Wechsel an Argentiniens Notenbankspitze
Von Andreas Fink, Buenos AiresLetztlich blieb nur der Rücktritt. Am Ende eines Tages, an dem Argentiniens Währung über 6 % ihres Wertes verlor, schrieb Federico Sturzenegger seinen Abschiedsbrief. Der Ökonom mit Schweizer Vorfahren hatte die Zentralbank seit Dezember 2015 geführt, und zwei Jahre lang hielten die Märkte ihn wegen seiner Versuche, die Inflation in den Griff zu bekommen, für einen verlässlichen Alliierten. Doch seit Ende des vergangenen Jahres schwand das Vertrauen. Während der Ende April ausgebrochenen Währungskrise handelte Sturzenegger konfus, wechselte mehrfach öffentlich seine Strategie. Als er gemeinsam mit Haushaltsminister Nicolás Dujovne vor einer Woche den 50-Mrd.-Dollar-Kreditvertrag mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) präsentierte, kündigte er an, dass die Zentralbank keine Dollar mehr abgeben würde, um den Peso zu stützen. Doch danach verkaufte der Banco Central weitere 800 Mill. Dollar. Mit fast 12 Mrd. Dollar aus den Währungsreserven versuchte Sturzenegger die Macht der Märkte aufzuhalten. Doch als er ging, war der Dollar mehr als 28 Pesos wert, etwa 50 % mehr als Mitte Dezember. Dass Argentiniens Länderrisiko in diesem Jahr um mehr als 55 % zunahm – die kräftigste Steigerung sämtlicher Emerging Markets -, liegt an der unheilvollen Verkettung interner und externer Faktoren. Dazu gehören steigende Zinsen in den USA und eine neue Kapitalsteuer für ausländische Anleger in Argentinien sowie auch eine Missernte, die das Land etwa 6 Mrd. Dollar kosten könnte, also fast 1 % des Bruttoinlandsprodukts. Hinzu kommt der Verlust des Vertrauens der Finanzmärkte in Argentiniens Fähigkeit, mit all dem fertig zu werden. Um Pesos zu absorbieren, bediente sich Sturzenegger hochverzinster Schatzbriefe der Zentralbank (Lebac). Doch anstatt die Inflation merklich zu senken – 2017 betrug der Wert 24,8 % -, animierte Sturzenegger den Carry Trade. So sammelten sich Ende des Vorjahres 1,15 Bill. Pesos in Lebacs an, das waren damals etwa 65 Mrd. Dollar, mehr als die gesamten Währungsreserven der Zentralbank. Ende April begann sich mit dem Zinsschritt der Fed diese Lawine zu lösen, Sturzenegger hob den Zins auf irrwitzige 40 % an – und anstatt die Finanzflucht zu bremsen, verstärkte er die Zweifel der Anleger. Nun bat Präsident Mauricio Macri – angeblich auch auf Anraten von IWF-Chefin Cristine Lagarde – um den Rücktritt von Sturzenegger und dessen Team.Gleichzeitig bestimmte der Präsident Luis Caputo zum Nachfolger. Der 53-Jährige war als Finanzstaatssekretär in die Regierung eingetreten und managte zunächst die Einigung mit den Holdouts und dann die Rückkehr Argentiniens an die Kreditmärkte. Nach dem Ausscheiden des ersten Finanzministers Alfonso Prat-Gay teilte Macri dessen Ressort in ein Haushaltsministerium und eines für Finanzen. Das bekam Caputo, verbunden mit dem Auftrag, mit neuen Kreditaufnahmen den graduellen Kurs abzusichern. Haushaltsminister Nicolás Dujovne ist nun alleiniger Finanzminister und als IWF-Ansprechpartner Koordinator des Sparprogramms. Erfahrener BankerDer neue Zentralbankchef kennt die Finanzmärkte seit Jahrzehnten, in seinem Lebenslauf stehen Führungsposten bei J.P. Morgan und der Deutschen Bank, deren Argentinien-Chef er zwischen 2003 und 2008 war. Danach widmete er sich dem Assetmanagement. Dass sein Name auch in den Panama-Papieren auftauchte, könnte womöglich zur Belastung werden, vor allem, falls es ihm nicht gelingt, die Märkte zu beruhigen. Insider in Buenos Aires glauben, dass Caputo Erfahrung und Chuzpe mitbringt, um spekulative Manöver frühzeitig zu erkennen und abzuwehren. Ob er aber über Durchsetzungskraft verfügt, um Argentiniens strukturelle Probleme – vor allem die chronische Abhängigkeit vom Dollar – in den Griff zu kriegen, müssen die nächsten Monate erweisen.