DER BILANZTEST DER EZB

Welches Schweinderl hätten Sie denn gern?

Von Bernd Neubacher, Frankfurt Börsen-Zeitung, 12.10.2013 Papier ist geduldig, der Anleger nicht. Für die kommenden Monate lässt dies nichts Gutes ahnen. Wenn es stimmt, dass die EZB erst im Herbst 2014, als Ergebnis ihres Bilanz- und Stresstests,...

Welches Schweinderl hätten Sie denn gern?

Von Bernd Neubacher, FrankfurtPapier ist geduldig, der Anleger nicht. Für die kommenden Monate lässt dies nichts Gutes ahnen. Wenn es stimmt, dass die EZB erst im Herbst 2014, als Ergebnis ihres Bilanz- und Stresstests, je Bank nur eine Kennzahl vorlegen will, dürfte in den kommenden Monaten unter Analysten und Anlegern ein Rätselraten einsetzen, was Kapitallöcher angeht. Über Einzelheiten des Bilanztests will die EZB zwar noch im Oktober informieren. Details des Stresstests freilich stehen noch in den Sternen. Die Aufseher stehen nun vor der Aufgabe, durch Erwartungsmanagement zu verhindern, dass der Markt sich in Vermutungen ergeht und damit Fakten schafft, welche wiederum die Banken und nicht zuletzt die EZB unter Druck setzen.Ein Beispiel dafür, wie sich Ergebnisse dehnen lassen, wenn es um die Ermittlung von Kapitalbedarf geht, hat die Deutsche Bank Anfang September mit einer gut 100 Seiten starken Studie geliefert, in welcher sie rund 30 ihrer europäischen Konkurrenten eine Kapitallücke von knapp 16 Mrd. Euro per Ende 2012 allein infolge zusätzlicher Abschreibungen auf Kredite attestiert, wovon 2,6 Mrd. Euro auf die Commerzbank entfallen. Dabei verfolgt sie eigenen Angaben zufolge einen strengen Ansatz und formuliert als Mindestanforderung 10 % harte Kernkapitalquote bei voller Umsetzung von Basel III.Als Basis zur Berechnung des Abschreibungsbedarfs zieht sie, was hinsichtlich des Stresstests eine vernünftige Annahme sein dürfte, Vorschläge der EU-Aufsichtsbehörde EBA für eine konsistente Definition notleidender und gestundeter Kredite heran. Dabei erweitert sie den Begriff der wertgeminderten Kredite um alle Darlehen, für die Zahlungen länger als 90 Tage überfällig sind, sowie um alle restrukturierten bzw. neu verhandelten Ausreichungen, sofern sie nicht ohnehin schon als leistungsgestört verbucht sind. Als Gegenprobe dient ihr das Volumen der von den Banken jeweils intern mit “CCC” oder schlechter eingestuften Krediten. Dieses dient als Richtwert, wenn es höher ausfällt als jenes der notleidenden, länger als 90 Tage überfälligen sowie restrukturierten und neu verhandelten Darlehen. Zum Kapitalbedarf ihres Arbeitgebers äußern sich die Deutsche-Bank-Analysten nicht. Ein Sprecher der Deutschen Bank verweist auf die Veröffentlichung des Instituts. Wer indes die von den Auguren angelegten Maßstäbe auf das blaue Institut anwendet, stößt rasch auf ansehnliche Kapitallöcher, die zudem beinahe beliebig erweiterbar sind. So schraubt sich im Falle der Deutschen Bank der Bestand an wertgeminderten Krediten, der laut Geschäftsbericht 2012 bei 10,335 Mrd. Euro lag, um 716 Mill. sowie um 888 Mill. Euro auf 11,939 Mrd. in die Höhe, kommen länger als 90 Tage überfällige Darlehen sowie alle restrukturierten und neu verhandelten Kredite hinzu. Aus der Betrachtung der intern mit “CCC” oder schlechter eingestuften Kredite ergibt sich wiederum eine Orientierungsgröße von 13,1 Mrd. Euro an wertgeminderten Krediten. Dieser Betrag liegt um 27 % über dem Ende 2012 ausgewiesenen Bestand an wertgeminderten Krediten von 10,335 Mrd. Euro und liegt damit nahe des von der Studie ermittelten Branchenschnitts. MehrbedarfSetzt man den Mehrbedarf von 27 % ins Verhältnis zum Risikovorsorgebestand von 4,696 Mrd. Euro, resultiert daraus ein weiterer Vorsorgebedarf von 1,27 Mrd. Euro, der, einen ähnlichen Effekt aufs Nettoergebnis wie bei der Commerzbank unterstellt, die Bank 926 Mill. Euro Nachsteuergewinn kosten würde. Die harte Kernkapitalquote der Deutschen Bank würde dies, eine volle Umsetzung von Basel III vorausgesetzt, um 0,2 Punkte auf 9,8 % drücken, unter die von den Analysten als EZB-Mindestanforderung vorausgesetzte Latte von 10 %. Die sich daraus ergebende Kapitallücke wäre verkraftbar. Rechnet man aber, wie dies die Deutsche Bank etwa bei der Commerzbank getan hat, die konzernweiten Risikopositionswerte der bereits als ausgefallen betrachteten Engagements hinzu, käme die Deutsche Bank auf eine zusätzliche Risikovorsorge von 7,2 Mrd. Euro. Dies entspräche in der Beispielrechnung einer Ergebnisbelastung von netto 5,3 Mrd. Euro sowie einer Kapitallücke von 1,4 Punkten bzw. gut 5 Mrd. Euro.Je nach Design des Stresstests lässt sich also der Kapitalbedarf nach Belieben herauf- oder herunterschrauben, frei nach dem Motto des früheren Fernsehmoderators Robert Lembke: “Welches Schweinderl hätten Sie denn gern?” Wer den Befund dramatisieren will, kann vorwegnehmen, dass die Deutsche Bank als weltweit systemrelevantes Haus ab 2016 einen zusätzlichen Puffer von 2,5 Prozentpunkten aufbauen muss. Die Anforderung von 2,5 Prozentpunkten harten Kernkapitals würde das Loch der Bank flugs um gut 9 Mrd. Euro vergrößern.Der Notenbank schwant längst, dass der im Zuge des Bilanztests, wohl mit Stichtag Ende 2012, festgestellte Kapitalbedarf nicht zu hoch und nicht zu gering ausfallen darf. “Falls die Ergebnisse einen geringen Kapitalbedarf zeigen, wird am Markt der Eindruck entstehen, zwecks Einsparung öffentlicher Gelder hinters Licht geführt worden zu sein”, sagte jüngst EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch, “ergibt sich umgekehrt ein hoher Kapitalbedarf, werden sich die Märkte fragen, wie dieser gedeckt werden kann, was zu Unsicherheit führt. In beiden Fällen wird der Vertrauenszuwachs zunichtegemacht, den wir uns von der Bewertung erhoffen.” Kann es da verwundern, dass man in der Branche politisch opportune Ergebnisse prophezeit? Vorerst ist nur gewiss: Papier ist geduldig, der Anleger nicht. ——–Durch die Konzeption der Bilanzprüfung kann die EZB die Resultate ihres Tests nach Belieben gestalten.——-