Im Gespräch Andreas Krischke, Indigo Headhunters

„Man kann eine Firmenkultur in Stunden zerstören“

Um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, müssen Banken stärker auf deren unterschiedliche Lebensphasen eingehen, sagt der Personalberater Andreas Krischke. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels sei hier mehr Flexibilität vonnöten.

„Man kann eine Firmenkultur in Stunden zerstören“

Im Gespräch: Andreas Krischke

„Man kann eine Firmenkultur in Stunden zerstören“

Banken müssen Lebensphasen ihrer Mitarbeiter besser berücksichtigen, fordert der Personalberater von Indigo Headhunters

fir Frankfurt
Von Tobias Fischer, Frankfurt

In Zeiten des Fachkräftemangels ist es nach Ansicht von Personalberater Andreas Krischke zentral, dass Banken stärker auf die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten eingehen. Um gut ausgebildete Mitarbeiter nicht an Wettbewerber zu verlieren, sei mehr Kreativität und mitunter Entgegenkommen gefragt, sagt der Co-Gründer und Geschäftsführer der Frankfurter Gesellschaft Indigo Headhunters im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. 

Teure Neubesetzung

Denn der Aufwand für Neubesetzungen sei in der Regel immens. „Die Wechsel kosten viel Geld, und es geht eine Menge Know-how verloren.“ Dass hoffnungsfrohe Arbeitnehmer ein Unternehmen verlassen, weil das, was sie vorfinden, nicht ihrer aktuellen Lebensplanung entspricht, schmerze. Um gute Mitarbeiter zu halten, müssten für unterschiedliche Lebensphasen auch unterschiedliche Arbeitsmodelle angeboten werden, schlägt Krischke deshalb vor. „Das sollte Ausgangspunkt der Diskussion sein. In den Banken herrscht viel Zustimmung dafür, aber der Knackpunkt ist die Umsetzung.“

Das typische Muster für viele Lebensläufe in der Finanzbranche skizziert er – Lebensphasen folgend – wie folgt: Berufseinstieg bei zum Beispiel einer Landesbank, dann Wechsel in ein angelsächsisches Haus, um schneller aufzusteigen; im Zuge der Familiengründung Weggang zu einer deutschen Geschäftsbank, weil sich das besser mit dem Familienleben vereinbaren lasse; schließlich, sobald die Kinder aus dem Haus sind, möglicherweise erneuter Wechsel, um wieder voll ins Berufsleben einzutauchen.

Wiedereinstieg mit 50 plus

Es gebe viele Menschen 50 plus, die sich zugunsten der Familie im Job zurückgenommen hätten. Nachdem die Kinder das Haus verlassen haben, wollen sie aber beruflich wieder mit voller Kraft einsteigen. Doch wer einmal die Weichen für die Familie gestellt habe, sei allzu oft vom Arbeitgeber abgeschrieben worden. Hier sei ein Umdenken vonnöten. „Es darf nicht der Fall auftreten, dass Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, weil es in ihrer Lebensphase keine Möglichkeit gibt, bei dem Unternehmen im gewünschten Sinne weiterzuarbeiten“, mahnt Krischke.

Es darf nicht der Fall auftreten, dass Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, weil es in ihrer Lebensphase keine Möglichkeit gibt, bei dem Unternehmen im gewünschten Sinne weiterzuarbeiten.

Zwar sind seiner Ansicht nach bereits so einige alte Gewohnheiten und überkommene Strukturen in der Finanzwelt wie stete Präsenzpflicht aufgegeben worden, doch müsse noch mehr getan werden, um den Sektor attraktiver zu gestalten.

Mehr Flexibilität vonnöten

Homeoffice, Teilzeitarbeitsmodelle, Workation oder Auszeiten – hier sei die Branche schon erheblich flexibler als noch vor einigen Jahren. „Der Finanzsektor ist in vielen Bereichen deutlich weiter als vor der Corona-Pandemie“, hält Krischke fest. „Aber die Frage, wie Mitarbeiter gehalten, wie individuell auf Lebensphasen bzw. unterschiedliche Lebensmodelle eingegangen werden kann, so weit ist er noch nicht. Da kann man deutlich mehr machen. Gerade angesichts des Fachkräfteengpasses.“ Das trage zur Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung bei.

Krischke plädiert dafür, an verschiedene Lebensphasen angepasste Arbeitsmodelle zu erstellen, die zur Wahl stehen und in denen sich der Großteil der Belegschaft auf die eine oder andere Art wiederfinden könne. Wer mehr Zeit mit dem Nachwuchs verbringen wolle, sich um pflegebedürftige Angehörige kümmere oder sich mehr eigenen Interessen widmen wolle, solle dies tun dürfen, so Krischke. Beispielsweise mit einer Vier-Tage-Woche oder unbezahltem Urlaub. Und wer sich der Karriere verschreibe, müsse eine überdurchschnittlich hohe Vergütung erhalten.

Dazu müsse es möglich sein, dem jungen, ungebundenen Mitarbeiter im Vergleich mit dem älteren Kollegen, der zugunsten der Familie im Job vorübergehend etwas zurücktreten möchte, höhere Boni zu zahlen, um ihn für seine Leistungsbereitschaft zu belohnen. Doch die Möglichkeit, auf die unterschiedlichen Lebensphasen einzugehen, bedinge mehr Flexibilität der Arbeitgeber, so Krischke.

Starre Homeoffice-Regeln

Dazu zählt er auch Homeoffice-Regelungen, die allzu oft zu starr und nicht den Mitarbeiterbedürfnissen entsprechend ausgestaltet seien. Sich im Stau zu quälen oder mit Bahnausfällen und -verspätungen zu plagen, um schließlich allein im Büro zu sitzen und virtuelle Meetings abzuhalten, demotiviere nur. Banken müssten Wege finden, um mehr Gruppendynamik zu schaffen und dies zum Beispiel durch gemeinsame Teamtage im Büro institutionalisieren.

Zuvorderst sei es schlechte oder fehlende Kommunikation, die Mitarbeiter verprelle, hat Krischke beobachtet. Die Kunst angesichts der Transformation, die die Branche gerade durchläuft, sei es, die Beschäftigten mitzunehmen und, statt Geheimniskrämerei zu betreiben, auch Unbequemes offen anzusprechen. Transparenz und Ehrlichkeit würden geschätzt, auch wenn schwierige Entscheidungen anstünden.

Wichtig sei, den Menschen eine Perspektive anzubieten, die Richtung vorzugeben und zu erklären, warum dieser Weg beschritten werden soll. „Was wir aber oft erleben, ist mangelnde Kommunikation, und Entscheidungen werden erratisch gefällt. Die Leute wissen gar nicht, wohin sie gehen und was sie tun sollen.“ Mit möglicherweise fatalen Folgen: „Man kann eine Firmenkultur in Stunden zerstören, die man zuvor jahrelang aufgebaut hat.“

Viele IT-Projekte scheitern

Doch nicht nur in Sachen Kommunikation laufe es in Banken häufig suboptimal, sondern auch im Projektmanagement, bemängelt Krischke. „Es gibt wenige Branchen, wo IT-Projekte so kläglich gescheitert sind wie in der Finanzindustrie. Das liegt an mangelnder Kompetenz im Projektmanagement und dies wiederum an mangelnder Ausbildung der Leute.“

Es gibt wenige Branchen, wo IT-Projekte so kläglich gescheitert sind wie in der Finanzindustrie.

Als dritten neuralgischen Punkt zählt Krischke die Vorbildfunktion der Entscheider auf. „Führungskräfte müssen authentisch sein.“ Mitarbeitern könne nur das abverlangt werden, was sie selbst glaubhaft vermittelten und vorlebten. „Hier herrscht noch Nachholbedarf. Es wird aber immer besser“, sagte der Personalberater.

Unternehmen in der Finanzbranche müssen viel stärker darauf eingehen, welche Bedürfnisse (potenzielle) Mitarbeitende in ihren jeweiligen Lebensphasen haben. Dazu zählt auch das Vermeiden zu starrer Homeoffice-Regelungen. Häufig verärgert eine schlechte oder fehlende Kommunikation die Mitarbeitenden.

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