IM INTERVIEW: DOROTHEA MOHN, VZBV, HENNING BERGMANN, DSGV, UND CHRISTIAN VOLLMUTH, DDV

"Wir brauchen ein Level Playing Field für alle"

Verbraucherschützer betrachten Anlegerschutz nach wie vor als Großbaustelle - Sparkassen sehen Verbraucher gut aufgestellt - DDV warnt vor zu viel Bürokratie

"Wir brauchen ein Level Playing Field für alle"

Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband betrachtet den Anlegerschutz in Deutschland als ungenügend – trotz einer Fülle neuer Gesetze im Gefolge der Finanzkrise. Henning Bergmann vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband und Christian Vollmuth, Geschäftsführer beim Deutschen Derivate Verband, halten dagegen: Es gebe keinen Anhaltspunkt für ein flächendeckendes Problem am deutschen Markt.- Eine Reaktion auf die Finanzmarktkrise war eine Fülle neuer Gesetze. Ist es um den Anlegerschutz nun besser bestellt?Mohn: Wenn man sich anschaut, wie gut Verbraucher mit Finanzprodukten versorgt sind, sieht man, dass sich nicht viel verändert hat. Wir beobachten, dass Verbrauchern weiterhin überteuerte und unflexible Verträge und unnötige Produktwechsel empfohlen werden. Der Vertrieb erfolgt weiterhin auf Provisionsbasis, und Zuwendungen werden nach wie vor nicht klar ausgewiesen. Weiterhin sind Produkte für den aktiven Vertrieb zugelassen, die dafür kaum geeignet sind, wie Zertifikate oder Vermögensanlagen.Vollmuth: Ich sehe das nicht so negativ wie Frau Mohn. Es stand schon 2008 nicht schlecht um den Anlegerschutz. Seitdem sind viele gute Sachen dazugekommen, zum Beispiel das Produktinformationsblatt, leider aber auch viel Bürokratie wie das Beratungsprotokoll. Wenn nun noch Mifid II und die Verordnung zu den Priips-Informationsblättern in Kraft treten, haben wir einen vollumfänglichen Anlegerschutz.Bergmann: Die Transparenz ist deutlich erhöht worden. Anleger wissen heute, welche Zuwendungen fließen, und erhalten Informationen zu den Kosten. Das wird mit Mifid II nun noch einmal intensiviert. Es gab auch umfassende Initiativen aus der Kreditwirtschaft. Bei den Sparkassen gibt es flächendeckend auch für kleinere Anleger eine Portfolioberatung. All das gab es 2008 in der Form noch nicht. Es besteht aber die Gefahr, dass wir durch die überbordende Regulierung einen großen Vorteil verlieren, um den uns andere Länder beneiden: eine Beratung in der Fläche für alle Kunden.- An welchen Stellen ist der Gesetzgeber über das Ziel hinausgeschossen?Vollmuth: Wir beobachten eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, die nicht ordentlich aufeinander abgestimmt sind. Nur ein Stichwort: Prospektzusammenfassung und das künftige europäische Informationsblatt KID unter der Priips-Verordnung. Da ist die gleiche Information in mehreren Dokumenten enthalten. Das ist nicht sinnvoll.Mohn: Da bin ich bei Ihnen. Informations-Overload bringt niemandem etwas. Die Information muss reduziert und verständlich sein.Vollmuth: Danke. Was hat der Verbraucher schließlich davon, wenn er dieselben Informationen mehrfach vorgelegt bekommt?- Frau Mohn, bei wie viel Prozent verorten Sie den Anlegerschutz?Mohn: Ich habe überhaupt keine Lust, eine Zahl zu nennen. Mir geht es um die Wirksamkeit der Regulierung. Sind Verbraucher gut mit Finanzprodukten versorgt? Erst wenn wir das klar bejahen dürfen, könnte ich sagen, dass der Anlegerschutz gereift ist. Wir bewegen uns in einem komplexen Markt, der von starken Informationsasymmetrien bestimmt wird. In diesem Markt sind Verbraucher schlecht geschützt. Sie brauchen Beratung, finden aber keine, die klar in ihrem Interesse arbeitet und auf die sie vertrauen können.Bergmann: Klarer Widerspruch! Es gibt überhaupt keinen Anhaltspunkt für ein flächendeckendes Problem am deutschen Markt. Das sind schlicht Behauptungen. Alle Banken und Sparkassen haben in den vergangenen Jahren an der Optimierung der Beratung gearbeitet. Das Register der BaFin zeigt, dass es pro Jahr 0,04 Beschwerden pro Berater bei den Sparkassen gibt – und die sind nicht mal alle berechtigt. Das ist eine fast nicht mehr zu messende Zahl. In den Schlichtungsstellen der Sparkassen hatten wir im vergangenen Jahr 334 Beschwerden im Wertpapierbereich, bezogen auf gut 60 000 Anlageberater.Mohn: Häufig nehmen Kunden gar nicht wahr, dass sie ein Produkt gekauft haben, das zu teuer oder in sonstiger Weise ungeeignet ist. Und natürlich gibt es ein grundsätzliches Problem. Trotzdem spricht der DSGV nicht erst seit der Finanzkrise unbeeindruckt von bedauerlichen Einzelfällen – ich kann das nicht mehr hören.Bergmann: Es bleibt aber trotzdem richtig. Die Zahlen der BaFin sind objektiv. Der Finanzmarktwächter ist es leider nicht. Er ist eine Partei, sollte aber eigentlich eine unabhängige Institution sein.Mohn: Der Finanzmarktwächter wertet regelmäßig aus, wie gut die Portfolien der Anleger zu ihren Bedarfen passen. Wenn man sich die Ergebnisse anguckt, dann kann man sich nicht mehr hinstellen und behaupten, es gebe kein Problem.Vollmuth: Was werten Sie denn da aus? Die Gespräche und Beschwerden in den Verbraucherzentralen oder gehen Sie wirklich objektiv in die Breite, zu mehreren Banken und sitzen bei Hunderten von Anlageberatungsgesprächen dabei?Mohn: Die Verbraucherzentralen werten die Verträge aus, die Verbrauchern heute angeboten werden. Die Angebote werden daraufhin geprüft, wie gut sie hinsichtlich ihrer Kosten, Risiken und Verfügbarkeit im Einzelfall zum Verbraucher passen. Aktuelle Angebote fallen dabei zu mehr als 90 % durch. Daneben wird überprüft, wie gut die Produkte, die Verbraucher schon im Portfolio haben, zum Bedarf passen – unabhängig davon, wie bedarfsgerecht diese zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses waren. An dieser Stelle ist das Ergebnis besser. Mehr als die Hälfte ist in Ordnung. Das heißt aber nicht, dass diese Produkte zum Zeitpunkt des Abschlusses passend waren. Häufig raten wir heute nicht mehr zum Produktwechsel, weil sich dieser wegen bereits abbezahlter Abschlussprovisionen nicht mehr lohnt.Bergmann: So kommen wir nicht weiter. Das ist weder eine neutrale noch eine repräsentative Untersuchung. Hier wird mit nicht belastbarem Zahlenmaterial knallharte Interessenpolitik gemacht. Davon hat der Verbraucher überhaupt nichts.Mohn: Das Argument ist entlarvend. Die Studie ist nicht repräsentativ. Aber das ist auch nicht Sinn und Zweck der Studie. Es werden reale Fälle aus der Verbraucherberatung ausgewertet. Dass Sie das als nicht neutral bezeichnen, zeigt die Widersinnigkeit Ihres Denkens. Ihnen scheint es im Beratungsgespräch ganz offensichtlich um die Interessen der Bank und nicht um die Interessen der Verbraucher zu gehen.Vollmuth: Unabhängig von unterschiedlichen Untersuchungsdesigns kann ich Ihnen als Emittentenvertreter sagen, dass sich einiges verbessert hat. Mifid I hat die sogenannte Lehman-Oma nicht geschützt, weil sie nicht über das Emittentenrisiko von Zertifikaten aufgeklärt werden musste. Das hat sich geändert. Bei einer Aktienanleihe steht heute im Produktinformationsblatt, wie sie funktioniert, wir weisen die Kosten sauber aus und sagen dem Verbraucher, wie viel Prozent der Anlagesumme an den Vertrieb gehen. Dabei gehen wir sogar auf Grundlage unseres DDV-Fairness-Kodex über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Dann werden auch noch detailliert die Risiken aufgelistet. Mehr geht doch gar nicht. Wo sollen wir noch transparenter werden?- Besteht das Problem nicht darin, dass die Anleger mit Informationen überflutet werden und die Unterlagen gar nicht lesen?Vollmuth: Das kann eine Folge von den vielen Dokumenten sein, mit denen der Anleger nach jetziger Gesetzeslage konfrontiert werden muss. Da war ich mir mit Frau Mohn ja schon einig. Manchmal ist weniger mehr und das muss verständlich sein. Es gab schon eine Arbeitsgruppe für die Verständlichkeit von Produktinformationsblättern, in der Frau Mohn mitgearbeitet hat. Die Anleger müssen sich aber die Mühe machen, die entsprechenden Bedienungsanleitungen zu lesen. Mehr können wir nicht tun. Wir können den Kunden nicht zum Lesen zwingen. Anders als Frau Mohn finde ich aber überhaupt nicht, dass Zertifikate nicht zum aktiven Vertrieb zugelassen sein sollten.Mohn: Ich habe kein Problem mit Zertifikaten für Selbstentscheider. In der Beratung – das heißt im aktiven Verkauf – halte ich das Produkt für gänzlich ungeeignet. Warum sollen Verbraucher ein Produkt mit Emittentenrisiko kaufen, wenn sie ein ähnliches Produkt kaufen könnten, das ein Sondervermögen ist?Vollmuth: Warum sollte er dann eine Unternehmensanleihe kaufen? Irgendein Emittentenrisiko gibt es immer, und auch ein Sondervermögen kann Anlegern schwere Verluste bereiten – man denke an die offenen Immobilienfonds.Mohn: Als Sondervermögen wäre das Produkt diversifiziert.Vollmuth: Aber man kann sich doch die Bonität der Emittenten anschauen und in einem Anlegerportfolio auch mit Einzelwerten diversifizieren. Ein Geheimtipp für Frau Mohn: Zertifikate von unterschiedlichen Emittenten.Mohn: Für Verbraucher kommen Einzelwerte erst ab sehr hohen Vermögen in Frage.Vollmuth: Dann empfehle ich ein Dax-Zertifikat eines guten Emittenten. Das sollte man dem mündigen Bürger doch zugestehen.- Herr Bergmann, wie kann der Berater sicherstellen, dass der Kunde die Information liest und versteht?Mohn: In den 45 Minuten, die ein Beratungsgespräch bei Ihnen durchschnittlich dauert …Bergmann: Die Länge eines Beratungsgesprächs ist nach Situation sehr unterschiedlich, der Durchschnitt ist nicht aussagekräftig. Eine Beratung kann Folgendes leisten: Die Daten des Kunden werden vernünftig aufgenommen und der Bedarf wird analysiert. Wir schauen erst einmal, ob die Lebensrisiken abgedeckt sind und wie hoch der Liquiditätsbedarf ist. Erst anschließend sprechen wir überhaupt über Wertpapiere.Mohn: Geht es auch um Kredite?Bergmann: Ja, wir nehmen die Situation des Kunden komplett auf. Bei den meisten kommen wir gar nicht zur Wertpapieranlageberatung, weil sie schon bei der Liquidität einen Stopp haben und man daher erstmal im Einlagenbereich ist. Bei den verbleibenden Kunden schaut man, dass das Portfolio gut strukturiert ist. Der Anleger erhält von Sparkassen ein Portfolio, das seiner Risikoneigung entspricht. Erst dann stellt sich die Frage, welches Finanzinstrument jeweils geeignet ist. An dieser Stelle ist es sinnvoll, dass der Berater das Produktinformationsblatt mit dem Kunden durchgeht und schaut, ob es verstanden wird. Der Kunde kann dann aus unterschiedlichen Produkten wählen. Da wird mal ein Fonds passend sein, mal ein Zertifikat oder auch ein Einzeltitel. Bei kleineren Portfolien bietet sich regelmäßig eine Diversifizierung zum Beispiel durch Fonds an, bei größeren Portfolien erfolgt die Mischung oftmals auch über Einzelwerte. Was eine Beratung sicher nicht leisten kann, ist für den Kunden immer das absolut am besten passende Produkt aus den inzwischen wohl etwa 1,2 Millionen Produkten zu finden. Was wir aber leisten können, ist sicherzustellen, dass der Kunde am Ende ein vernünftiges Portfolio mit passenden und guten Produkten hat.- Die Mifid II enthält etliche neue Regeln, die dem Verbraucherschutz dienen sollen. Bringen die den Anleger wirklich weiter?Vollmuth: Einige Grundgedanken der Mifid II sind auf dem Level I – also dem eigentlichen Gesetzestext – gut. Zum Beispiel der vollständige Ausweis der Produktkosten. Allerdings sehen wir in der Ausgestaltung des Gesetzes nun einen Detaillierungsgrad, den man kaum noch leisten kann. Es stellt sich die Frage, was das dem Anleger überhaupt noch bringt. Bei einem Zertifikat muss man wissen, was der Emittent verdient und was die Vertriebsseite bekommt. Muss ich das aber wirklich noch aufgliedern in Kosten der Rechtsberatung, der Verbandsgebühr und so weiter? Man würde beim Autokauf ja auch nicht verlangen, dass der Preis für die Blinker einzeln ausgewiesen wird.Bergmann: Insgesamt steckt im Level-I-Text viel Sinnvolles drin. Die Ausgestaltung – der sogenannte Level II – schießt aber deutlich über das Ziel hinaus. An verschiedenen Stellen haben wir eine sehr kritische Zwangsbeglückung. Zum Beispiel bei der Geeignetheitsprüfung. Es gibt Anleger, die das nicht wollen. Da brauchen wir Öffnungsmöglichkeiten. Wir müssen insgesamt schauen, dass die Papierüberflutung des Anlegers eingeschränkt wird. Die ausufernden Level-II-Akte führen dazu, dass wir zu viel Regulierung haben, die oft beim Anleger gar nicht ankommt, uns aber belastet und dazu führt, dass wir uns fragen, ob wir überhaupt noch Beratung in dieser Form noch anbieten können.Mohn: Ich sehe vor allem die laufende Geeignetheitsprüfung kritisch, die ja absehbar ein Kriterium für den Qualitätsverbesserungstest wird. Berater bekommen damit die Aufgabe, einmal pro Jahr zu prüfen, ob die Anlagen eines Kunden noch geeignet sind. Ich sehe in dieser sicher gut gemeinten Regelung die große Gefahr, dass in sehr regelmäßigen Abständen das Ergebnis lautet: Na ja, so ganz geeignet ist das nicht mehr, wir schichten mal lieber um. Per gesetzlicher Voreinstellung käme es dann noch stärker als heute zu Portfolioumschichtungen.Bergmann: Was ist denn Ihre Vorstellung, was da passieren kann?Mohn: Die laufende Geeignetheitsprüfung sollte auf die vorangegangene Prüfung Bezug nehmen müssen. Wenn die neue Prüfung nicht zu einem positiven Ergebnis kommt, muss genau begründet werden, was sich verändert hat. Wenn Kunden mit einem langen Anlagehorizont mit ihrer Anlage ins Risiko gehen, ist das wunderbar. Dann gilt es aber durchzuhalten. Kunden sollten nicht ein Jahr später zum Umschichten angehalten werden, weil der Kurs des Finanzinstruments grade zu diesem Zeitpunkt im Keller ist.Vollmuth: Diese Situation kann ich mir nicht so richtig vorstellen. Bei einem langen Anlagehorizont – also fünf bis zehn Jahren – sollte man doch in ein Kapitalschutzprodukt gehen und es bis zur Fälligkeit halten.Mohn: Ich spreche von zwanzig oder dreißig Jahren.Vollmuth: Bei so einem Zeitraum kauft ein Kunde doch eine Lebensversicherung. Oder meinen Sie, dass er einen Fonds von Gesellschaft A kauft und dann in der Beratung angehalten wird, in einen Fonds von Gesellschaft B zu wechseln? Das scheint mir doch sehr konstruiert.Bergmann: Die Gefahr des Umschichtens ist eine abstrakte Gefahr. Praktisch halte ich das nicht für ein Problem. Mit den neuen Regeln wird ein Anreiz gesetzt, regelmäßig mit den Kunden über deren Portfolien zu sprechen. Und das finde ich richtig. Dass das nicht dazu genutzt werden sollte, den Kunden ungeeignet zu beraten, versteht sich von selbst. Da sind wir uns einig. Das wird in der Geeignetheitserklärung festgehalten. Da muss man ja sagen, warum ein Produkt empfohlen worden ist.Mohn: Es weiteres Problem bleibt: Die Versicherungslobby funktioniert noch besser als die Bankenlobby und hat erreicht, dass Provisionen unter der Versicherungsrichtlinie IDD nicht offengelegt werden müssen – im Wertpapiervertrieb aber schon. So haben wir unterschiedliche Transparenzanforderungen, die bereits heute dazu führen, dass im Finanzvertrieb stärker auf kapitalansparende Versicherungen gesetzt wird als auf wertpapierbasierte Empfehlungen. Gehen Sie heute in eine Bank und sagen, dass Sie sich zur Altersvorsorge beraten lassen wollen. Nicht selten landen Sie in einer Versicherungsberatung, die die Beratung zu Fonds oftmals ausschließt.Bergmann: Bei den Sparkassen ist das jedenfalls nicht der Fall.Mohn: Wunderbar, dass bei den Sparkassen Bullerbü ist …Bergmann: Ich würde gern noch einmal einen Punkt aufgreifen, in dem Frau Mohn und ich einer Meinung sind. Unterschiedliche Regimes sind schlicht nicht förderlich. Das gilt zum Beispiel für die Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzanlagenvermittler.Vollmuth: Wir brauchen ein Level Playing Field für alle: Fonds, Zertifikate, Versicherungen. Leider haben, wie Frau Mohn schon sagte, einige Finanzprodukte weniger Transparenz in der Provisionsoffenlegung.Bergmann: Wenn sich der Gesetzgeber bei Versicherungen für ein anderes Zuwendungsregime entschieden hat, sollte das auch im Wertpapierbereich gelten und bei der Mifid berücksichtigt werden. Schließlich ist die IDD die aktuellere Gesetzgebung.Mohn: Nein, nein, nein. Mifid II war schließlich zuerst da.- Frau Mohn, war es ein Fehler, in der Mifid II auf ein Provisionsverbot zu verzichten?Mohn: Das ist so ja nicht ganz richtig. Provisionen sind schon unter Mifid I grundsätzlich verboten, es gibt allerdings Ausnahmen davon. Leider sind diese Ausnahmen auch nach Mifid II so weit gefasst, dass sie am Ende immer zulässig sind. Das ist der Knackpunkt. Die Lösung des Problems ist es, den systemimmanenten Interessenkonflikt durch Provisionen aufzulösen. Die Niederlande und Großbritannien haben gute Erfahrungen mit dem Provisionsverbot sind gemacht.Vollmuth: Was spricht gegen Provisionen, wenn sie ordentlich ausgewiesen werden? Wenn Transparenz herrscht, sind Provisionen in Ordnung. So einfach ist das.Bergmann: In der Tat. Wir wollen einen Markt, in dem es Beratung für alle gibt. Das Honorarberatungsangebot ist ein ganz klares Angebot an vermögende Kunden. 85,5 % der Sparkassendepots sind kleiner als 50 000 Euro. Das ist eine andere Klientel. Klare Erfahrung ist, dass eine flächendeckende Honorarberatung nicht funktioniert. In Großbritannien haben sie gerade mal 18 % der Anleger unter 15 000 Pfund in Anspruch genommen. In Deutschland ist die Situation komplett anders. Ein Provisionsverbot würde das ändern. Da möchten wir definitiv nicht hinkommen. Interessenkonflikte können gemanagt werden. Nicht nur durch Transparenz, sondern auch durch andere Maßnahmen.- Wie ist es im europäischen Vergleich um den Anlegerschutz in Deutschland bestellt? Gibt es Dinge, die wir von unseren Nachbarn lernen könnten?Vollmuth: Von den Nachbarn können wir lernen, wie man es grade nicht macht. Zum Beispiel Provisionsverbote. In Deutschland haben wir ein sehr hohes Anlegerschutzniveau, wir haben viel Pionierarbeit geleistet. Wir sind schon weiter, entweder durch unsere Zertifikate-Selbstregulierung oder durch nationale Regulierungsmaßnahmen.—-Das Interview führte Grit Beecken.