Wholesale-Geschäft zentralisiert sich

Frankfurt profitiert von gewandelten Anforderungen

Wholesale-Geschäft zentralisiert sich

Frankfurt wird als Finanzstandort immer wichtiger. Das gilt besonders für internationale Fondsgesellschaften, die auf den deutschen Markt kommen oder sich etablieren möchten. Denn in der Mainmetropole sitzen die meisten Großkunden – im Fachjargon “Wholesale” genannt -, die strategisch wichtig sind für den Verkauf von Publikumsfonds an den Endkunden. Und dieser Absatzmarkt mit Publikumsfonds wächst: Allein 2017 hat sich der Verkauf von Fonds laut Angaben des deutschen Fondsverbands BVI gegenüber 2016 auf knapp 72 Mrd. Euro verzehnfacht, nachdem er im Jahr 2016 auf 6,4 Mrd. Euro abgesackt war. Damit liegt das heutige Nettomittelaufkommen wieder auf dem Niveau von 2015, als 71,9 Mrd. Euro in Publikumsfonds flossen.Zu den wichtigsten Wholesale-Partnern, die den Kuchen im Fondsvertrieb unter sich aufteilen, zählen Großbanken, Privatbanken, Dachfondsmanager und Versicherungen. Diese bieten ihren Kunden nicht nur die eigenen Produkte an, sondern nehmen auch Anlagelösungen an-derer Häuser in die Portfolien beziehungsweise in die Produktpalette auf. So strategisch wichtig und attraktiv die Zusammenarbeit mit Großkunden für Fondsgesellschaften ist, so hoch sind inzwischen die Anforderungen, die sich in den letzten Jahren stark gewandelt haben. Es zeichnen sich mehrere Trends ab.Trend 1: Spezialitäten-Fonds – Die Nachfrage nach spezialisierten Anlagestrategien steigt. Ein Grund: Wegen des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes suchen immer mehr Großkunden nach “ausgefallenen” Alternativen zu den herkömmlichen Anlagen. Diese sollen ihren Kunden zur Risikodiversifizierung dienen und möglichst auch ein Mehr an Rendite erzielen. So sind Großkunden inzwischen offen für Anlagestrategien, die zum Beispiel in US-Kommunalanleihen investieren: Sie bieten eine deutlich höhere Verzinsung und ein geringeres Ausfallrisiko als Unternehmensanleihen vergleichbarer Bonität. Vor Jahren noch wären solche Anlagemöglichkeiten nur für institutionelle Kunden wie Pensionskassen oder Versicherungen als Portfoliobeimischung interessant gewesen.Trend 2: Aktives Management – Trotz des allgemeinen Trends zu passiven Investments ist die Nachfrage nach aktiv gemanagten Strategien nach wie vor hoch. Das gilt insbesondere für Anlagesegmente, die eine tiefgreifende Analyse der Unternehmen und eine profunde Marktkenntnis erfordern. So nehmen Großkunden beispielsweise Anlagestrategien im Segment kurzlaufender, hoch verzinster Unternehmensanleihen auf, da hier durch aktives Management gezielt das Ausfallrisiko im Vergleich zum jeweiligen High-Yield-Index verringert werden kann. Auch hier steht die Absicht der Großkunden im Vordergrund, zusätzliche Renditequellen für ihre Endkunden zu erschließen und dabei das Risiko möglichst zu reduzieren.Trend 3: Institutionalisierte Fondsauswahl – Mit einer insgesamt höheren Anzahl an Produktlösungen im Markt und einer gestiegenen Nachfrage nach Spezialitäten-Investments stellen wir eine Institutionalisierung des Fondsauswahlprozesses auch bei kleineren Wholesale-Partnern fest. Bis vor wenigen Jahren noch wurden Fondspartner in der Regel nach einer persönlichen Präsentation ohne aufwendigen Entscheidungsprozess ausgewählt. Inzwischen wenden aber auch kleinere Gesellschaften immer häufiger Auswahlverfahren an, die früher ausschließlich große Häuser aufgrund der dafür erforderlichen Kapazitäten und Ressourcen durchführen konnten. Vor allem durch die Digitalisierung, die das effiziente Auswerten von riesigen Datenmengen ermöglicht, können nun auch kleinere Wholesale-Partner Datenbank-Screenings und Vergleichsgruppenanalysen durchführen.Meiner Einschätzung nach wird sich dieser Trend durch die Möglichkeiten der “künstlichen Intelligenz” weiter beschleunigen. Ein weiterer Grund für die erhöhten Standards bei der Fondsselektion sind die Ansprüche von Endkunden, die durch die Erfahrungen in den Finanzkrisen der letzten zwei Jahrzehnte stark gestiegen sind. Die Folge: Auch für kleinere Gesellschaften ist ein professionelles Risikomanagement im eigenen Haus, aber auch bei den kooperierenden Fondsgesellschaften immer wichtiger, um zukünftige Markt- und Ausfallrisiken möglichst zu minimieren. So müssen Fondsgesellschaften beispielsweise Kennzahlen präsentieren, die den potenziellen Verlust eines Fonds unter normalen Marktbedingungen messen. Auch Stresstests, in denen die Wirksamkeit von Absicherungsstrategien des Fondsmanagements in unterschiedlichen Marktszenarien geprüft werden, gehören inzwischen zum Standard.Trend 4: Privilegierte Partnerschaften – Ein weiterer Trend im Wholesale-Geschäft sind die sogenannten “privilegierten Partnerschaften”, die sich als neues Vertriebsmodell herauskristallisiert haben. Das bedeutet, dass Großkunden nur noch mit einer begrenzten Anzahl von Fondspartnern eng zusammenarbeiten und ihren Endkunden eine ausgewählte Liste von eigenen und Fremdfonds aktiv anbieten. Die Auswahl der Partner ist an hohe Anforderungen geknüpft. So spielen Kriterien wie die langjährige Erfolgsbilanz ausgewählter Fonds in verschiedenen Marktszenarien, die Breite und Tiefe der Produktpalette, die Größe des Hauses oder auch die Kompetenz und Erfahrung bei der Entwicklung neuer Anlageprodukte eine große Rolle.Hinzu kommen die erhöhten Anforderungen bedingt durch die zunehmende Regulierung der Finanzbranche: Großkunden können beispielsweise nur mit Fondsgesellschaften zusammenarbeiten, die alle Transparenzanforderungen, insbesondere in puncto Kosten, und Informationspflichten nach Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive) und Priips (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products) erfüllen, weil sie diese selbst wiederum gegenüber ihren Kunden einhalten müssen.Meiner Einschätzung nach führen die gewandelten Anforderungen von Großkunden an Fondsgesellschaften in der Konsequenz dazu, dass sich das Wholesale-Geschäft am Finanzplatz Frankfurt zunehmend zentralisiert. Dies gilt nicht nur für internationale Fondsgesellschaften wie zum Beispiel BNY Mellon Investment Management (IM), die 2015 ihr Büro in Frankfurt eröffnet haben, sondern auch für Vermögensverwalter, die ihre Fondsselektoren oder Investmentzentren aus anderen Regionen Deutschlands nach Frankfurt verlagert haben.Denn eines hat sich nicht geändert: Wer nahe am Kunden ist und über ein weitgesponnenes persönliches Netzwerk verfügt, ist klar im Vorteil. Und dafür bietet der Finanzplatz Frankfurt die besten Voraussetzungen – denn hier befinden sich viele bedeutende Marktteilnehmer wie Verbände, Banken, Fondsgesellschaften, Dachfondsmanager, Ratingagenturen, Kanzleien, Fondsverwaltungsstellen sowie die Frankfurter Börse und die Europäische Zentralbank (EZB), mit denen der regelmäßige, auch informelle Austausch vor Ort möglich ist.—-Thilo Wolf, Country Head Germany bei BNY Mellon Investment Management