"Wir feuern aus allen Rohren"
spe Stuttgart – Banken und Sparkassen im deutschen Südwesten sehen sich einer noch nie dagewesenen Kreditnachfrage von Unternehmenskunden ausgesetzt. Aufgrund von Liquiditätsengpässen durch die Coronakrise werden Kreditlinien auf breiter Basis erhöht und auch ausgeschöpft. Dies berichteten unisono Vertreter der drei Bankengruppen im Land auf einem digital organisierten Wirtschaftsgipfel des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg in Stuttgart. “Wir feuern aus allen Rohren und stellen, wo es auch immer geht, Liquidität zur Verfügung”, sagte Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands. Plus von 50 ProzentÄhnlich ist die Situation bei den 51 Sparkassen in Baden-Württemberg. Sie registrierten im laufenden Jahr ein Plus von 50 % bei den Kreditzusagen, die 2,9 Mrd. Euro ausmachen. “Wir geben Gas wie noch nie”, sagte dazu Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg (SVBW). Hinzu kommen 50 000 Tilgungsaussetzungen im Umfang von rund 1 Mrd. Euro. Auch Glaser bezifferte für die Genossenschaftsbanken den Umfang der Stundungen auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag. Parallel dazu bewegt sich auch das Förderkreditgeschäft auf Rekordniveau. So registrierten die Sparkassen im Land Förderkredite über 1,5 Mrd. Euro, während bei den Volks- und Raiffeisenbanken im Land rund 4 000 Förderanträge über eine 1,4 Mrd. Euro eingingen.Die Vertreter der Bankengruppen machten klar, dass es im Moment darum gehe, mit Hilfe von Krediten die derzeitige Durststrecke zu überbrücken, um danach den Wirtschaftsmotor wieder anlaufen zu lassen. “Wir gehen von drei bis fünf Monaten aus, die es zu überbrücken gilt”, so Glaser, der seine Branche für gut kapitalisiert hält. “Wir brauchen aber Spielraum für die Kreditvergabe, um längerfristig die Firmenkunden über Wasser halten zu können”, sagte er.Ähnlich verläuft auch das Geschäft bei den Privatbanken, für das es allerdings keine gesonderte Statistik nach Bundesländern gibt. “Die eigentliche Herausforderung wird erst Ende des Jahres auf uns zukommen, wenn wir beginnen müssen, Wertberichtigungen zu bilden”, sagte Andreas Torner, Vorstand des Bankenverbands Baden-Württemberg. Denn das dicke Ende kommt noch, da sind sich die Banker einig. Spätestens 2021 steht ihnen ein gewaltiger Wertberichtigungsbedarf ins Haus. Doch anders als bei der Finanzkrise 2008/09 könnten die Banken diesmal Teil der Lösung und nicht das Problem selbst sein, so Torner.Dann wird sich auch zeigen, ob die aktuelle Krise die Finanzinstitute härter trifft als damals. “Wir haben heute in der Tat ein größeres Krisenpotenzial”, sagte Schneider. Daher werde man diesmal wahrscheinlich höhere Wertberichtigungen vornehmen müssen als 2008/09, als allein die Sparkassen im Südwesten rund 800 Mill. Euro wertberichtigt haben. Dennoch sieht Schneider aufgrund des entschlossenen Handelns der Politik auf allen Ebenen eine gute Chance, unter den Werten der nach der Finanzkrise tatsächlich auch realisierten Kreditausfälle zu bleiben.Schneider, der als ausgesprochener Kritiker der EU-Bankenregulatorik gilt, forderte bei dieser Gelegenheit, dass die Lockerungen, die zu Beginn der Coronakrise eingeführt wurden, dauerhaft gelten sollten. “Wir brauchen jetzt Gewissheit, dass Erleichterungen langfristig gelten, und offensichtlich unnötige Vorschriften gar nicht mehr in Kraft treten”, sagte der Sparkassenpräsident. Beispielhaft nannte er ein umfangreiches Meldewesen sowie krisenverschärfende Mechanismen beim Rating im Falle von Kreditstundungen.