Wefox hält den Löffel raus
Wenn es Brei regnet, sollte man den Löffel raushalten. Getreu dieser marktopportunistischen Weisheit hat Wefox-Chef Julian Teicke die eigentlich nur auf 200 Mill. Dollar zielende Finanzierungsrunde auf stramme 650 Mill. Dollar ausgeweitet. Mit einer Bewertung von 3 Mrd. Dollar reiht sich das Insurtech damit als Nummer 3 im deutschen Fintech-Sektor ein hinter N26, die 3,5 Mrd. Dollar erreichte, und Trade Republic mit ihren 5 Mrd. Dollar. Die als Branchenführer in Insurtech geltende börsennotierte US-Gesellschaft Lemonade kommt aktuell auf 5,56 Mrd. Dollar – bei Prämieneinnahmen von 220 Mill. Dollar.
Wefox kommt in diesem Jahr mit der angepeilten Verdoppelung auf Prämieneinnahmen von 350 Mill. Dollar und stellt für 2022 operative Profitabilität in Aussicht – während Lemonade weiter einen satten Verlust einfahren dürfte. Der Unterschied liegt wohl vor allem daran, dass Lemonade sehr aggressiv skaliert ist im riesigen US-Markt und Maklerpartnerschaften scheut. Wefox ist da anders aufgestellt – und der Zwischenstand sieht so aus, dass Wefox sehr gut damit fährt, die Maklerwelt mit einzubeziehen, damit Vertriebskosten zu reduzieren und über die Partner auch eine Beratungsqualität darzustellen.
Wer langfristig die Nase vorn haben wird, dafür werden jetzt die Weichen gestellt. Mit den frischen Mitteln wird Wefox ihre europäische Expansion beschleunigen sowie das Produktportfolio ausweiten. Teickes Ziel, mit Wefox in zehn Jahren einer der „dominanten Versicherungsplayer weltweit“ zu sein, wirkt in diesem Massengeschäft allerdings ein wenig überdimensioniert: Die Konkurrenz in Form der traditionellen Assekuranzkonzerne schläft nicht und verbessert stetig ihre digitalen Fähigkeiten.
Für Wefox stellt sich dann die Frage, wofür sie ihren Wettbewerbsvorteil des höheren Automatisierungsgrads verwendet: Sollen damit Preisvorteile an den Kunden weitergegeben werden für beschleunigtes Prämienwachstum, oder will man stärker die eigene Profitabilität schärfen? Die Equity Story von Wefox wäre jedenfalls schon im kommenden Jahr börsenreif. Außerdem täte es dem Finanzplatz gut, wenn heimische Fintechs bald den Kurszettel verlängern, um zum einen ihre Milliardenbewertungen bestätigen zu lassen und zum anderen dem breiten Anlegerpublikum Teilhabe zu verschaffen.
Dass Wefox und Trade Republic bei der Hochzeit von Finanzwirtschaft und Digitalisierung international in der ersten Liga spielen, demonstriert jedenfalls, dass Deutschland starke Gründer hat, die der alten Finanzwelt zeigen, wo der Hammer hängt.