich zu europäischen Instituten.- Da liegt die Nettozinsmarge schon einmal bei knapp 3 %.Dann komme ich natürlich schneller wieder heraus, wenn ich im Bankenmarkt solche Fettweiden vorfinde. Das hilft auch beim Aufbau von Eigenkapital. Ein bisschen bessere Preise in Europa wären schon hilfreich, um die Banken sicherer zu machen. Ich glaube aber auch, dass es ein vermessener Aufschlag ist, zu versuchen, Bankenregulierung auf Euro-Ebene, auf Europa- und auch Weltebene gleichzeitig zu harmonisieren. Man müsste von unten nach oben harmonisieren: erst einmal den Euroraum, dann Europa und dann die Welt. De facto ist es natürlich umgekehrt gegangen.- 2008 beschlossen aber die G 20, dass kein Finanzprodukt unreguliert bleiben solle – verständlicherweise.Ich bin auch gar nicht dagegen, dass reguliert wird. Mein Punkt ist: Wir haben angefangen mit der Welt, denn Basel war zuerst da, aber eigentlich ist das die falsche Reihenfolge.- Basel sieht sich ja schon fast am Ziel: Generalsekretär William Coen sagte jüngst, es gehe bald nur mehr um die Umsetzung von Regeln und nicht mehr um neue Regulierung.Sie haben aber noch eine Menge großer Dinge in der Pipeline. Die Fundamental Review of the Trading Book ist ein Riesenvorhaben, ebenso die geplante Kapitalunterlegung von Zinsrisiken im Anlagebuch. Und es gibt noch andere Dinge: BCBS 239, die Überarbeitung der internen Modelle, der neue Kreditrisiko-Standardansatz durch BCBS 347 sowie Floors durch BCBS 306. Es heißt zwar, dass man zu einem Ende kommt, aber ich kann es nicht beobachten.- Ihr Befund klingt jetzt fast fatalistisch: Die Aufsicht hat keinen Plan, Fusionen sind nicht möglich.Warum hat die Aufsicht keinen Plan? Weil es keinen Aufseher gibt, der den Hut aufhat. Das heißt, die EZB hat der BaFin nichts zu sagen, die BaFin der EZB nicht. Es gibt keinen Chef im Ring. Und wenn es keinen Chef im Ring gibt, ist es natürlich schwer, einen Plan zu entwerfen.- Die BaFin ist als nationaler Aufseher im einheitlichen Aufsichtsmechanismus natürlich an Weisungen der EZB gebunden.Erst einmal hat die BaFin ja Felder, auf denen der SSM gar nichts zu sagen hat, zum Beispiel, wenn es um Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung geht. Außerdem sehen wir in der Praxis, dass etwa die Bundesbank, die bei uns früher die Vor-Ort-Prüfung gemacht hat, immer noch eine extrem wichtige Rolle bei diesen Prüfungen spielt, auch wenn diese inzwischen zum Teil von der EZB durchgeführt werden. Ohne Bundesbanker schaffen die das gar nicht. Jetzt ist zu fragen: Wie viel habe ich einem zu sagen, ohne den ich die Arbeit gar nicht bewältigt bekomme? Und insofern müssen Sie sich auch nicht wundern, wenn kein Zielbild entsteht, wie die Bankenstruktur in zehn Jahren aussehen soll. Letztlich muss die Politik das anpacken.- Die Politik hat ja schon reagiert – mit ihrem Aktionsplan für eine Kapitalmarktunion, die unter anderem ja die langfristige Kreditfinanzierung stimulieren soll.Ob das am Schluss die Lösung ist, ist mir unklar.- Und das ist alles so schlimm geworden, dass Sie gesagt haben, dann höre ich auf?Nein. Ich habe außerordentlich gerne für die Commerzbank gearbeitet. Aber ich hatte schon immer geplant, dass ich irgendwann mit Ende Fünfzig aufhören will. Und das habe ich dem Aufsichtsrat auch schon vor langer Zeit gesagt.- Dafür hat es aber recht lange gedauert, bis nach der Ankündigung Ihres Ausscheidens Ihr Nachfolger feststand, immerhin ziemlich genau zwei Monate.Das war ein ganz normaler Prozess, den der Aufsichtsrat durchgeführt hat. Ich freue mich darüber, dass es ein Kollege aus den eigenen Reihen geworden ist.- Was die Risikovorsorge angeht, ist dies jetzt, auch für den Abschied von Konzernchef Martin Blessing, doch ein super Zeitpunkt, um die Bank zu verlassen. Denn im kommenden Jahr werden die Risikokosten wahrscheinlich wieder steigen, wer weiß, wie die Konjunktur läuft, und wenn dann noch die Regulierung weiter wirkt …Ich meine, dass wir eine Menge erreicht haben. Gerade auf der Risikoseite haben wir die Dinge weitestgehend bereinigt. Aber wenn man ein bisschen selbstkritisch ist, muss man auch sagen, dass die äußeren Rahmenbedingungen es zu einem Stück weit erleichtert haben. Wenn der Zins null ist, gehen auch weniger Firmen und Leute pleite.—-Das Interview führte Bernd Neubacher.