Wertschätzung der Region Stuttgart hat ihren Preis

Immobilienmarkt zunehmend unter Druck - Innovative und kostengünstige Wohnkonzepte nötig - Umnutzung von Bestandsgebäuden bevorzugt

Wertschätzung der Region Stuttgart hat ihren Preis

Der Wohnimmobilienmarkt in der Region Stuttgart ist seit längerem gekennzeichnet durch eine wachsende Nachfrage, mit der das Angebot an Wohnungen und Häusern nicht mithalten kann. Das betrifft die Stadt Stuttgart, aber auch die umliegenden Landkreise. Als Folge davon erreichen die Kaufpreise und Mieten immer neue Höchstwerte. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar.Wie beurteilen die Bewohner der Region die Situation? Welche Befürchtungen, welche Hoffnungen hegen sie? Welche Folgerungen ziehen sie daraus für sich selbst? Um darauf Antworten zu erhalten, hat die W & W-Gruppe von TNS-Infratest repräsentativ das Meinungsbild der Bevölkerung in der Stadt Stuttgart und in den Landkreisen Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr erforschen lassenDie Region Stuttgart genießt auch wegen der wirtschaftlichen Dynamik eine hohe Anziehungskraft. Die Wertschätzung hat jedoch ihren Preis: Die Nachfrage nach Wohnraum nimmt seit Jahren kontinuierlich zu und damit die Kaufsummen für Immobilien und Mieten. Anzeichen für eine Beruhigung bei der Preisentwicklung sehen die Einwohner überwiegend nicht: 80 % erwarten, dass die Immobilienpreise in den kommenden fünf Jahren weiter steigen. Jeder Vierte rechnet sogar mit deutlichen Aufschlägen von mehr als 10 %, sechs von zehn Einwohnern gehen von einem Anstieg von bis zu 10 % aus.Dennoch ist der Wunsch nach den eigenen vier Wänden ungebrochen. Um der Wohnraumknappheit in der Region Stuttgart entgegenzuwirken, plädieren 85 % der Befragten für die Umnutzung von Bestandsgebäuden. Dies kann etwa durch die Wandlung von Büro- in Wohnraum bewerkstelligt werden. Mehr als 40 % der Befragten befürworten außerdem die Aufstockung von Stadthäusern und unterstreichen damit ebenfalls den Ansatz, zunächst bestehende Gebäude zur Schaffung neuen Wohnraums zu nutzen. Falls neue Bauflächen ausgewiesen werden sollten, dann im Stadtrandbereich oder Umland von Stuttgart, meinen drei von vier Befragten; immerhin knapp über die Hälfte sind auch für neue innerstädtische Bauflächen. Gleichwohl wollen die Bürger auf innerstädtisches Grün nicht verzichten: Weniger als ein Fünftel sind der Ansicht, dass städtische Grünflächen in Bauland umgewandelt werden sollten. Finanziell zu verwirklichen?Den Erwerb einer Immobilie in der Region Stuttgart hält nur knapp die Hälfte der Befragten finanziell für realisierbar. Derzeit planen 13 % der Einwohner, in den nächsten Jahren eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus zu erwerben. Das sind deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt mit 6 %. In der Landeshauptstadt selbst ist der Wunsch nach Eigentum noch größer: Fast jeder vierte Stuttgarter, der heute noch zur Miete wohnt, plant den Bau oder Kauf einer selbst genutzten Immobilie.Das insgesamt hohe Preisniveau ist für die Hälfte der Befragten kein Hinderungsgrund für einen Immobilienkauf. Fast ebenso hoch ist allerdings der Anteil derjenigen, für die sich das nicht mehr verwirklichen lässt. Immerhin ist jeder zehnte Einwohner der schwäbischen Metropolregion bereit, für eine Immobilie mehr als eine halbe Million Euro anzulegen. Vier von zehn potenziellen Immobilienkäufern wären bereit, für ihre Wunschimmobilie zwischen 250 000 und 500 000 Euro zu investieren. Nahezu 50 % – und damit die Mehrzahl der Befragten – würden für die eigenen vier Wände jedoch nur bis zu 250 000 Euro aufbringen wollen oder können. Gute Infrastruktur gefragtIn Stuttgart selbst ist die Nachfrage nach günstigen Immobilien in der Preisklasse bis 150 000 Euro mit 24 % größer als im Umland (7 %). Den Erwerb von Haus- oder Grundbesitz als Kapitalanlage zieht trotz des Niedrigzinsniveaus nur eine Minderheit von 4 % der Bürger in der Stadt und den fünf umliegenden Landkreisen in Betracht.Für neun von zehn Einwohnern stehen Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf an der Spitze der Rangliste der wichtigen Kriterien für eine neue Immobilie. 75 % wünschen sich zudem eine energetisch sanierte Immobilie. Weitere gefragte Kriterien sind eine ruhige Lage am Stadtrand sowie die Nähe zu Ärzten, Krankenhaus und Apotheken.Die direkte Anbindung an den ÖPNV ist für zwei Drittel der Befragten wichtig. Für die Stuttgarter hingegen ist dieses Merkmal entscheidender: Bei ihnen steht dieser Punkt mit 76 % der Nennungen auf Platz 2. Auch Immobilienangebote, die den demografischen Wandel oder gesundheitliche Beeinträchtigungen berücksichtigen, sind für Menschen in der Region von großer Bedeutung: Mit 59 % der Nennungen stehen Ausstattungsmerkmale wie eine altersgerechte Bauweise und Barrierefreiheit auf Rang 6 der Wunschliste. Rahmen muss stimmenUnd wie steht es mit der Bereitschaft, eine Immobilie in ländlichen Gebieten zu erwerben? Damit die in Stuttgart lebenden Befragten diesen Schritt in Erwägung ziehen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: 89 % erwarten eine gute Verkehrsanbindung, 88 % eine gute Infrastruktur vor Ort mit Kinderbetreuung, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Kulturangebot. Bei 82 % der Befragten käme eine Immobilie außerhalb der Region nur bei erheblichen Preisnachlässen von im Schnitt 35 % in Frage.Und ganz wesentlich ist die Fahrzeit: Für drei Viertel der Befragten kommt der Erwerb einer Immobilie in ländlicher Umgebung nur infrage, wenn die Fahrzeit in die Stadt möglichst gering ist. Dies gilt für die Stuttgarter auch bei einem Umzug in die fünf Landkreise außerhalb der Landeshauptstadt: Mehr als durchschnittlich 36 Minuten wollen die Befragten nicht für den Weg nach Stuttgart aufbringen. Für die überwiegende Mehrheit ist bereits bei 30 Minuten die Schmerzgrenze erreicht. Keiner der Befragten wäre darüber hinaus bereit, für kostengünstigeren Wohnraum eine Fahrzeit zur Stadt von über einer Stunde in Kauf zu nehmen. Der Wunsch nach Stadtnähe lässt sich also nicht mit günstigeren Preisen im Umland aufwiegen. Einfamilienhaus präferiertSollte dennoch Eigentum in ländlichen Gebieten erworben werden, bleibt für rund die Hälfte der Befragten das Einfamilienhaus mit großem Abstand das bevorzugte Wohnkonzept – vor allem für Familien mit Kindern oder Haushalte mit einem Haushaltsnettoeinkommen von über 2 500 Euro. Für Single- und Rentner-Haushalte sind dagegen auch Eigentumswohnungen und Mehrgenerationenhäuser attraktiv. Nur wenige planen VerkaufDass der Markt auf absehbare Zeit eng bleiben wird, davon ist die Mehrheit der Befragten überzeugt. Rund neun von zehn erwarten auch zukünftig ein knappes Angebot günstiger Immobilien in Ballungszentren. Die Lage wird noch dadurch verschärft, dass keine Erleichterungen auf der Angebotsseite zu erwarten sind. Nur 7 % der befragten Immobilien- und Grundbesitzer planen in den kommenden fünf Jahren den Verkauf eines Hauses, einer Eigentumswohnung oder eines Baugrundstücks.Fazit – Die Befragung zeigt deutlich, dass innovative und kostengünstige Wohnkonzepte erforderlich sind, um den Erwerb von Wohneigentum in der Region Stuttgart trotz steigender Preise und geringen Angebots möglich zu machen. Es ist dringend nötig, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, insbesondere für Familien. Es müssten mehr Bauflächen bereitgestellt werden, und es müsste mehr Möglichkeiten geben, bezahlbaren Wohnraum zu erwerben, auch durch Anreize wie etwa eine Eigenheimzulage.Aber wir brauchen auch ein Programm zum sozialen Mietwohnungsbau. Da hat sich in den vergangenen Jahren viel zu wenig getan. Sehr zu begrüßen war daher der Vorstoß der Politik, privates Kapital für sozialen Mietwohnungsbau durch ein Sonderabschreibungsprogramm zu mobilisieren. Aber das ist leider bisher versandet.—Bernd Hertweck, Vorstandsvorsitzender der Wüstenrot Bausparkasse AG