„Wir bauen ein langfristiges Portfolio geerbter Immobilien auf“
Pro Jahr werden in Deutschland im Durchschnitt gut 400.000 Immobilien vererbt, wovon in der Regel rund ein Drittel in Erbengemeinschaften übergeht. Das führt leicht zu Streit, weil sich die Erben mitunter nicht einig sind, ob sie das Objekt verkaufen oder behalten wollen.
Robert LindenstreichTeil der Vereinbarung ist dann auch ein Plan zur wertorientierten Bewirtschaftung der Immobilie, die wir für den verbleibenden Miteigentümer sicherstellen.
Für dieses Problem gibt es nun eine Lösung, mit der das Frankfurter Fintech Remedium seit kurzem am Markt ist. Die Gesellschaft erwirbt den Anteil des verkaufswilligen Miteigentümers über eine sogenannte Teilerbauseinandersetzung. „Teil der Vereinbarung ist dann auch ein Plan zur wertorientierten Bewirtschaftung der Immobilie, die wir für den verbleibenden Miteigentümer sicherstellen“, sagt Robert Lindenstreich, der Remedium zusammen mit Florian Kania gründet hat, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Abschlag bis zu 25 Prozent
Das kann auch eine Vereinbarung für eine Sanierung umfassen. Außerdem gilt: „Dem Verkauf eines Erben an uns müssen alle Miterben zustimmen“, sagt Kania. Nachdem ein Wertgutachten erstellt wurde und alle drei Elemente der Urkunde, bestehend aus Kaufvertrag, Teilerbauseinandersetzung und Miteigentümervereinbarung, unterzeichnet sind, kauft Remedium dann mit einem Abschlag von 15 bis 25%. Das seien deutlich geringere Abschläge und Transaktionsdauern als bei Alternativlösungen wie der Zwangs- oder Teilungsversteigerung, argumentieren die beiden Gründer.
Robert LindenstreichWir streben keinen Quick Flip an, sondern wollen ein langfristiges Portfolio an lukrativen Anteilen geerbter Immobilien aufbauen.
Zwar gilt auch hier das Motto, dass im Einkauf der Gewinn liegt, aber Remedium verfolgt kein auf schnelle Abverkäufe ausgerichtetes Geschäftsmodell. „Wir streben keinen Quick Flip an, sondern wollen ein langfristiges Portfolio an lukrativen Anteilen geerbter Immobilien aufbauen, in das perspektivisch auch Real-Estate-Fonds quasi als neue, vormals nicht zugängliche, Anlageklasse investieren können“, sagt Lindenstreich. Bei dem wachsenden Bestand von vererbten Immobilien dürfte die Masse dafür wohl vorhanden sein. Remedium schätzt, dass ein Bestand von rund 50 Mrd. Euro jährlich Gegenstand von Uneinigkeit in Erb- und Schenkungsfällen ist.
Florian KaniaWir haben Transaktionen im Wert von mehr als 20 Mill. Euro in der Pipeline.
Die 2023 erfolgte Gründung wird bislang über Bootstrapping finanziert, gegen Ende des zweiten Quartals will Remedium das erste mal externes Eigenkapital zur Finanzierung operativer Kosten, insbesondere in den Bereichen Tech, Marketing und Personal, aufnehmen. Das Unternehmen führe Gespräche mit Business Angels, Wagniskapitalfonds und Family Offices. Zwischen „Seed“ und „Series A“ angesiedelt, will sich Remedium als „Real-Estate-Bestandshalter mit Venture-Returns“ vermarkten und dann für eine erhöhte Skalierung finanziert sein. „Wir haben Transaktionen im Wert von mehr als 20 Mill. Euro in der Pipeline“, sagt Kania.
Rahmenkredit in Aussicht
Der nächste Meilenstein ist aber der Abschluss eines Rahmenkredites, um die Seite der Fremdkapitalfinanzierung von Objekten abzudecken. Sobald die Finanzierung in der Tasche ist, können die Prozesse hin zum Ankauf beschleunigt werden. Das ist wichtig, um bei Deals zum Zug zu kommen und um den Aufbau des Portfolios zu beschleunigen. Mit einer Volksbank sei Remedium beim Rahmenkredit im Grunde einig, auch hier wird Vollzug zum Ende des zweiten Quartals erwartet.
„In der Folge sind unsere Anteilsankäufe äußerst eigenkapitaleffizient skalierbar, sodass keine Investorengelder zur Ankaufsfinanzierung aufgewendet werden müssen“, sagt Kania. „Wir erfahren auch allgemein viel positive Resonanz auf unsere kooperative Lösung des Problems von Erbengemeinschaften bei Immobilien.“
So knüpft die Gesellschaft über Immobilienverwalter, Makler oder Kanzleien Kontakte mit möglichen Kunden. In Werbung investiert das junge Unternehmen noch nicht. Das soll sich ändern, wenn das Eigenkapital gestärkt wurde. Außerdem soll eine Tech-Plattform aufgebaut werden, um dann zum Beispiel die Bewertung von Immobilien digital abzubilden und Prozesse ein Stück weit zu automatisieren.
Marktlücke identifiziert
Ihr Rüstzeug haben die Gründer im selben Jahrgang auf der privaten Hochschule WHU erworben sowie dann jeder für sich auf Stationen in der Finanzbranche bei Goldman Sachs und Rothschild. Die Vorarbeit zur Geschäftsaufnahme als GmbH bestand darin, die passenden Verträge in Kooperation mit Kanzleien zu entwerfen. Die Gesellschaft verlässt sich dabei auf eine Rahmenurkunde, um nicht bei jeder Transaktion wieder bei knapp über null anzufangen.
Nur vermietbare Objekte im Blick
Eine Selbstbeschränkung: Remedium ist auf Objekte fokussiert, die zur Vermietung taugen – diese generieren die Cashflows. Bei der Mietrendite wird so kalkuliert, dass sie unter Rücksichtnahme auf Preisabschlag sowie mögliches Entwicklungspotenzial über den Kapitalkosten liegt. Wobei die Gesellschaft aufgrund der immer noch hohen Kaufpreise in Toplagen nicht zugreife, so Kania. Gehen Objekte in den Verkauf, werde man sich „gegen ein Cash-Event nicht wehren, aber Schwerpunkt bleibt das Bündeln der Assets“, erklärt Lindenstreich.
Dass ein Fintech in einem so frühen Stadium eine Buy-and-Hold-Strategie verfolgt, dürfte selten sein. Zur Assetklasse Betongold passt das aber gut. Wenn sich unter Hausbesitzern – auch ohne Erbstreit – die Möglichkeit rumspricht, über Remedium Geld zu erhalten sowie die Bewirtschaftung sicherzustellen, dann könnte das Portfolio rasch wachsen.