Wettbewerb wird europäisch und beachtlich härter

Genossenschaftsbanken fordern die Beachtung ihrer Besonderheiten - Einfache Geschäftsmodelle brauchen eine einfache Regulierung

Wettbewerb wird europäisch und beachtlich härter

Im Windschatten der europäischen Regulierungswelle zeichnen sich gravierende Veränderungen des Marktumfeldes der genossenschaftlichen Kreditinstitute ab. Für die Volks- und Raiffeisenbanken, PSD-Banken und auch uns, die Sparda-Banken, heißt das: Der Wettbewerb wird europäisch und erheblich härter. Denn die Vorteile unseres spezifischen Modells – die intensive regionale Verankerung, einfache und risikoarme Produkte und der genossenschaftliche Ansatz – werden relativiert. Mehr noch: Den Kreditgenossen erwachsen Nachteile durch die Beschränkung der Geschäftsgebiete und Geschäftsfelder, denen die neuen Wettbewerber aus Europa nicht unterliegen. Auf diese Herausforderung muss die genossenschaftliche Finanzgruppe Antworten finden.Die EU-weite Regulierung der Finanzmärkte im Gefolge der Finanzkrise führt zu einer vollständigen Öffnung des europäischen Finanzbinnenmarktes. Ein so hohes Maß an Harmonisierung, wie sie sich jetzt abzeichnet, hatten sich die Ideengeber für einen EU-Finanzbinnenmarkt vor 15 Jahren sicher in ihren kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Mit der umfassenden Vereinheitlichung des Rechtsrahmens sind nahezu alle Barrieren für das grenzüberschreitende Bankgeschäft weggefallen. Schon zuvor hatten die gemeinsame Währung und der einheitliche Zahlungsraum wichtige Voraussetzungen für einen europaweiten Finanzmarkt geschaffen.- Die Bankenaufsicht wird fast vollständig von der nationalen auf die europäische Ebene verlagert. Das europäische Aufsichtsrecht gilt als Verordnung unmittelbar. Technische Standards legt die europäische Bankaufsichtsbehörde fest. Die verbleibenden Befugnisse der nationalen Behörden bei der Aufsicht über kleine und mittlere Institute dürften auf Dauer kaum noch eigene Ermessensspielräume eröffnen.- Die Marktregeln für zahlreiche Finanzprodukte und Handelsaktivitäten – wie CRR, CRD, Mifid, AIFM, EMIR – werden europäisch vereinheitlicht. Die Sicherung der Einlagen und die Abwicklung von Instituten sind ebenfalls Gegenstand von EU-Rechtsakten.- Die Inhalte der Verträge für Finanzdienstleistungen mit dem Kunden werden in weiten Teilen europäisch vorgegeben, ob im Aktivgeschäft, etwa beim Hypothekarkredit oder dem Verbraucherkredit, oder im Passivgeschäft, bei Wertpapieren oder Fonds. Die Zulässigkeit von Provisionen richtet sich maßgeblich nach den EU-Vorgaben. Gerade erst hat die Kommission neue Regeln für das Girokonto vorgeschlagen. Weitere Normen für das Kartengeschäft und elektronische Zahlungen werden wohl noch vor der Sommerpause präsentiert. Keine Europa-SkeptikerWir sind keine Europa-Skeptiker. Wir nehmen den Wettbewerb mit Anbietern aus dem EU-Binnenmarkt selbstbewusst auf, bestehen aber auf faire Wettbewerbsbedingungen. Wir fordern keinen Schutzzaun um unser Geschäftsmodell, sondern die Berücksichtigung unserer Besonderheiten. “Same risk – same rules”, diesem Leitsatz kann und soll nicht widersprochen werden. Er muss allerdings auch umgekehrt gelten: “Less risk – Iess rules”. Einfache Geschäftsmodelle brauchen eine einfache Regulierung.Was bedeutet das neue Marktumfeld von Volks-, Raiffeisen- oder Sparda-Banken? Vor Ort sieht die Welt noch aus wie zuvor: eine Filiale der Sparkasse, der Volksbank und vielleicht der Commerzbank oder einer Sparda-Bank. Vordergründig werben die Präsenzbanken in einem Ort oder einem Stadtteil um die Einwohner im Einzugsgebiet. Doch die Realität ist eine andere geworden.In der neuen europäischen Welt bieten sich parallel zur Wirklichkeit des Straßenbildes Banken aus ganz Europa dem Verbraucher an, begünstigt durch die digitale Verfügbarkeit. Als Direktbank in der Hand einer EU-Bank, als Fondsanbieter oder als Autobank greifen sie gefühlt mit Kampfkonditionen an. Hatten sich schon vor der Finanzkrise zahlreiche Anbieter den attraktiven deutschen Markt erschlossen, drängen nun weitere hinein. Selbst europäische genossenschaftliche Institute machen hier den Volks- und Raiffeisenbanken Konkurrenz. Auch nichteuropäische Institute haben die Möglichkeiten entdeckt und betreiben das Geschäft europaweit von einem einzigen Standort in der EU aus.So ist etwa das Volumen der Sichteinlagen von ausländischen Banken laut Statistiken der Bundesbank allein seit Januar 2012 von 46 auf 65 Mrd. Euro im März 2013 gestiegen. Die Bilanzsumme der Auslandsbanken ist 2012 im Vergleich zum Vorjahr um fast 30 % gewachsen.Der Verbraucher hat sich schnell für die neuen Möglichkeiten geöffnet. Wurden früher wie selbstverständlich die Produkte der Hausbank erworben, tätigt heute kaum ein Kunde eine größere Finanzinvestition ohne im Internet – so gesehen europaweit – die Konditionen verglichen zu haben. Der Wettbewerb der Banken ist zu einem Wettbewerb der Bankprodukte geworden.Auslands- und Direktbanken arbeiten mit Geschäftsmodellen, mit denen herkömmliche Kreditgenossenschaften bisher nicht im Wettbewerb standen. Sie investieren die eingesammelten Einlagen nicht in Krediten im regionalen Geschäftsgebiet, sondern in weitaus rentableren Engagements in ihrem Heimatland und weltweit. Sie profitieren von höheren Zinsniveaus in anderen Ländern, von der rasanten Wirtschaftsentwicklung in Asien und Südamerika oder von ertragreichen Offshore-Geschäften. Das führt gerade in einer Niedrigzinsphase zu erheblichen Ertragsunterschieden im Vergleich zu regionalen Kreditgenossenschaften. Modelle auf dem PrüfstandDie Marktöffnung führt zu der von der EU erwünschten Dynamisierung des Wettbewerbs und zu erweiterten Wahlmöglichkeiten für den Verbraucher. Nichtsdestoweniger wird damit ein Paradigmenwechsel für die Bereitstellung von Finanzdienstleistungen in Deutschland vollzogen. Nicht mehr die von regionalen Genossenschaften oder Sparkassen bereitgestellten Angebote sollen die Versorgung der Verbraucher sichern, sondern Institute jeder Art in einem europäischen Wettbewerb.Vor diesem Hintergrund stellt sich für genossenschaftliche Finanzinstitute die Frage der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells. Können wir mit den satzungsmäßigen Beschränkungen des Geschäfts auf eine Region, auf eine beschränkte Größe, auf die Förderung der eigenen Mitglieder und auf bestimmte Marktsegmente in unserem Kerngeschäft wettbewerbsfähig bleiben? Keine leichte AntwortDie Antwort fällt nicht leicht. Die vielfältigen Trümpfe der genossenschaftlichen Regionalbank, ob Volksbank oder Sparda-Bank, können Nachteile in den Konditionen natürlich ausgleichen. Doch wie lange können wir den aufkommenden oligopolen Marktverhältnissen standhalten? Werden wir am Ende so weit an der Kostenschraube drehen, dass sich unser Wertangebot kaum mehr unterscheidet von dem der Mitbewerber?In der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist jedenfalls eine Strukturdebatte unumgänglich. Was ist die kritische Größe für die Institute? Welche zentralen Funktionen brauchen wir? Welche Governance ist für einen Finanzverbund wie die genossenschaftliche Finanzgruppe angemessen? Und wie können wir Erträge aus europäischem und globalem Geschäft generieren, das uns derzeit nicht zugänglich ist?Andere Genossenschaftsbanken in Europa haben einen anderen Weg beschritten als wir, sind längst zentralisiert und grenzüberschreitend tätig – mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg. Und unsere Kfz-Industrie, unser Maschinenbau oder unsere chemische Industrie verdienen seit langem ihr Geld vor allem jenseits der deutschen Grenzen. Aber es gilt auch der alte Rat an den Schuster, bei seinen Leisten zu bleiben.Wir Sparda-Banken setzen in dieser Situation zu allererst auf die Zugehörigkeit zu dem starken Verbund der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Hier finden wir leistungsfähige Unternehmen, die von ihrer Größe und Aufstellung her mit Wettbewerbern mithalten können. Auch untereinander wollen die Sparda-Banken ihre Kooperation verstärken, um Skaleneffekte zu erzielen. Sympathische GemeinschaftWir setzen weiterhin darauf, dass die Regulierung die Wettbewerbsnachteile von Finanzverbünden ausgleicht. Für die Bündelung der Kräfte von kleinen und mittleren Marktteilnehmern darf der Gesetzgeber nicht höhere Auflagen machen als für die Rationalisierung in einem Konzern. Und er darf uns den Wettbewerbsvorteil der Solidität und Sicherheit nicht dadurch nehmen, dass wir mit den europäischen Konkurrenten über Einlagensicherung oder Restrukturierungsregeln in eine Haftungsunion gedrängt werden.Schließlich setzen wir auf die Kraft der genossenschaftlichen Idee, die sich in Deutschland und weltweit im Aufschwung befindet. Wir präsentieren uns nicht als ertragsstarker Bankkonzern, sondern als sympathische Gemeinschaft, deren Mitglieder Finanzdienstleistungen einfach und fair erledigen können. Damit dem Kunden diese Angebote erhalten bleiben, muss der Genossenschaftssektor weiter stabiler Pfeiler einer diversifizierten Bankenstruktur bleiben.—Von Joachim Wuermeling, Vorsitzender des Verbandes der Sparda-Banken e.V.