Europatochter präsentiert Geschäftsbericht

Wie J.P. Morgan in Europa von der Zinswende profitiert hat

Die Europaeinheit der US-Investmentbank J.P. Morgan hat im vergangenen Jahr ihre Gewinnziele übertroffen. Das gelang aber nur durch kräftige Unterstützung der Zinswende – das Investment Banking trat auch im vergangenen Jahr auf der Stelle. Die Prognose für das laufende Geschäftsjahr ist verhalten.

Wie J.P. Morgan in Europa von der Zinswende profitiert hat

Zinswende rettet J.P. Morgan SE Gewinnziele

Provisionsüberschuss stagniert, doch Zinsergebnis fast verdreifacht – Hoffnung ruht auf Wachstum im Commercial Banking und Start der Digitalbank

Die Europaeinheit der US-Investmentbank J.P. Morgan hat im vergangenen Jahr ihre Gewinnziele übertroffen. Das gelang aber nur durch kräftige Unterstützung der Zinswende – das Investment Banking trat auch im vergangenen Jahr auf der Stelle. Wachstum verspricht sich die Bank vor allem im Commercial Banking.

phh Frankfurt
Von Philipp Habdank, Frankfurt

Der europäischen Einheit der US-Investmentbank J.P. Morgan setzt die anhaltende Flaute im Investment Banking zu. Wie aus dem aktuellen Geschäftsbericht der J.P. Morgan SE für das Jahr 2023 hervorgeht, verharrten die Investment-Banking-Provisionen verglichen mit dem Vorjahr bei rund 406 Mill. Euro. Im Vorjahr waren es rund 396 Mill. Euro.

Das Eigen- und Fremdkapitalmarktgeschäft habe sich in etwa auf Vorjahresniveau entwickelt, die Einnahmen aus dem M&A-Geschäft seien hingegen zurückgegangen. Weil auch die Vermögensverwaltungsgebühren nur leicht auf rund 1,5 Mrd. Euro gestiegen und die sonstigen Provisionen auf rund 1,2 Mrd. Euro gesunken sind, blieb der gesamte Provisionsüberschuss mit rund 2,7 Mrd. auf Vorjahresniveau.

Zinsüberschuss von J.P. Morgan SE hat sich fast verdreifacht

Unterm Strich machte die Europatochter von J.P. Morgan vor Steuern dennoch gut 50% mehr Gewinn als im Vorjahr. Der Anstieg von etwa 1,7 Mrd. auf rund 2,6 Mrd. Euro resultiert aber im Wesentlichen aus den positiven Effekten der Zinswende. Der Zinsüberschuss hat sich im vergangenen Jahr von 535 Mill. auf rund 1,4 Mrd. fast verdreifacht und ist der wesentliche Grund dafür, dass die von Stefan Behr geführte J.P. Morgan SE das vergangene Jahr beim Vorsteuerergebnis 33% über Plan abschloss.

Die Eigenkapitalrendite der europäischen Tochter verbesserte sich dadurch von 5,2 auf 6,8% und liegt damit aber noch deutlich unterhalb der 17%, welche die US-Mutter für das Jahr 2023 ausweist. Das Kosten-Ertrags-Verhältnis (Cost Income Ratio, CIR) der SE lag bei 55,3%. Die Gesamterträge der SE betrugen im vergangenen Jahr rund 5,6 Mrd. Euro und steuerten damit laut Geschäftsbericht rund 30% zu den gesamten EMEA-Erträgen der Gesamtbank bei.

Deutsche Großbank

In der J.P. Morgan SE haben die US-Amerikaner ihr paneuropäisches Geschäft zusammengelegt. Hauptsitz der europäischen Einheit ist Frankfurt. Die wesentlichen Geschäftsfelder der Bank sind das Corporate & Investment Banking, Private Banking und Commercial Banking. Gemessen an der Bilanzsumme zählt die J.P. Morgan SE damit zu einer der fünf größten Banken in Deutschland und untersteht aufgrund ihrer Größe und Systemrelevanz direkt der Aufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB).

Die aufsichtsrechtlichen Mindestkapitalanforderungen an die SE haben sich im vergangenen Jahr erhöht. Gleich mehrere individuelle Kapitalpuffer sind gestiegen, wodurch die kombinierten Pufferanforderungen der SE insgesamt um 67 Basispunkte von 3,5% auf 4,17% gestiegen sind. Nachdem eine höhere Marktvolatilität im ersten Quartal 2023 zu einem Anstieg der risikogewichteten Aktiva und Kapitalnutzung geführt habe, sei der Spielraum bei den Mindestanforderungen an Eigenmittel eingeschränkt gewesen, heißt es im Geschäftsbericht. Um weiteres Wachstum zu ermöglichen, sammelte die SE über bestimmte Anleihen daher zusätzliche 2,5 Mrd. Euro ein.

US-Bank will mehr Commercial-Banking-Kunden in Europa

2023 ist erst das zweite Jahr in der neuen Aufstellung – und das erste ohne größere Sondereffekte aus der Verschmelzung der drei europäischen Altgesellschaften. Wachstum sieht die J.P. Morgan SE vor allem im Zahlungsverkehr (Payments), wo die Bank zusammen mit der Citigroup und der Deutschen Bank einer der größten Anbieter im Euro-Clearing ist. Dynamisches Wachstum verspricht sich die Bank zudem im Commercial Banking – also im Firmenkundengeschäft mit Mittelstandskunden, das die Amerikaner in Europa überhaupt erst seit 2019 betreiben. Geleitet wird das Geschäft von Bernhard Brinker, der dafür von der HypoVereinsbank abgeworben wurde. Ende Februar sagte er gegenüber dem „Handelsblatt“, dass sich die Kundenzahl seit Mitte 2022 von 75 in etwa verdoppelt habe. In den kommenden fünf bis zehn Jahren soll sie sich nochmal verdoppeln – das wären dann rund 300 Kunden.

Im gebeutelten Investment Banking geht die Bank davon aus, dass sich das Geschäft in diesem Jahr wieder normalisieren wird, nachdem 2023 gemessen am Gebührenanteil das schlechteste Jahr seit zehn Jahren gewesen sei. Die Hoffnungen ruhen insbesondere auf den Private-Equity-Investoren – und darauf, dass diese ihre Zurückhaltung aufgeben und den M&A-Markt wieder anschieben.

J.P. Morgan erwartet Erholung im Investment Banking

Unterm Strich erwartet die Europaeinheit von J.P. Morgan in diesem Jahr beim Vorsteuergewinn lediglich ein moderates Wachstum. Auch die Cost Income Ratio, die Eigenkapitalrendite und die Rendite auf die risikogewichteten Aktiva dürften sich in diesem Jahr nur leicht verbessern, heißt es im Prognosebericht.

„Vorbehaltlich laufender makroökonomischer und politischer Entwicklungen gehen wir davon aus, dass sich der Investment-Banking-Markt insgesamt in den nächsten zwei bis drei Jahren wieder einem normalisierten Marktvolumen auf Vorpandemie- beziehungsweise Vorkrisenniveau annähern wird“, prognostiziert J.P. Morgan SE.

Wann startet die Digitalbank Chase in Deutschland?

Ein weiteres Wachstumsprojekt der US-Bank in Europa ist die Digitalbank Chase, mit der J.P. Morgan auch ins deutsche Privatkundengeschäft einsteigen will. Im aktuellen Geschäftsbericht der SE heißt es dazu lediglich, dass die Bank ihre Pläne dahingehend in diesem Jahr weiterverfolgen möchte, wobei man als Hauptstandort Berlin ausgewählt habe. Der Start der Digitalbank wird aber erst im kommenden Jahr erwartet.

Mit ihrer digitalen Privatbank würde J.P. Morgan hierzulande vor allem Direktbanken wie der niederländischen ING, der BayernLB-Tochter DKB, der Commerzbank-Tochter Comdirect oder der Smartphonebank N26 Konkurrenz machen. In Großbritannien ist Chase bereits als reine Digitalbank ohne Filialen am Markt. Zum genauen Starttermin ihrer Direktbank in Deutschland und zu weiteren Details wollten sich die Amerikaner bislang allerdings nicht äußern.

J.P. Morgan SE erwartet mehr Anleihen- und Kreditausfälle

Darin weist die Bank außerdem auf die steigende Zahl von Ausfällen und Ratingverschlechterungen bei europäischen Emittenten von Hochzinsanleihen und Leveraged Loans zum Jahresende 2023 hin. Zum Jahresbeginn hätten daher verschiedene Emittenten von Anleihen und Krediten Restrukturierungsprozesse angestoßen, heißt es weiter. Es werde allgemein angenommen, dass Anleihen- und Kreditausfälle in diesem Jahr weiter zunehmen werden.

Qualität des Kreditportfolios hat sich verschlechtert

Das eigene Kreditportfolio der J.P. Morgan SE weise insgesamt eine gute Kreditqualität auf, heißt es im Geschäftsbericht. Gut drei Viertel stufte die Bank zum Jahresende als „Investment Grade“ ein. 23,1% ihrer Kreditnehmer habe die Bank mit „Sub-Investment Grade“ eingestuft, also mit einem höheren Ausfallrisiko versehen. Der Anteil notleidender Kredite habe weniger als 0,5% des Kreditportfolios ausgemacht, und acht Kunden seien als zahlungsunfähig eingestuft gewesen.

Dennoch hat sich die Kreditqualität der J.P. Morgan SE gegenüber dem Vorjahr verschlechtert. So ging innerhalb der Investment-Grade-Bandbreite der Anteil von Krediten mit Top-Bonitäten („AAA“ und „AA“) von 40,2% auf 29% zurück, wohingegen sich der Anteil von riskanteren „BBB“-gerateten Krediten von 26% auf 31% und der Anteil von noch riskanteren „BB“- und „B“-gerateten Krediten von 16,2% auf 20% erhöhte.

Insgesamt bleibt die Europaeinheit der US-Amerikaner aber ein Wachstumsprojekt. So hat sich die Anzahl der Mitarbeiter der SE im vergangenen Jahr von 4.616 auf 5.071 erhöht – ein Wachstum von knapp 10%. Ein Teil davon entfällt auch auf Berlin, wo die Bank derzeit die Strukturen für ihre Digitalbank aufbaut.

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