Wettbewerbsvorteil durch strenge ESG-Regulierung
sto Frankfurt
Die vergleichsweise strenge Nachhaltigkeitsregulierung der Finanzbranche in Europa ist für Fondsgesellschaften ein Wettbewerbsvorteil im internationalen Geschäft, wenn die Anbieter durch eine klar definierte Strategie als Trendsetter agieren. Diese Ansicht vertrat Felix Germann, Partner Financial Institutions der Beratungsgesellschaft McKinsey, bei seinem Auftritt auf dem 10. DVFA-Asset Management-Forum. Dies gelte übrigens auch für die zwischen Branche und Aufsicht heftig umstrittene geplante BaFin-Richtlinie zu nachhaltigen Investmentvermögen. „Die anderen Länder werden die europäischen und deutschen Regeln in der Zukunft auch anwenden, da ist es für einen deutschen oder europäischen Anbieter von Vorteil, heute schon diese regulatorischen Vorgaben als Vorreiter umzusetzen und entsprechende Produkte zu entwickeln“, zeigte sich Germann überzeugt.
Ein beschleunigter Trend zur Nachhaltigkeit, angestoßen durch Politik, Gesellschaft und Regulierer vor dem Hintergrund des Klimawandels, sei einer der drei großen strukturellen Zukunftsthemen für die Assetmanager und zugleich eine große Geschäftschance. Den immensen Investitionsbedarf für die Transformation der Wirtschaft könnten die Fondsgesellschaften als Finanzierer für die Endkunden investierbar machen.
Dafür brauche es aber mehr, als ein paar einfache Themenfonds im Angebot zu haben oder nur schlicht die regulatorischen Vorgaben zu erfüllen, mahnte der McKinsey-Partner. Um zum Trendsetter und Profiteur zu werden, müsse es ein klares, transparentes und eindeutig festgelegtes Leistungsversprechen in puncto Nachhaltigkeit geben. Zudem müssten Produkte mit einer echten Wirkung auf die Kriterien Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung entwickelt werden (Impact Investing). Die Fondsanbieter selbst müssten personelle Diversität in Führungspositionen und wichtigen Funktionsebenen leben. Und die ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) müssten im gesamten Geschäftsmodell angewandt werden.
Großer IT-Nachholbedarf
Mit Blick auf den zweiten großen Zukunftstrend für Assetmanager, die Digitalisierung, bemängelte Germann, dass die Gesellschaften in diesem Punkt großen Nachholbedarf hätten. Es gebe nur wenige Bestrebungen, die Cloud zu nutzen oder einen eigenen IT-Talentepool aufzubauen. Fondsanbietern riet er etwa zu einer kompletten Cloud-IT-Architektur, zum verstärkten Nutzen von Augmented Intelligence für bessere Investitionsentscheidungen oder zu mehr technologiegestützten Prozessen.
Die Lage der Assetmanager im Pandemiejahr 2020 sei angesichts des Börsenbooms und der mit Zentralbankgeld gefluteten Märkte gut gewesen, so der McKinsey-Experte (siehe Grafik). Durch das stetig wachsende verwaltete Vermögen konnten die Anbieter bislang den schrumpfenden Einnahmenmargen und den unverändert hohen Fixkosten entgegensteuern und somit die Gewinnmargen stabil halten. „Aber was passiert, wenn sich die Assets under Management nicht mehr erhöhen“, fragte Germann. Insbesondere die IT-Kosten seien zu hoch, da Fondsgesellschaften an den bestehenden Systemen festhielten.