Welche Rendite ist langfristig an Aktienmärkten zu erwarten?

Denkanstöße für Performance bestimmende Komponenten

Welche Rendite ist langfristig an Aktienmärkten zu erwarten?

Die Vorhersage kurzfristiger Schwankungen an den Aktienmärkten ist für viele Anleger ein beliebter Zeitvertreib. Tatsache ist allerdings, dass dies eine müßige Übung ist, da diese Schwankungen meistens oft zufälliger Natur sind und nicht wiederkehrend erfolgreich vorhergesagt werden können. Für Investoren mit einem längeren Anlagehorizont ist es dagegen möglich, ihre Renditeerwartungen an viel konkreteren Parametern zu verankern. Das vergangene Jahrzehnt war besonders günstig für Aktien. So verzeichnete beispielsweise der S&P-500-Index in den Vereinigten Staaten in dieser Zeit eine annualisierte Rendite von 13,6 %. Was es zu berücksichtigen giltBei seinen Überlegungen bezüglich der Komponenten, die die künftige langfristige Aktienperformance bestimmen werden, sollte sich der Anleger darüber im Klaren sein, dass die Umsatzentwicklung der Unternehmen als Ganzes in hohem Maße mit der Entwicklung der Weltwirtschaft verbunden ist. Seit der Finanzkrise hat sich das Weltwirtschaftswachstum strukturell verlangsamt. Hinter dieser Entwicklung steht eine Vielzahl von Faktoren, die von zu hoher Verschuldung, demografischen Trends und übermäßiger Regulierung bis hin zu zunehmenden sozialen Ungleichheiten reichen. Der Covid-19-Schock scheint einige dieser Faktoren weiter beschleunigt zu haben. Natürlich könnten wachstumsfreundlichere Maßnahmen umgesetzt werden, aber die derzeitige politische Dysfunktion und der zunehmende Populismus lassen dies nicht sehr wahrscheinlich erscheinen. Ein weiterer zu beachtender Punkt ist, dass sich das Umsatzwachstum der wichtigsten Unternehmen im Index (also der Technologieunternehmen) aus mathematischen Gründen früher oder später verlangsamen muss.Bei der Frage, ob die Gewinnmargen weiter steigen, obwohl sie im historischen Vergleich bereits sehr hoch sind, spricht ein Element dafür, nämlich die Fortsetzung der technologischen Entwicklung (im weitesten Sinne, also inklusive Trends wie der Robotisierung). Auch hier könnte der Covid-19-Schock bestimmte Tendenzen beschleunigen (verstärkter Einsatz von Technologie, Abbau von Arbeitskräften usw.). Auf der anderen Seite gibt es die Erkenntnis, dass die sozialen Ungleichheiten zu groß geworden sind, und die Zunahme des Populismus, die zu einer für die Gewinnspannen der Unternehmen weniger günstigen Politik führen könnten. Zudem müssen die Unternehmen künftig möglicherweise bedeutend mehr für Maßnahmen zum Schutze der Umwelt und zur Sicherheit ihrer Arbeiter ausgeben.Wird die Begeisterung für Aktienrückkäufe anhalten? Dies wird zu einem großen Teil von den Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen abhängen. Wenn diese Möglichkeiten zunehmen, wird weniger Cash-flow für Aktienrückkäufe zur Verfügung stehen. Wenn nicht, sollten die Rückkäufe fortgesetzt werden, insbesondere in angelsächsischen Ländern, in denen das Shareholder-Value-Prinzip nach wie vor vorherrschend ist. Für einige Branchen werden Aktienrückkäufe jedoch politisch sehr viel sensibler werden. Das Beispiel der US- amerikanischen Fluggesellschaften, die in den vergangenen Jahren ihren Aktionären nahezu ihren gesamten Cash-flow ausbezahlt und dann in der Krise staatliche Hilfe in Anspruch genommen haben, ist in dieser Hinsicht aufschlussreich. BewertungsmultiplikatorenDie Entwicklung der Bewertungsmultiplikatoren ist vielleicht die am schwierigsten vorherzusagende Komponente, da sie zum Teil durch psychologische Faktoren beeinflusst wird. Die Finanzgeschichte zeigt, dass die Märkte Phasen durchlaufen, in denen eine Art kollektiver Optimismus dafür sorgt, dass Investoren bereit sind, bedeutend mehr für die Unternehmensgewinne zu zahlen, gefolgt von Phasen des kollektiven Pessimismus mit viel niedrigeren Multiplikatoren. Jedoch gibt es rationale Elemente, die diese Multiplikatoren beeinflussen, angefangen bei der Höhe der Zinssätze.Niedrige Sätze erhöhen den Gegenwartswert künftiger Einnahmen (100 Euro, die 2025 zu erhalten sind, sind heute mehr wert, wenn sie mit 5 % abgezinst werden anstatt mit 10 %). Darüber hinaus verringern niedrige Zinsen die Attraktivität festverzinslicher Anlagen, die zu den Hauptkonkurrenten der Aktien gehören. Die Multiplikatoren sind derzeit relativ hoch, und eine Rückkehr zu ihrem langfristigen Durchschnitt würde die künftigen Aktienrenditen belasten. So liegt ein Grund dafür, warum die Aktienrenditen im Jahrzehnt 2000 bis 2009 enttäuschend waren, darin, dass die Multiplikatoren Ende 1999 besonders hoch waren. Andererseits könnten diese Multiplikatoren bei Ausbleiben einer Zinserhöhung hoch bleiben oder sogar noch weiter steigen.Im Vorstehenden habe ich versucht, einige Denkanstöße für jede der Komponenten zu geben, die die langfristige Aktienperformance bestimmen. Jeder Investor wird dazu seine eigenen Vorstellungen haben. Die Meinungen können von sehr positiv (anhaltender Anstieg der Gewinnmargen und der Bewertungsmultiplikatoren) bis sehr negativ (eine Kombination aus rückläufigen Gewinnen und Multiplikatoren) reichen, aber ein Investor sollte sich zumindest der Annahmen bewusst sein, die in seinen Prognosen enthalten sind. Guy Wagner, Managing Director bei BLI – Banque de Luxembourg Investments