LEITARTIKEL

Was Banken wirklich stresst

Das macht keinen übermäßigen Stress: Auf insgesamt 16 bis 20 Mrd. Euro veranschlagen die Strategieberater von PwC den Kapitalbedarf von bis zu neun der 51 in die jüngste Belastungsprüfung einbezogenen europäischen Banken. Das ist zwar sicher kein...

Was Banken wirklich stresst

Das macht keinen übermäßigen Stress: Auf insgesamt 16 bis 20 Mrd. Euro veranschlagen die Strategieberater von PwC den Kapitalbedarf von bis zu neun der 51 in die jüngste Belastungsprüfung einbezogenen europäischen Banken. Das ist zwar sicher kein Kleingeld. Aber die Branche selbst und das Publikum sind doch an größere Zahlen gewöhnt. Ende 2011 zum Beispiel hatte der Regulator European Banking Authority (EBA) bei 37 von 71 untersuchten EU-Banken eine Kapitallücke von 115 Mrd. Euro ermittelt. Zwei Jahre später attestierte PwC Europas Banken ein 277 Mrd. Euro großes Loch in der Kapitaldecke. Und zwischendurch hatte die Ratingagentur Fitch für die 29 damals als global systemrelevant eingestuften Institute zusammengezählt, dass zusätzliche Eigenmittel von 566 Mrd. Dollar gebraucht würden.Natürlich vergleichen wir hier Äpfel mit Birnen. Die Erhebungen unterscheiden sich unter anderem im Anlass – zum Beispiel Stresstest oder Einführung neuer regulatorischer Anforderungen – wie auch hinsichtlich des Kreises der betrachteten Häuser. Aber dessen ungeachtet macht die Gegenüberstellung wohl eines deutlich: Geschätzt 16 bis 20 Mrd. Euro – offizielle Zahlen von EBA und EZB gibt es dazu diesmal ja (noch) nicht – für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass 2018 ein bestimmtes Krisenszenario eintritt, sind weit weg von einer Horrorvision, auch wenn diese Summe über jenen 10 Mrd. Euro liegt, die der Bilanztest der EZB 2014 letztlich als Kapitalbedarf von 13 Banken aufdeckte. Vor allem aber zeigt der Vergleich mit früher festgestellten Kapitallücken recht eindrucksvoll, welche Fortschritte das Gros der europäischen und auch der deutschen Banken mittlerweile auf der Kapitalseite gemacht hat, um die Widerstandsfähigkeit gegen Pleiten, Pech und Pannen zu stärken.Am Aktienmarkt wurde die jüngste EBA-Aktion gleichwohl nur begrenzt als vertrauensbildende Maßnahme aufgenommen. Vor allem Institute, die sich mit ihren Testergebnissen im letzten Tabellenfünftel wiederfinden, darunter Commerzbank und Deutsche Bank, kamen am Montag unter die Räder – obwohl gerade der hiesige Branchenprimus mit seiner harten Kernkapitalquote von 7,8 % im adversen Szenario die Erwartungen von Analysten eher übertraf. Dass die börsennotierten deutschen Banken nicht gerade als Musterschüler aus dieser Prüfung hervorgehen würden, sollten Investoren eingedenk der strategischen Ausrichtung respektive der milliardenschweren Rechtshändel der Kandidaten grundsätzlich eingepreist haben können. Keine allzu große Überraschung auf der positiven Seite ist derweil das bemerkenswert starke Abschneiden der öffentlich-rechtlichen Häuser, vor allem von Helaba, LBBW und DekaBank. Dass dort seit Jahren die Hausaufgaben zuverlässig abgearbeitet werden, sollte sich herumgesprochen haben.Jenseits der Ergebnisse des aktuellen Tests ist festzuhalten, dass solchen Belastungsproben generell eine doch sehr überschaubare Aussagekraft zukommt. Die Wirklichkeit, auch die der Banken, lässt sich nicht in theoretischen Was-wäre-wenn-Betrachtungen abbilden, wie gerade Erfahrungen mit früheren Stresstests zum Leidwesen aller Beteiligten belegen. Die Realität hatte man allzu oft nicht auf der Rechnung. Der Erkenntnisgewinn ist umso geringer, wenn zwei letztlich die wirtschaftliche Existenz gefährdende Risiken für das Finanzsystem und seine Akteure, die sich längst in den Büchern der Banken manifestieren, nämlich die aberwitzige Geldpolitik der EZB auf der einen und der regulatorische Overkill auf der anderen Seite, in der Simulation nonchalant ausgeblendet werden.Dafür kriegen die Banken gebetsmühlenartig den aufsichtlichen Ratschlag, sie sollten gefälligst ihre Geschäftsmodelle an die neuen Rahmenbedingungen anpassen. Hallo? Sollen die Geldhäuser in ihren Filialen nebenbei Gebrauchtwagen verkaufen oder Pizza backen? Zum Nachlesen: Paragraf 1 des Kreditwesengesetzes definiert in den Ziffern 1 und 2, was – offenbar nicht die unwichtigsten – Bankgeschäfte sind: das Einlagengeschäft und das Kreditgeschäft. Genau dies ist das Geschäftsmodell der typischen deutschen Bank oder Sparkasse, das unsere Volkswirtschaft am Laufen hält und nach dem auch unvermindert Nachfrage besteht. Sein dauerhaftes Funktionieren setzt allerdings voraus, dass das Geld einen positiven Preis hat, der über den Markt für die richtige Allokation sorgt, und dass aus den Geschäften auf beiden Seiten der Bilanz eine Marge hängenbleibt, von der Kreditinstitute leben können. Wenn dieser bewährte Mechanismus langfristig ausgehebelt wird, bedeutet das richtig Stress für alle Beteiligten. Das zu erkennen bedarf es nicht einmal eines Stresstests.——–Von Bernd WittkowskiDas Gros der europäischen und auch der deutschen Banken hat auf der Kapitalseite die Widerstandsfähigkeit gegen Pleiten, Pech und Pannen gestärkt.——-