TITEL

Was Corona für Anleger ändert

Was Corona für Anleger ändert Für Staatsanleihen gibt es keine Zinsen mehr. Dafür profitieren die Aktienmärkte von reichlich Liquidität und sinkenden Fallzahlen. Technologie- und Gesundheitstitel sind strukturelle Gewinner der Pandemie. Von Werner...

Was Corona für Anleger ändert

Was Corona für Anleger ändertFür Staatsanleihen gibt es keine Zinsen mehr. Dafür profitieren die Aktienmärkte von reichlich Liquidität und sinkenden Fallzahlen. Technologie- und Gesundheitstitel sind strukturelle Gewinner der Pandemie.Von Werner RüppelMasken hat es keine mehr gegeben. Sie waren überall ausverkauft. Als Ende Februar und März das Coronavirus nach Europa kam, haben sich die Menschen in Deutschland und in anderen Ländern die Masken selbst genäht. Auf eine Pandemie waren weder das Gesundheitssystem noch die Menschen und die politischen Entscheidungsträger vorbereitet. Dann kam es zu einem schnellen Lockdown, der unvermeidlich war. Inzwischen leben wir mit dem Virus und tragen alle Masken, die nun auch reichlich zur Verfügung stehen. In Deutschland und in etlichen anderen Staaten ist es gelungen, die Ausbreitung des Virus deutlich einzudämmen. Dadurch sind Lockerungen möglich geworden. Solange aber noch kein Impfstoff gefunden ist, leben wir weiter in Coronazeiten inklusive der dazu gehörenden Einschränkungen.An den Finanzmärkten hat die unerwartet auftretende Pandemie zunächst zum schnellsten Aktiencrash aller Zeiten sowie einem kurzzeitig negativen Preis für Öl geführt. Die Eruption war heftig und ist es noch, etliche Firmen mussten in den vergangenen Wochen Insolvenz anmelden. Deutlich wird: Corona verändert alles, besonders auch für Anleger. An den Aktienmärkten ist es trotz einbrechender Konjunktur zuletzt zu der schnellsten Erholung aller Zeiten gekommen. Manche Branchen wie Technologiewerte verzeichnen in diesem Jahr gar ein deutliches Plus. Viele Beobachter fragen, ob der deutliche Anstieg der Dividendentitel gerechtfertigt ist. “Ja, denn das Pricing von Aktien ist ja sehr vorwärtsgerichtet und beruht in hohem Maße auf Erwartungen”, sagt Frank Engels, Leiter Portfoliomanagement bei Union Investment, im ausführlichen Interview mit rendite (vergleiche Seite 20). Und er ergänzt: “Gerade aufgrund der Folgen der Pandemie bleibt Selektion bei Aktien Trumpf.”Wenn die Finanzmärkte eines nicht mögen, dann ist es ein unerwarteter massiver wirtschaftlicher Einbruch nebst hoher Unsicherheit. Daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass der Dax von seinem Allzeithoch im Februar um rund 40 % auf 8 442 Punkte am 18. März eingebrochen ist. Weltweit gab es damals an den Aktienmärkten den Corona-Crash.Direkt nach dem massiven Einbruch haben übrigens etliche Privatanleger die Chance erkannt und im Tief massiv Aktien und Aktienfonds erworben. Auch erfahrene Fondsmanager wie Klaus Kaldemorgen haben damals auf die Kaufgelegenheit für langfristig orientierte Anleger hingewiesen.Inzwischen haben sich die Aktienmärkte wieder massiv erholt. Der Technologie­index Nasdaq Composite hat erstmals den Stand von 10 000 Punkten erreicht, Gesundheitsaktien haben, gemessen am MSCI World Health Care Index, sich überdurchschnittlich entwickelt, und der Dax ist zwischenzeitlich bis auf nahezu 13 000 Punkte geklettert. Auf den Crash ist die Corona-Hausse gefolgt. Erholung ist gerechtfertigtFür die Aktienrally gibt es aber sehr gute Gründe. Laut Engels ist durch die sinkenden Fallzahlen der Pandemie sowie weltweite Lockerungsmaßnahmen “nun die Erwartung gerechtfertigt, dass das Konjunkturtief inzwischen erreicht ist und die Wirtschaft sich sukzessive erholt.” Hinzu kommt natürlich die massive Unterstützung der Wirtschaft durch die Geld- und Fiskalpolitik. Regierungen und Notenbanken befinden sich im “Whatever-it-­takes-Modus”, erklärt die Weberbank. Dabei haben sowohl die Regierungen als auch die Notenbanken in den vergangenen Wochen wesentlich mehr getan als von den Analysten und Strategen erwartet. Gerade in Deutschland ist von einer schwarzen Null keine Rede mehr, die Regierung möchte mit einem “Wumms” aus der Krise kommen; dabei ist natürlich von Vorteil, dass der Bund derzeit für Anleihen keine Zinsen zahlen muss. Und auch die Europäische Union plant üppige Stützungsprogramme.Vor allem haben die Zentralbanken aller Industriestaaten die Zinsen praktisch auf null gesenkt und pumpen, koste es, was es wolle, massiv Liquidität in die Märkte. Und diese Politik wird sich fortsetzen, sind doch Inflationsgefahren nicht auszu­machen. Nach Meinung von Mojmir Hlinka vom Schweizer Vermögensverwalter AGFIF nehmen die Notenbanken eine Schlüsselposition ein: “Sie sind es, die ein mone­täres Auffangnetz stricken, so dass Märkte und Wirtschaft weich fallen, wenn sie ins Stolpern geraten.” Hlinka folgert: “Heute werden Sparer und Staatsanleihen-Halter quasi enteignet, die Aktie ist alternativlos geworden.” Keine Alternative zu AktienAngesichts von negativen Renditen für Bundesanleihen führt deren langfristiger Erwerb mit Sicherheit zu Verlusten. Selektive Chancen bestehen laut Union-Mann Engels für “denjenigen, der das entsprechende Risikobudget mitbringt, insbesondere bei Unternehmensanleihen mit Investment Grade sowie selektiv bei Schwellenländer-Bonds.” Aber im Grunde hat die Notenbankpolitik infolge von Corona dafür gesorgt, dass die Anleihenseite noch mehr als zuvor als attraktives Investment weitgehend ausfällt. Altmeister Kaldemorgen folgert denn auch: “In der Kapitalanlage gibt es keine Alternative mehr zu Aktien.”Doch sind nicht Anlagen in Gold oder in Öl derzeit interessant? Die Perspektiven von Gold werden ausführlich ab Seite 22 beleuchtet. Das gelbe Metall gilt als Krisen­indikator und wird auch vielfach mit einem nicht allzu hohen Anteil als Diversifikation in einem Portfolio empfohlen. Doch schwankt auch der Goldpreis beträchtlich und sein weiterer Anstieg ist durchaus fraglich.Öl ist derzeit im Überfluss vorhaben. Bei einer sukzessiven Erholung der Weltkonjunktur könnte der Ölpreis zwar wieder ansteigen, dies setzt aber auch voraus, dass sich die erdölexportierenden Länder einig sind. Hinzu kommt, dass bei direkten Investments in Öl stets die Eigenheiten des Terminmarkts zu berücksichtigen sind.Doch zurück zum Aktienmarkt. Vielfach ist derzeit zu lesen, dass die aktuelle Aufwärtsbewegung angesichts extrem hoher Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) fundamental nicht gerechtfertigt sei. Solche Urteile greifen aber zu kurz. Denn zum einen hat die Pandemie nebst Lockdown zu einem heftigen Einbruch der Unternehmensgewinne geführt, der aber zum Großteil dem Virus geschuldet und somit vorübergehend ist. Zum anderen sind die Notenbanken und die von ihnen zur Verfügung gestellte Liquidät stets ein wichtiger Treiber (oder Bremser) für die Aktienmärkte. Fundamental ist die Aufwärtsbewegung also gerechtfertigt. “Wir sehen daher keine Blase und keine überbordende Euphorie”, urteilt Engels.Enorm viel ändert die Pandemie für Anleger bei der Auswahl von einzelnen Aktien und Branchen. Insbesondere Firmen, die wie Vapiano schon vor Corona Probleme hatten, mussten infolge des Virus Insolvenz anmelden. Andere Unternehmen leiden massiv unter den Folgen von Corona und kämpfen derzeit schlichtweg ums Überleben. Mitunter gelingt dies wie bei Lufthansa nur mit staatlicher Hilfe. Ob sich Investments in solche Titel dan aber für Aktionäre lohnen, darf durchaus in Frage gestellt werden. Die Antwort für Aktienanleger auf die durch Corona gestiegenen Risiken liegt auf der Hand. Zum einen mindert eine möglichst breite Streuung das Risiko, eine solche bieten zum Beispiel weltweit investierende Aktienfonds (siehe Tabelle unten).Zum anderen zählt jetzt die Qualität eines Unternehmens. Die Analysten von Goldman Sachs stellen heraus, dass in erster Linie Unternehmen mit starken Bilanzen von der Krise profitieren werden. Und auch für Fondsmanager Bert Flossbach sind stets, und besonders auch im aktuellen Umfeld, bei der Unternehmensauswahl ein stabiles Geschäftsmodell und eine solide Bilanz entscheidend. Corona verändert vieles, und es gibt strukturelle Gewinner der durch die Pandemie ausgelösten Folgen. So hat der durch die Pandemie verursachte Lockdown weltweit zu einem wahren Schub für Digitalisierung, Homeoffice und Online-Handel geführt und damit in wenigen Wochen mehr bewirkt als alle Initiativen von Regierungen wie zum Beispiel die Ernennung von Digitalministern. “Unternehmen, die in ihrer digitalen Reise bereits einen Schritt voraus waren, übernehmen jetzt Marktanteile”, erklärt Alexander Roose, Chef-Aktienstratege bei DPAM. “Tatsächlich wurde in Sachen Digitalisierung der Weltwirtschaft merklich in den nächsten Gang geschaltet.”Für Investments in den Technologiesektor steht Anlegern eine Reihe guter Technologiefonds zur Verfügung, die von der Ratingagentur Morningstar mit den Top-Noten von vier oder fünf Sternen bewertet werden (siehe Tabelle Seite 16). Sie alle weisen nicht nur auf Sicht von einem Jahr, sondern auch langfristig hohe Wertzuwächse auf. Für den Tech-Sektor spricht zudem, dass die großen Player profitabel sind und hohe Gewinne erwirtschaften. Darüber hinaus werden die Zinsen weiterhin niedrig bleiben. Insofern steht durchaus zu erwarten, dass Tech weiter an den Aktienmärkten outperformt.Ein weiterer struktureller Gewinner der Pandemie sind Gesundheitsaktien. Die Pandemie hat jedermann und auch den politischen Entscheidern verdeutlicht, wie wichtig der Healthcare-Sektor ist. Dies wird auch langfristig ausstrahlen. Ausgabenkürzungen im Gesundheitssystem dürften “wieder rückgängig gemacht werden”, weil die Wähler ein belastbares Sicher­heitsnetz im Gesundheitswesen nicht zuletzt für sich selbst forderten, meint Michael Nicol, Fondsmanager bei Kames Capital. Weltweit dürften die Investitionen in den Gesundheitssektor zunehmen. Darüber hinaus kommt Healthcare-Titeln laut Alex Gold von Fidelity auch die zunehmende Alterung der Weltbevölkerung zugute.Während in diesem Jahr immer mehr Aktiengesellschaften infolge von Corona ihre Dividenden gekürzt haben, schütten Healthcare-Aktien weiter aus. “Pharmaaktien überzeugen auch in der aktuellen Krise durch stetige Cash-flows und attraktive Dividenden”, erklärt Gold. Vor diesem Hintergrund haben sich die defensiven Titel auch in diesem Jahr wesentlich besser entwickelt als der Gesamtmarkt.Zu Jahresbeginn war es zu Rückschlägen im Gesundheitssektor gekommen, als dem demokratischen US-Senator Bernie Sanders noch gute Chancen zugebilligt wurden, US-Präsident zu werden, steht doch Sanders über die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung in den USA für niedrigere Erträge von Pharmaunternehmen. Nun aber ist der gemäßigte Joe Biden Kandidat der Demokraten. Für Anleger, die in den Gesundheitssektor investieren wollen, stehen zahlreiche breit gestreute Healthcare-Fonds zur Verfügung (siehe Tabelle Seite 17). Die realtiv niedrige Volatilität dieser Produkte zeigt, dass Gesundheitsaktien ein eher defensives Investment sind. Ohne Masken neue AllzeithochsDas Problem bei Corona ist, dass das Virus noch nicht besiegt ist und es zu einer zweiten Welle kommen kann. Diese würde dann auch den Aktienmarkt treffen. Engels glaubt zwar, dass “wir aufgrund der Erfahrungen, die wir inzwischen mit dem Virus haben, eine zweite Welle relativ gut in den Griff bekommen dürften”. Auf der anderen Seite könnte eine zu große Sorglosigkeit aber durchaus zu einer größeren zweiten Welle führen. Vor diesem Hintergrund sollten Aktienanleger keinesfalls gehebelt investieren, sind doch zwischenzeitliche Rückschläge jederzeit möglich. Die Pandemie wird erst besiegt sein, nachdem es zu einer breiten Impfung der Bevölkerung kommt, was laut LBBW Research frühestens im Lauf des Jahres 2021 der Fall sein wird. Dann müssen wir alle keine Masken mehr tragen. Auch die Börsen werden reagieren. Engels erklärt: “Die Euphorie an den Märkten wäre dann groß. Dax, Euro Stoxx 50 und S&P 500 würden sicherlich auf neue Allzeithochs klettern.”