"Wir brauchen auf Frauen zugeschnittene Beratung"
jsc Frankfurt – Die Anlageberatung in Deutschland geht nach Auffassung der Mannheimer Finanzprofessorin Alexandra Niessen-Ruenzi zu oft an Frauen vorbei. Für männliche Kunden nehme sich ein Berater oft mehr Zeit und biete mehr Produkte an, sagte sie am Dienstag in Frankfurt auf einem Pressegespräch der Fondsgesellschaft Fidelity International zur Altersvorsorge von Frauen. Zwar bräuchten Anlegerinnen nicht unbedingt eine andere Art der Ansprache – wichtig sei vielmehr, Frauen überhaupt öfter anzusprechen. “Gesetze an den Kapitalmärkten gelten für Männer und Frauen gleich”, sagte sie. “Ich glaube trotzdem, dass wir eine auf Frauen zugeschnittene Finanzberatung brauchen.”In einer von Fidelity beauftragten Studie legte sie mit ihrem Professorenkollegen Christoph Schneider von der niederländischen Tilburg University dar, dass die voraussichtliche Kluft in der gesetzlichen Rente zwischen Männern und Frauen groß ist – im Durchschnitt rund 140 Euro im Monat, wobei der Abstand mit dem Alter zunimmt. Um die Lücke zu schließen, müssen Frauen mehr sparen, und zwar je nach Alter und Renditeerwartung im Durchschnitt zwischen 36 und 124 Euro pro Monat zusätzlich im Vergleich zu Männern.Allerdings legten Frauen bislang nicht mehr als Männer zur Seite, sagte Niessen-Ruenzi. Die Finanzberatung gehe aus unterschiedlichen Gründen an Kundinnen vorbei: So seien die Scheu vor Finanzfragen sowie ein Mangel an Finanzwissen im Durchschnitt – allen individuellen Unterschieden zum Trotz – bei Frauen stärker ausgeprägt. Auch gebe es nur wenige Finanzberaterinnen, kritisierte sie. Die Professorin berief sich auf Studien, die zum Teil Defizite in der Beratung deutscher Banken nahelegen (siehe Kasten).Eine solide Finanzbildung erleichtere es Frauen wie Männern, sich vor einer unangemessenen Beratung zu schützen. Oft mangelt es Frauen und Männern an rudimentärem Wissen, etwa zum Wesen von Zins und Inflation oder von Aktien und Fonds, wie Studien zeigen. Im provisionsbasierten Vertrieb sei es zudem wichtig, sich den Folgen der Anreize bewusst zu sein, sagte Niessen-Ruenzi.Ein Unterschied in den Rentenansprüchen tut sich laut der Untersuchung erst ab dem 35. Lebensjahr auf. Nach Geburt eines Kindes erreichen Frauen, anders als Männer, nach Wiedereinstieg in den Beruf nicht mehr das ursprüngliche Gehalt, was sich auf Rentenansprüche auswirkt. Auch die Pflege von Angehörigen vergrößert die Lücke. Bis zum Ruhestand weitet sich die Kluft aus, so dass 67-jährige Männer laut der Studie einen Rentenanspruch auf 1 419 Euro im Monat haben, gleichaltrige Frauen indes nur auf 1 008 Euro. Das Forscherduo hat Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ausgewertet und 1,8 Millionen Menschen bis 2014 erfasst, dem jüngsten Datensatz. – Wertberichtigt Seite 6